Masterplan für Schwimmbäder gefordert
Berlin: (hib/HAU) Der Sportausschuss hat am Mittwoch in einer Expertenanhörung über die Situation der Schwimmbäderinfrastruktur beraten. Dabei erneuerte die DLRG (Deutsche Lebens-Rettungs-Gesellschaft) die schon in einer Petition an den Bundestag im vergangenen Jahr erhobene Forderung nach einem „Masterplan für Schwimmbäder“, an dem Bund und Länder sich beteiligen sollten. Seitens des Deutschen Schwimm-Verbandes (DSV) wurde kritisiert, dass von den Kommunen immer öfter zwei, drei kleinere Bäder geschlossen würden, um in der Folge ein großes Erlebnisbad zu bauen, in dem der Schwimmsport jedoch nur am Rande vorkomme. Ein Vertreter des Deutschen Städtetages räumte ein, dass Kommunen häufig zwei oder drei marode kleine Bäder, deren Sanierung sich nicht lohne, schließen und durch ein großes Bad ersetzen würden. Es sei aber keineswegs so, dass dabei nur Spaßbäder gebaut würden, sagte der Kommunalvertreter.
DLRG-Präsident Achim Haag warnte während der Anhörung davor, dass Deutschland zu einem Nicht-Schwimmer-Land werden könne, wenn nichts gegen die zunehmenden Bäderschließungen getan werde. Immer mehr Kinder seien am Ende der Grundschule „keine sicheren Schwimmer“, gab er zu bedenken. 2017 habe ein Umfrageergebnis ergeben, dass mehr als 60 Prozent der Kinder nicht schwimmen können. Für den DLRG-Präsident gehören Schwimmbäder zur Daseinsvorsorge, auch wenn ihm die unterschiedlichen Zuständigkeiten bekannt seien, sagte Haag. Benötigt werde daher ein Masterplan, ähnlich dem Goldenen Plan, der Ende der 1950er Jahre verabschiedet wurde.
Aus Sicht von DSV-Vizepräsident Wolfgang Hein sollte die Schwimmausbildung im „ortsnahen Bereich“ stattfinden. Dort, wo es Kitas und Schulen gebe, sei es sinnvoll, „die alten klassischen Lehrschwimmbäder wieder aufleben zu lassen“. Sie seien nicht kostenintensiv, ermöglichten aber die sehr nahe Schwimmausbildung. „An jeder mehrzügigen Grundschule wäre ein solches Lehrschwimmbecken durchaus sinnvoll“, befand Hein. Die Unterhaltungskosten lägen bei 20.000 bis 50.000 Euro pro Jahr. „Das sollte uns die Schwimmfähigkeit der Kinder auch wert sein“, sagte der DSV-Vizepräsident.
Klaus Hebborn vom Deutschen Städtetag verwies auf die schlechte Datenlage. Niemand wisse genau, wie viele Bäder es in Deutschland gebe, kritisierte er. Die letzte erfolgte Erhebung stamme aus dem Jahr 2001. Hebborn räumte Handlungsbedarf ein, warnte jedoch vor einer Skandalisierung, wie sie sich im Begriff des „Bädersterbens“ ausdrücke. Drei Dinge müssten aus Sicht des Städtetages passieren. Zum einen müsse die Datenbasis verbessert werden, um eine bedarfsgerechte Planung durchführen zu können. Zudem müsse die Infrastruktur saniert und modernisiert werden, wobei das vom Bund zur Verfügung gestellte Geld „hilfreich, aber zu wenig“ gewesen sei. Außerdem brauche es die Zusammenarbeit vom Bund, den Ländern, den Vereinen und der DLRG.
Manuel Kopitz vom Netzwerk Schwimmunterricht, der zugleich Geschäftsführer des Berliner Schwimm-Verbandes ist, sagte, etwa 75 Prozent der Berliner Schwimmvereine hätten derzeit einen Aufnahmestopp wegen fehlender Wasserflächen. Unter anderem als Reaktion darauf würden in Berlin Ferienschwimmkurse für diejenigen Kinder organisiert, die noch nicht sicher seien. Außerdem werde das Konzept der Schulschwimmzentren erprobt. Kopitz stellte sich ausdrücklich hinter die Forderung der DLRG nach einem Masterplan für Schwimmbäder. Bund, Länder und Gemeinden müssten gemeinsam für eine Verbesserung der Bäderinfrastruktur sorgen, forderte er.
Bei dem benötigten Sanierungsprogramm der Schwimmbäder müsse die Barrierefreiheit sichergestellt sein, verlangte Katrin Kunert, Vizepräsidentin des Deutschen Behindertensportverbandes (DBS). Dabei gehe es nicht nur um die Barrierefreiheit „im Sinne von rollstuhlgerecht“, betonte sie. Vielmehr müssten sich auch „Menschen mit Sinnesbehinderungen“ in Bädern frei bewegen können. Wenn es also einen Goldenen Plan gebe, müsse die Behindertenbewegung mit einbezogen werden, forderte Kunert.
Marc Riemann, Vorstandsmitglied bei der Internationale Vereinigung Sport- und Freizeiteinrichtungen (IAKS), plädierte für den Erhalt der derzeitigen Wasserflächen. Aus vorgenommenen Analysen sei deutlich geworden, dass Deutschland im Jahr 2030 mindestens so viel Wasserflächen brauche wie heute. Dabei geht es laut Reimann um qualifizierte, bedarfsgerechte Wasserflächen. Nicht die Anzahl der Bäder, sondern das Angebot sei entscheidend. Manchmal sei es aus Sicht des Angebots und der Kosten sinnvoll, aus drei kleinen Bädern ein großes Bad zu machen, sagte er.
Anto Schiller, Geschäftsführer der Stuttgarter Schwimmschule 0711gGmbH, verwies auf Erfahrungen aus Stuttgart, wonach „die Wahrnehmung in Bezug auf die Bädersituation an vielen Stellen falsch ist“. Mangelnde Koordination und ineffiziente Ausnutzung von Wasserflächen seien als Gründe für den „vermeintlichen Mangel an der Ressource Wasserfläche“ zu benennen. Es habe sich gezeigt, dass unter dem Stichwort der Besitzstandswahrung Flächen in Bädern - trotz Belegung auf dem Papier - tatsächlich ungenutzt seien. Ebenso seien die unterproportionale Belegung sowie ein Verzicht auf die Wochenendnutzung den vermeintlichen Mangel verschärfende Faktoren. Alle Nutzergruppen, so Schillers Forderung, müssten „eine neue, gemeinsame Nutzungskultur von und für Schwimmbäder vorleben und unterstützen“.
Eckhard Drewicke, Schulsportreferent im Bildungsministerium des Landes Brandenburg, forderte als Vertreter der Kultusministerkonferenz (KMK), Schulschwimmen müsse bei der Verteilung von Hallenkapazitäten prioritär berücksichtigt werden. In Brandenburg sei es gelungen, das auch umzusetzen, sagte er. Für die Erteilung des Schwimmunterrichts sei aber auch ein qualifiziertes Personal notwendig, so Drewicke. Die Länder seien gemeinsam mit den Universitäten dabei, entsprechende Vorgaben in die Studienordnung wieder aufzunehmen. In den zurückliegenden Jahren bis etwa 2015 habe man das Thema „ein bisschen schleifen lassen“, räumte der KMK-Vertreter ein.