Abschuss von Wölfen
Berlin: (hib/FLA) Erweiterte Ausnahmeregelungen beim Naturschutz zum Abschuss von Wölfen, wie sie die Bundesregierung plant, sind von Sachverständigen teils begrüßt, teils mit erheblichen vor allem juristischen Bedenken versehen worden. Es ging im Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit um den Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Bundesnaturschutzgesetzes (19/10899).
Bei der öffentlichen Anhörung unter Vorsitz von Hubertus Zdebel (Die Linke) befand Kay Ruge vom Deutschen Landkreistag, der Gesetzentwurf weise in die richtige Richtung. Es lägen Resolutionen von Kreistagen vor, die parteiübergreifend ein striktes Vorgehen gegen den Wolf ausdrücklich einforderten. Für die Wiederbesiedlung durch den Wolf sei eine ausreichend große Akzeptanz der Bevölkerung unabdingbar. Das gelte besonders für die Nutztierhalter.
Stefan Völl (Vereinigung Deutscher Landesschafzuchtverbände) stellte fest, die Rückkehr des Wolfes erfolge vor allem zu Lasten der Schafhalter. Der Schutz der Tiere erfordere einen enormen finanziellen und arbeitswirtschaftlichen Aufwand. Es müsse einen Rechtsanspruch zur vollen Erstattung aller mit der Wolfsbesiedlung verbundenen Maßnahmen geben. Der Gesetzentwurf stelle eine Minimallösung dar.
Michael Schneider, Sachverständiger für Raubtierfragen bei der Regierung der schwedischen Provinz Västerbotten, sagte, obwohl der Wolf die geringste Population der Raubtiere stelle, finde er das größte öffentliche Echo. Er verwies auf eine Reihe von Bedingungen, die erfüllt sein müssen, bevor ein Wolf getötet werden darf.
Für Friedrich von Massow vom Deutschen Jagdverband sind die geplanten Gesetzesänderungen ein wichtiger, wenn auch nur erster Schritt hin zu einem Wolfsmanagement, das den Bedürfnissen der Betroffenen dient, ohne die berechtigten Belange des Artenschutzes zu vernachlässigen. Seit der Wiederansiedlung des Wolfes in Deutschland hätten die Konflikte in erheblichem Maße zugenommen. Der Bestand wachse mit mehr als 30 Prozent pro Jahr. Die Schäden durch Nutztierrisse nähmen in ähnlichem Umfang zu.
Dem Rechtsanwalt Professor Martin Gellermann erschloss sich nicht, warum künftig im Gesetz auf „ernste“ statt bisher „erhebliche“ Schäden abgehoben werden solle. Eine inhaltliche Änderung gehe mit dem Austausch der Begrifflichkeiten nicht einher. Die Erweiterung des Ausnahmegrundes beträfe sämtliche besonders geschützte Tierarten wie Luchs, Wanderfalke oder Fischadler, wann immer sie hinreichend gewichtige Schäden im Bereich eines freizeit- oder hobbymäßigen Betätigungsfeldes verursachen.
Die Präsidentin des Bundesamtes für Naturschutz, Professor Beate Jessel, sah in der geplanten Gesetzesänderung einen Beitrag zu einem unions- und verfassungskonformen Ausgleich zwischen Artenschutz einerseits und den Interessen insbesondere der Nutztierhalter andererseits. Bund und Länder müssten Weidetierhalter beim Schutz ihrer Tiere vor dem Wolf unterstützen und dies finanziell auskömmlich fördern.
Wernher Gerhards vom Verein Sicherheit und Artenschutz beschrieb den Wolf als Verursacher von ernsthaften Schäden, etwa auch Tierseuchen. Deshalb sei sofortiges politisches Handeln vonnöten. Er verwies darauf, dass laut Bundesnaturschutzgesetz Wölfe bei Dunkelheit in Ortslagen als normales Lebensrisiko hinzunehmen seien. Er hielt dagegen, dass etwa Kinder im Winter in Dunkelheit auf den Schulbus warteten.
Gregor Beyer (Forum Natur Brandenburg) kritisierte, dass es in dem Gesetzesvorhaben unterlassen werde, den neuen Rechtsbegriff „ernsthafte Schäden“ auch nur ansatzweise näher zu definieren. Weder sei beabsichtigt, eine Positiv- oder Negativliste einzuführen, noch würden ergänzende Hinweise gegeben, die die spätere Auslegung des gesetzgeberischen Willens für die rechtlich wie praktisch Betroffenen möglich mache. Der Gesetzentwurf sei nicht mit der Wolfswirklichkeit kompatibel.
Laut Christina Patt von der Deutschen Juristischen Gesellschaft für Tierschutzrecht verstößt der Gesetzentwurf gegen geltendes EU-Recht. Auch werde mit ihm nicht das Ziel erreicht, die Rechtssicherheit bei der Erteilung von Ausnahmen von artenschutzrechtlichen Zugangsverboten zu erhöhen. Ziel müsse es sein, die bereits bestehende Ausnahmemöglichkeit rechtssicher auszugestalten und nicht rechtswidrig auszuweiten.
Rechtsanwalt Peter Kremer ging auf die beabsichtigte Ausweitung auf Schäden nicht-wirtschaftlicher Art ein. Damit sollten auch Schäden von Hobby-Tierhaltern erfasst werden. Tatsächlich enthalte der Gesetzentwurf überhaupt keine Beschränkungen. Jeder ernste Schaden würde die Ausnahmefähigkeit begründen können. Mit Unionsrecht sei die vorgesehene Ausweitung unvereinbar.