Zeuge: BND mit Amri am Rande befasst
Berlin: (hib/WID) Der Bundesnachrichtendienst (BND) hat nach Darstellung eines seiner höheren Beamten vor dem Anschlag auf dem Berliner Breitscheidplatz mit dem späteren Attentäter Anis Amri nur am Rande zu tun gehabt. Er selbst habe den Namen Amris erst am Tag nach dem Anschlag bewusst wahrgenommen, sagte der Leitende Regierungsdirektor C.H. am Donnerstag dem 1. Untersuchungsausschuss („Breitscheidplatz“). Der heute 56-jährige Zeuge steht nach eigenen Angaben seit 2016 an der Spitze eines Referats, das für die Abwehr terroristischer Bedrohungen „mit Auslandsbezug“ zuständig ist. Seine Aussage war der erste öffentliche Auftritt eines BND-Beamten in den mittlerweile fast zwei Jahren der Tätigkeit des Ausschusses.
Sein Referat habe 2016 „eine niedrige dreistellige Zahl von Terrorverdächtigen mit Auslandsbezug“ zu bearbeiten gehabt, sagte der Zeuge. Vor diesem Hintergrund sei Amri „atypisch“ gewesen. Er habe sich im Inland aufgehalten. Im Inland seien auch die wesentlichen Erkenntnisse über ihn generiert worden. Ohnehin sei in seinem Fall die Polizei federführend gewesen. Vor dem Attentat sei der BND nur zweimal mit Amri in Berührung gekommen. In beiden Fällen seien wesentlich weiterführende Erkenntnisse nicht angefallen.
Am 4. Februar 2016 erhielt der BND vom Bundeskriminalamt einen Hinweis auf zwei libysche Mobilfunknummern, mit denen Amri in Kontakt gestanden haben soll. Die Nummern seien in das Erfassungssystem des Geheimdienstes zur Überwachung internationaler Datenverkehre eingespeist worden, hätten aber zu keinem Zeitpunkt einen Treffer generiert. Die Ermittlungen hätten in eine Sackgasse geführt.
Im September und Oktober 2016 warnte der marokkanische Geheimdienst vor Amris radikalislamische Neigungen. Die Hinweise seien „umfangreich und detailliert“ gewesen, sagte der Zeuge: Amri trage sich mit Attentatsplänen, unterhalte Kontakte zum sogenannten Islamischen Staat und wolle vielleicht in den Heiligen Krieg ziehen. Die Informationen wären wohl „anders wahrgenommen“ worden, meinte der Zeuge, wenn sie den deutschen Behörden neu gewesen wären. Allerdings sei dies alles schon aus Ermittlungen der Polizei bekannt gewesen. In einer Sitzung des Gemeinsamen Terrorismus-Abwehrzentrums (GTAZ) der deutschen Sicherheitsbehörden erhielt am 2. November 2016 das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) den Auftrag, den marokkanischen Hinweisen nachzugehen.
Der Zeuge kam auch auf vier Videos mit Bezug zum Breitscheidplatz-Attentat zu sprechen, die dem BND nach dem Anschlag von einem ausländischen Partnerdienst zugespielt wurden. Auf einem soll Amri zu sehen sein, der mit einer Waffe herumfuchtelt und eine Kopf-ab-Geste vollführt. Dem Ausschuss gerieten die Bildschnipsel zum Stein des Anstoßes, weil er erst im Oktober vorigen Jahres davon erfuhr.
Der Zeuge datierte ihre Entstehung auf Ende November und Anfang Dezember 2016. Wann der ausländische Nachrichtendienst davon erfahren habe, wisse er nicht, mit Sicherheit aber nicht vor dem Attentat. Der BND habe nach dem Anschlag die Partnerdienste um Hilfe bei den Ermittlungen gebeten, und dabei Erkenntnisse der deutschen Behörden mitgeteilt. Auf dieser Grundlage habe der ausländischen Dienst das Bildmaterial vermutlich im Netz aufstöbern können. Gemessen an dem Anfang 2017 bereits bekannten Material hätten die Videos allerdings „keine Anhaltspunkte zur Neubewertung“ des Sachverhalts geboten, er habe sie daher „nachrangig priorisiert“, sagte der Zeuge.