Kritik an Wohnungseigentumsgesetz
Berlin: (hib/MWO) Die Modernisierung des Wohnungseigentumsgesetzes (WEG) ist am Mittwoch Thema einer öffentlichen Anhörung im Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz gewesen. Dazu lagen der Gesetzentwurf der Bundesregierung „zur Förderung der Elektromobilität und zur Modernisierung des Wohnungseigentumsgesetzes und zur Änderung von kosten- und grundbuchrechtlichen Vorschriften (Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetz - WEMoG)“ (19/18791) und ein Antrag der FDP-Fraktion mit dem Titel „Wohnungseigentum selbstbestimmt und praktikabel gestalten“ (19/18955) vor.
Von mehreren Sachverständigen kam eine Reihe von Verbesserungsvorschlägen und zum Teil auch heftige Kritik am Regierungsentwurf. Andere machten geltend, auch die Eigentümer und der Verbraucherschutz würden durch das Gesetz gestärkt. Die Abgeordneten wollten von den neun eingeladenen Experten unter anderem wissen, wie sie die vorgesehenen weitreichenden Befugnisse der Verwalter und die Modernisierungsmaßnahmen bewerten und wie ein Sachkundenachweis zu einer besseren Kontrolle der Verwalter durch die Eigentümer beitragen könnte. Von der SPD-Fraktion hieß es anschließend, die Kritik, dass die Befugnisse der Hausverwalter zu weit gefasst seien, würden im parlamentarischen Verfahren intensiv geprüft werden. Angestrebt werde eine WEG-Reform für die Wohnungseigentümer, nicht gegen sie.
Der Vorsitzende des Ausschusses Miet- und Wohnrecht im Deutschen Anwaltverein, Michael Drasdo, gab zu bedenken, dass im Ergebnis zahlreicher Paradigmenwechsel und entgegen der Vorgabe in der Gesetzesbegründung die Stellung der Wohnungseigentümer nicht gestärkt, sondern erheblich eingeschränkt werde. Die Rolle des Verwalters werde entgegen dem Interesse der Wohnungseigentümer aufgewertet, ohne dass sichergestellt ist, dass die erforderlichen Qualifikationen für das Amt vorhanden oder nachgewiesen werden.
Gabriele Heinrich, Vorständin des Verbands Wohnen im Eigentum, sagte, der Entwurf dürfe nicht im Hau-Ruck-Verfahren verabschiedet werden. Das Ziel, die Wohneigentümergemeinschaften zu stärken und für die Zukunft zu rüsten, werde nicht erreicht. Bei einem genauen Blick in den Gesetzentwurf mit Analyse der Auswirkungen und Folgen werde deutlich, dass die konkreten gesetzlichen Maßnahmen nicht nur mit einer Vielzahl neuer hoher Risiken und teilweise auch unkalkulierbarer Gefahren für die Wohnungseigentümer verbunden seien. Er führe weder zu mehr Rechtssicherheit, noch zu mehr Modernisierungen, Klimaschutz und Verbraucherschutz und auch nicht zu mehr Effizienz in der Wohneigentumsverwaltung. Heinrich warnte davor, dass Wohnen in Eigentumswohnungen für Selbstnutzer und für Mieter teurer werde und dass Verfahren eingeführt werden, die es Investoren oder Mehrheitseigentümern erleichtern würden, Aufkaufstrategien und Luxussanierungsstrategien zu entwickeln, mit denen wehrlose und finanzschwache Eigentümer aus ihren Wohnungen gedrängt werden.
Manfred Jost, Präsident des Verbands Wohneigentum, unterstützte eine Fortschreibung des Wohneigentumsrechts. Schlankere und transparente Strukturen, besonders hinsichtlich von Beschlussfassung und Umsetzung von Maßnahmen, seien positive Ziele. Dabei sei aber immer vom Eigentum des Einzelnen an seiner Wohnung auszugehen, gleich ob er oder sie diese selbst nutzt oder vermietet. Beschlüsse müssten demokratisch legitimiert sein, und das Recht des Eigentümers dürfe nur soweit wie erforderlich eingeschränkt werden. Wie andere Sachverständige auch sprach sich Jost für die Einführung eines Sachkundenachweises aus.
Roland Kempfle, Richter am Landgericht München I und Mitglied des Präsidiums des Deutschen Richterbunds, empfahl, zeitgleich mit dem Inkrafttreten des Gesetzes einen Sachkundenachweis für gewerbliche Wohnungseigentumsverwalter einzuführen. Dieser müsse den vielfältigen fachlichen Ansprüchen, die an Wohnungseigentumsverwalter zu stellen seien, in jeder Hinsicht genügen. Kempfle bewertete die Vorlage ausschließlich aus dem Blickwinkel der gerichtlichen Praxis. Dabei ergäben sich mehr problematische als positive Punkte. Gegen eine Reihe der vorgeschlagenen Neuregelungen bestünden erhebliche Bedenken.
Kai Warnecke, Präsident von Haus & Grund Deutschland, begrüßte, dass mit dem WEMoG das Wohnungseigentumsgesetz transparenter und einfacher werde. Doch an vielen Stellen gehe der Entwurf noch immer zu weit, an einigen noch immer nicht weit genug. So sei die Harmonisierung des Miet- und WEG-Rechts im Rahmen der WEG-Reform erstmalig ausführlich behandelt worden - jedoch mit unzureichendem Ergebnis. Kritik äußerte Warnecke an den Regelungen zu baulichen Veränderungen und der Ausweitung der Befugnisse von Verwaltern. Um hier das Gleichgewicht zwischen Verwaltung und Eigentümergemeinschaft wiederherzustellen, bedürfe es einer Änderung des Systems der Vertretungsmacht des Verwalters.
Christian Rietschel, Vorsitzender von Haus & Grund Dresden, kritisierte, dass der Entwurf erheblich in die verbrieften Rechte der Wohnungseigentümer eingreife und ihr Eigentum damit entwerte. Ziel des Wohnungseigentumsgesetzes dürfe nicht sein, den Verwaltern und der Bauwirtschaft mehr und leichter Profite auf Kosten der Wohnungseigentümer zu ermöglichen, sondern die Verwalter als Dienstleister den Wohnungseigentümern helfend und ausgleichend zur Seite zu stellen.
Johanna Schmidt-Räntsch, Richterin am Bundesgerichtshof, erklärte, der Entwurf weise gelungene technische Verbesserungen auf und behebe mehrere konstruktive Schwächen des geltenden Wohnungseigentumsrechts. Der Vorwurf, dem Verwalter werde mehr und zu viel Macht als früher eingeräumt, treffe nicht zu. Die Befugnisse des Verwalters hielten sich in den traditionellen Grenzen. Die praktisch wichtigste Verbesserung sei die Umgestaltung der Beschlussmängelklagen von einem Mitgliederprozess der Wohnungseigentümer untereinander zu einem Verbandsprozess. Das Ziel des Gesetzes, den Modernisierungsstau in vielen Wohnungseigentumsanlagen zu beheben, sei uneingeschränkt zu begrüßen, erklärte Schmidt-Räntsch. Die Regelungsvorschläge müssten im Einzelnen aber noch ergänzt werden, da sie ansonsten ungewollt den Modernisierungsstau verstärken würden.
Mit einer ganzen Reihe von Änderungs- und Ergänzungsvorschlägen meldete sich Oliver Elzer, Richter am Kammergericht Berlin, zu Wort. Angesichts vieler kritischer Stellungnahmen sagte er, der Entwurf sei kein schlechtes Produkt. Die Verbrauchersrechte würden eindeutig gestärkt und es würden klare Strukturen eingeführt. Auch das Verfahrensrecht sei gut gelungen. Er warne davor, die Essenz des Entwurfs aufzuweichen. Mit seiner Stellungnahme wolle er mögliche Knackpunkte des WEMoG aufzuzeigen und dringende Verbesserungen anregen. So solle Irrtümern und Fehlern entgegengetreten, die Handhabung des Gesetzes für alle Beteiligten praktikabler gemacht und die Wohnungseigentümer gestärkt werden.
Der Geschäftsführer des Verbands der Immobilienverwalter Deutschland, Martin Kaßler, bescheinigte dem Entwurf eine hohe Qualität. Er sei rechtsdogmatisch konsistent und löse viele Probleme der Praxis. Der Ansatz des Entwurfes sei überzeugend und entwickle die vom Bundesgerichtshof bereits seit 2005 anerkannte Rechtsfähigkeit der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer weiter. Notwendigen Änderungsbedarf sieht Kaßler auch vor dem Hintergrund aktueller Herausforderungen im Zusammenhang mit der Covid-19-Pandemie. Es zeige sich hier, wie wichtig die zeitgemäße Anpassung gesetzgeberischer Regelungen an die schnell fortschreitenden technischen Möglichkeiten ist. So müsse die Durchführung virtueller Eigentümerversammlungen ermöglicht werden. Kaßler befürwortete auch eine Stärkung des Verbraucherschutzes durch einen Sachkundenachweis des Verwalters.
Schwerpunkte des Gesetzentwurf sind der grundsätzliche Anspruch sowohl von Wohnungseigentümern als auch Mietern auf den Einbau einer Lademöglichkeit für ein Elektrofahrzeug, der barrierefreie Aus- und Umbau sowie Maßnahmen des Einbruchsschutzes und ein Glasfaseranschluss auf eigene Kosten. Die Beschlussfassung über bauliche Veränderungen der Wohnanlage soll vereinfacht werden, vor allem für Maßnahmen, die zu nachhaltigen Kosteneinsparungen führen oder die Wohnanlage in einen zeitgemäßen Zustand versetzen.
Die Rechte von Wohnungseigentümerinnen und Wohnungseigentümern sollen erweitert werden, indem das Recht auf Einsichtnahme in die Verwaltungsunterlagen im Gesetz festgeschrieben und ein jährlicher Vermögensbericht des Verwalters eingeführt wird, der über die wirtschaftliche Lage der Gemeinschaft Auskunft gibt. Weitere Schwerpunkte betreffen die Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums. Wie die Bundesregierung in dem Entwurf schreibt, steigt das Bedürfnis, Wohnungen barrierereduzierend aus- und umzubauen. Für die Erreichung der Klimaziele sei die energetische Gebäudesanierung unerlässlich. Daneben verlange auch die Errichtung von Lademöglichkeiten zur Förderung der Elektromobilität Eingriffe in die Bausubstanz.
Die FDP schreibt in ihrem Antrag, die Bundesregierung versuche das Fundament des Wohnungseigentumsrechts zu untergraben. Das Wohnungseigentumsrecht benötige und verdiene eine Reform, um die mittlerweile unüberschaubar gewordene Kasuistik der in Jahrzehnten gewachsenen Rechtsprechung zu ordnen und auf eine festere Basis zu stellen. Im Einzelnen gehe es um die Bestellung und die Befugnisse des Verwalters, die Beschlussfindung und die Beschlussfähigkeit der Eigentümerversammlung sowie die verbindliche Nutzung einer digitalen Plattform für die jeweilige Wohnungseigentümergemeinschaft.