Besorgnis wegen des Wirecard-Konkurses
Berlin: (hib/HLE) Die Fraktionen haben sich zum Teil sehr kritisch mit der Rolle von Aufsicht und Prüfern im Zusammenhang mit der Wirecard-Pleite befasst. In einer von der Vorsitzenden Katja Hessel (FDP) geleiteten Sitzung des Finanzausschusses am Mittwoch erklärte ein Vertreter der CDU/CSU-Fraktion, dass ein DAX-Konzern in wenigen Tagen ins Nichts falle, habe zu einem großen Vertrauensschaden geführt. Die Finanzmarktteilnehmer müssten darauf vertrauen können, dass bei im regulierten Markt gelisteten Firmen ein Schutz bestehe. Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht sei ein Teil der Entwicklung gewesen. Die CDU/CSU-Fraktion kritisierte wie auch andere Fraktionen, dass die BaFin früher gestellte Fragen zu Wirecard nicht beantwortet habe. Die SPD-Fraktion nannte den Fall Wirecard einen „Vorgang mit enormer krimineller Energie“. Ein Sprecher der Fraktion zeigte sich auch verwundert, dass den Wirtschaftsprüfern von EY, die so lange das Unternehmen geprüft hätten, nie etwas gefunden hätten. Die Haftung der Wirtschaftsprüfer müsse geändert werden, wurde von der SPD-Fraktion gefordert.
Massive Kritik an der BaFin übte die AfD-Fraktion, die die Finanzaufsicht als „Abwrackfall“ bezeichnete. Eine Behörde, die am Ende des Tages ein zahnloser Tiger sei, werde nicht gebraucht. Es gebe einen erheblichen Vertrauensverlust in den Aktienindex DAX und den Finanzplatz Deutschland. Den Anlegern seien zum Teil erhebliche Verluste entstanden. Die FDP-Fraktion warf der BaFin eine Fehlbeurteilung des Falles Wirecard und Versäumnisse vor. Die Aufsicht habe auch nicht alles Mögliche getan, sondern hätte durchaus früher eingreifen können. Die Fraktion Die Linke warf der BaFin vor, sich des Ernstes der Lage offensichtlich nicht bewusst zu sein. Frühere Fragen zu dem Thema seien nicht beantwortet worden. Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hatte den Eindruck einer „kollektiven Unverantwortlichkeit“. Der Schaden durch die Wirecard-Pleite sei enorm. Die Defizite müssten von Grund auf aufgearbeitet werden.
Zuvor hatte die Bundesregierung den Fall Wirecard als in höchstem Maße besorgniserregend bezeichnet. Man stehe vor der Herausforderung, das Vertrauen in den Finanzmarkt dauerhaft wieder zu stärken. Kritische Fragen würden sich an Management und Vorstand sowie an Prüfer und Aufsichtsstellen stellen. Eine erste Schlussfolgerung sei, dass das bisherige zweistufige und auf Konsens aufgebaute System der Finanzkontrolle für Fälle von massiver Bilanzfälschung nicht effektiv genug sei und effektiver gemacht werden solle. Auf den Prüfstand müsse auch die Rolle der Aufsicht über die Wirtschaftsprüfer.
BaFin-Präsident Felix Hufeld verteidigte das Verhalten seiner Behörde. Die BaFin habe im Januar 2019 anonyme Hinweise wegen Wirecard bekommen. Etwas später habe es eine Artikelserie in der Financial Times gegeben. Dies habe die BaFin veranlasst, ihr schärfstes Instrument mit Blick auf Bilanzfragen anzuwenden und die Deutsche Prüfstelle für Rechnungslegung (DPR) zu einer Bilanzprüfung aufzufordern. Dies entspreche dem zweistufigen System der Bilanzkontrolle. Erste Stufe sei die DPR. Solange die DPR prüfe, sei es der BaFin nicht gestattet, selbst tätig zu werden. Wenn der DPR-Prüfbericht vorliege, habe die BaFin das Recht, den Fall an sich zu ziehen. Das Prüfergebnis zu Wirecard liege aber bisher nicht vor. Das zweistufige System sei vielleicht gut im Regelbetrieb, Defizite habe es, wenn die Dinge eskalierten, erklärte Hufeld. Er wies Vorwürfe zurück, die BaFin habe nicht getan, was sie hätte tun können. Wirecard sei ein Technologieunternehmen und keine Finanzholding, und daher sei man zwingend auf das zweistufige Verfahren angewiesen. Nur bei einer Einstufung als Finanzholding sei die BaFin Herr des Verfahrens.
Hufeld verteidigte auch das von der BaFin verhängte Leerverkaufsverbot für Wirecard-Aktien. Seine Behörde habe Anfang 2019 von der Staatsanwaltschaft München sehr konkrete Hinweise auf möglicherweise bevorstehende Marktmanipulationen erhalten und habe tätig werden müssen. Außerdem sei die BaFin zur Stellung von Strafanzeigen in solchen Fällen verpflichtet.