VN-Menschenrechtsausschuss unter Druck
Berlin: (hib/SAS) Unterfinanzierung und Überlastung - darunter leidet der Menschenrechtsausschuss der Vereinten Nationen als einer von zehn Fachausschüssen, die die Einhaltung internationale Menschenrechtsabkommen überwachen, bereits seit geraumer Zeit. Doch die Herausforderungen für das Gremium, das die Umsetzung des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte von 1966 überprüft, sind nicht zuletzt durch die Corona-Pandemie gewachsen. In einem Gespräch mit Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe am Mittwochnachmittag berichtete das deutsche Mitglied im Ausschuss, der Völkerrechtler Prof. Dr. Andreas Zimmermann, dass der Ausschuss zunehmend auch politisch unter Druck stehe. „Wir bekommen Gegenwind nicht nur von Staaten, von denen wir das schon länger kennen, wie etwa der russischen Föderation, sondern auch neuerdings auch aus den USA“, sagte Zimmermann, der seit 2018 Mitglied des Gremiums ist. So stellten die Vereinigten Staaten inzwischen sogar die Befugnis des Menschenrechtsausschusses in Abrede, seine Allgemeinen Erklärungen zur Auslegung des Zivilpakts abzugeben.
Auch praktische Probleme erschwerten zunehmend die Arbeit der insgesamt 18 unabhängigen und ehrenamtlich tätigen Experten: Aufgrund ungenügender Sekretariatsmittel komme der chronisch überlastete Ausschuss mit seiner Arbeit nur langsam voran. Aktuell kämpften die Mitglieder mit einem „Rückstau von 850 bis 900 Individualbeschwerden“, so Zimmermann. Durchschnittlich dauere es vier bis sechs Jahre bis eine Entscheidung zu einer Individualbeschwerde gefällt werden könne, sagte der Professor unter anderem für Öffentliches Recht, Europäische Wirtschaftsrecht und Wirtschaftsvölkerrecht an der Universität Potsdam. Bei der Überprüfung von Staatenberichten gehe es ähnlich langsam vorwärts. Dass der Ausschuss seine Aufgaben nicht zufriedenstellend erfüllen könne, liege aber auch an den Vertragsstaaten: Etliche kämen ihrer Pflicht nicht nach, über Fortschritte bei der Umsetzung des VN-Zivilpaktes alle vier Jahre zu berichten.
Die Corona-Pandemie jedoch habe die Arbeit der Experten nun fast völlig zum Erliegen gebracht, berichtete Zimmermann. So könne der Ausschuss nicht wie sonst zu seinen drei Mal im Jahr stattfindenden dreiwöchigen Treffen in Genf zusammenkommen. Gegenwärtig laufe das im Juli übliche Treffen zwar per Videokonferenz. „Doch anstatt sechsstündiger Sitzungen können die Vereinten Nationen uns aufgrund mangelnder technischer Möglichkeiten nur zweistündige Onlinesitzungen ermöglichen“, sagte Zimmermann. Das werde dazu führen, dass der Rückstau bei der Bearbeitung von Beschwerden in diesem Jahr um weitere „100 bis 200“ ansteige und dass der Ausschuss „fast gar keine Staatenberichte untersuchen“ könne.
Um seiner Arbeitsbelastung besser Herr zu werden, habe der Menschenrechtsausschuss in den vergangenen Jahren angefangen, Arbeitsabläufe anders zu organisieren. So sei zum Beispiel ein Zeitplan für das Staatenberichtsverfahren gefasst worden, der festlege, in welchem Jahr welche Beitragsstaaten zu ihren Berichten vor dem Ausschuss befragt werden, erläuterte Zimmermann. Zudem sei es möglich, das Berichtsverfahren auch ohne eine solche vorherige Anhörung zu beschließen. Auch nutze man Fragekataloge für ein vereinfachtes Berichtsverfahren. Insgesamt befinde sich das gesamte Vertragsausschusssystem im Prozess der Reform, so Zimmermann. Alle Fachausschüsse seien bemüht, ihre Prozesse effizienter zu gestalten. „Aber auch da gibt es leider Widerstände bei den souveränitätsorientierten Staaten.“
Um das Funktionieren des Menschenrechtsausschusses sicherzustellen, seien aber letztlich vor allem die Vertragsstaaten gefragt, betonte Zimmermann, dessen Mitgliedschaft im Ausschuss Ende 2020 endet. Er appellierte an deren Unterstützung: „Wir sind sehr auf die Vertragsparteien, darunter Deutschland, angewiesen - sei es, indem sie politischen Bestrebungen, den Ausschuss zu schwächen, entgegentreten oder im Rahmen der Vereinten Nationen für die Finanzierung Sorge tragen.“