Modernisierung des Prüfungswesens
Berlin: (hib/LBR) In ihrer 20. Sitzung hat die Enquete-Kommission „Berufliche Bildung in der digitalen Arbeitswelt“ am Montagmittag in einer öffentlichen Anhörung - online - über Modernisierungsoptionen für ein Prüfungswesen der Zukunft diskutiert. Auch ging es um veränderte Anforderungen durch die digital gewandelte Arbeitswelt. „Eine Präsenzveranstaltung wäre wegen der Corona-Pandemie nicht möglich gewesen, deswegen betreten wir Neuland und führen eine Webkonferenz durch“, sagte der Vorsitzende Stefan Kaufmann (CDU) zu Beginn der Sitzung.
Dazu hatte die Kommission die externe Sachverständige Katja Caspari vom Bundesverband Deutscher Berufsausbilder e.V. (BDBA) eingeladen „Wir als Verband wollen die Handlungsfähigkeit der Ausbilder und Prüfer stärken“, sagte Caspari vom 1974 gegründeten BDBA. Als Motive ehrenamtlich aktiver Menschen im Prüfungsamt nannte sie vor allem einen Wissensvorsprung, die regionale Vernetzung und auch ein „Aktivbleiben“ im eigenen Berufsfeld. Es bestehe das Problem, dass durch die Prüfungsökonomie das Berufsethos angegriffen werde. In der Folge engagierten sich immer weniger Prüfer. Weitere Probleme für Prüfer seien vor allem Beurteilungsfehler und eine mangelnde Prüfungsdidaktik, veraltetes Fachwissen und dass technologische Neuerungen nicht bekannt seien. Problematisch sei auch die niedrige Aufwandspauschale.
Eine mögliche Lösung könne etwa darin liegen, eine Vergütung auf 450 Euro-Basis pro Prüfungszyklus einzuführen, sagte Caspari. Auch das Entwickeln eines digitales Fragenpools, in dem zum Beispiel eine Künstliche Intelligenz hinterlegt sei, sein eine Option. „Für fatal halten wir, eine zentrale Fachprüfung per Multiple-Choice-Verfahren. Das hat mit beruflicher Handlungskompetenz nichts zu tun“, sagte die Sachverständige. Caspari plädierte auch für Bewertungsmöglichkeiten über digitale Beobachtungsbögen, um eine möglichst objektive Wertung zu erreichen. Wichtig sei zudem, dass die Prüfer eine Fortbildungspflicht hätten. Weitere Digitalisierungsschritte könnten in einem digitalen Quartalsbericht anstelle eines wöchentlichen Berichtshefts, einer digitalen Prüfungsanmeldung über den Personalausweis sowie in modularen Prüfungen liegen, berichtete Caspari.
Für die Berufsschulen sprachen die sachverständigen Kommissionsmitglieder Carlo Dirschedl (Berufliche Schulen Altötting) und Sandra Garbade (Hamburger Institut für Berufliche Bildung). Beide betonten, dass sich die Weiterentwicklung des Prüfungswesens an aktuellen Voraussetzungen wie der Heterogenität der Schülerschaft und gesellschaftlichen Anforderungen orientieren müsse. Daraus ergebe sich etwa, dass fortlaufende Prüfungselemente zur Erfassung informell erworbener Kompetenzen aufgenommen werden sollten und dass diese Eingang in die Abschlusszeugnisse fänden. Digital unterstützte Prüfungsformate und Ausbildungskonzepte sollten entwickelt werden und eine gegenseitige Anerkennung von Leistungen durch verschiedene Lernorte müsse vorangetrieben werden, forderten die Sachverständigen.
Für die Kammern sprachen Volker Born (Zentralverband des Deutschen Handwerks) und Achim Dercks (Deutscher Industrie- und Handelskammertag). Die Sachverständigen verwiesen darauf, dass Beobachtungsverfahren in Prüfungen, etwa im Bereich der Kfz-Mechatronik, bereits angewendet würden. Schon jetzt gebe es ein hohes Maß an systemischer Qualitätssicherung, betonte Born. Das Prüfer-Ehrenamt müsse weiterhin attraktiv, der Aufwand für die Abnahme von Prüfungen leistbar bleiben, sagte er. Digitale Prüfungsformen müssten „intensiv vorangetrieben“ werden, forderte auch Dercks. Ein Medienwechsel von schriftlichen hin zu digitalen oder elektronischen Prüfungen würde eine „erhebliche Entlastung der ehrenamtlichen Prüfer“ bedeuten.
Für die Gewerkschaften plädierte Uta Kupfer (Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft ver.di) dafür, die Abschlussprüfung zu einer dualen Kompetenzprüfung weiterzuentwickeln. Doppelprüfungen seien zu vermeiden und die Berufsschulen stärker in das Prüfgeschehen einzubeziehen. „Viele Kompetenzen lassen sich weder mit den bestehenden schriftlichen, noch mit den mündlichen Prüfungen feststellen“, sagte sie. Für viele Prüflinge bedeuteten die schriftlichen Prüfungen, dass das erlernte Wissen punktuell vorliegen müsse. Die Abschlussprüfungen seien aber immer dann gut, wenn sie sich auf das betriebliche Geschehen beziehen würden, sagte die Sachverständige. Es sei daher wichtig, den praktischen Teil der Abschussprüfung konsequent zur Kompetenzprüfung weiterzuentwickeln.