Experten kritisieren Klimaschutzmaßnahmen
Berlin: (hib/LBR) Das von der Bundesregierung geplante „Bundes-Klimaschutzgesetz und Änderung weiterer Vorschriften“ (19/14337) ist von mehreren Sachverständigen als Schritt in die richtige Richtung begrüßt worden. Über die konkreten Maßnahmen gingen die Meinungen in der öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit am Mittwoch, 6. November 2019 aber weit auseinander. Die Vorsitzende Sylvia Kotting-Uhl (Bündnis 90/Die Grünen) sprach von „sehr breit gefächerten, unterschiedlichen Bewertungen“ des geplanten Klimaschutzgesetzes und des Klimaschutzprogramms 2030 (19/13900) , zu denen insgesamt neun Sachverständige Stellung nahmen.
Alexander Barthel (Zentralverband des Deutschen Handwerks) bezeichnete das geplante Klimaschutzgesetz als „unverzichtbares Element des Gesamtpakets“. Mit den bestehenden Instrumenten sei keine genaue Zielerreichung möglich, sodass nachjustiert werden müsse. Der Preis dafür werde sein, dass „wir alle Jahre wieder einen gewissen klimapolitischen Aktionismus zu bewältigen“ haben, sagte Barthel. Die CO2-Bepreisung begrüße der Zentralverband, die Eingewöhnungszeit von fünf Jahren erachte er aber als zu lang. Mit einem Handelssystem könne bereits nach drei Jahren begonnen werden, sagte Barthel. Als positiv nehme der Verband die steuerliche Sanierungsförderung wahr und hoffe auf eine höhere Sanierungsdynamik.
Görge Deerberg (Fraunhofer-Institut für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik) betonte, die Beschlüsse im Rahmen des Klimaschutzprogramms gingen in die richtige Richtung. Er berichtete dem Ausschuss von einer Methode, die das Institut gemeinsam mit der Stahlindustrie erarbeite, um CO2 für die chemische Industrie zu gewinnen. Die Idee sei, unvermeidbare CO2-Emissionen als Rohstoff zu nutzen. Er plädierte dafür, zusätzliche Kapazitäten für Strom aus erneuerbaren Energien für die Produktion von Wasserstoff zu schaffen, Importe zu erhöhen und negative Anreize durch eine Anpassung des Steuer- und Abgabensystems für Strom abzubauen.
Kay Ruge (Deutscher Landkreistag) beklagte, dass durch die Eile im Gesetzgebungsverfahren eine solide kommunale Rückkopplung nur schwer gewährleistet werden könne. „Wir begrüßen das Klimaschutzgesetz und verstehen es als Rahmengesetzgebung“, sagte Ruge. Gleichzeitig sei der ländliche Raum „überproportional betroffen“ als Standort von Industrie und produzierendem Gewerbe etwa hinsichtlich der Fragen einer CO2-Bepreisung. Als besonders wichtig stufte er auch die Frage der Akzeptanz in der Bevölkerung ein. Das Wohngeld und die Pendlerpauschale seien von „hoher Bedeutung“. Generell wünsche sich der Landkreistag aber eine „dauerhafte Entlastung“ über 2026 hinaus.
Kai Niebert (Deutscher Naturschutzring) verwies auf das soeben von 11.000 Wissenschaftlern vorgelegte Papier, in dem diese vor einem „Weiter so“ beim Klimaschutz warnen. Derzeit steuere man auf eine Erderwärmung auf 3,5 Grad Celsius zu, sodass „deutliche Nachschärfungen“ beim Gesamtpaket nötig seien, sagte Niebert. Wichtig sei es, einen absehbaren Pfad bis 2030 zu schaffen. Er verwies auch auf die Probleme beim Ausbau der erneuerbaren Energien. In Bezug auf klare Verpflichtungen für einzelne Sektoren warb er dafür, eine Kaskadierung in den Sektoren zu verhindern.
Frederik Moch (Deutscher Gewerkschaftsbund) unterstrich, dass den Erfolg des Paketes die gesellschaftliche Akzeptanz, mitentscheidend sei . In der öffentlichen Diskussion komme das Klimaschutzgesetz jedoch schlecht weg. Diese Auffassung teile der DGB nicht. Dass klare Verantwortlichkeiten in den Sektoren zugewiesen wurden habe es bislang nur im Bereich der Energiewirtschaft gegeben. Der Strukturwandel funktioniere aber nicht linear, sondern stufenweise, sodass der DGB die „jahresscharfen Sektorbudgets“ kritisch sehe, sagte Moch. Das Klimaschutzprogramm beurteilte er als „guten Mix verschiedener Instrumente“. Die Mittel, die insgesamt zur Verfügung gestellt werden, seien für die Bedarfe jedoch zu gering, kritisierte Moch: „Eine Finanzierung, die sehr stark über Konsumabgaben steuert, hat eine soziale Ungleichgewicht zur Folge“, kritisierte er.
Piers Corbyn betonte, dass ein menschenverursachter Klimawandel nicht existiere und sprach von „falschen Übertreibungen von Temperaturen“ und einer Verschwörungstheorie, was die Wirkung von CO2 angehe. Nur vier Prozent der Gesamtsumme des ausgestoßenen CO2 in der Atmosphäre sei vom Menschen verursacht. Die CO2-Spiegel folgten den Temperaturen und seien demnach ein Effekt und keine Ursache, lautete seine Einschätzung. Demnach sei bereits die Diskussionsgrundlage falsch.
Jan Schnellenbach (Brandenburgische Technische Universität Cottbus) forderte „effizient mit dem Klimawandel umzugehen“. Er befürworte, dass es einen Einstieg in die Bepreisung von CO2 gebe, dieser sei allerdings ein „relativ niedriger Preispfad“. Es gebe Zahlen, die von Preisen von 180 Euro pro Tonne ausgingen. Auf diesem Weg sehe er die Preise aber auch nach 2026 nicht. „Wir sollten hier von einer Steuer oder Abgabe sprechen, denn das ist kein echter Emissionshandel, sondern Politikmarketing“, sagte Schnellenbach. In einem echten Emissionshandel sei hingegen die Menge steuerbar. Zudem sei dieser durch einen fixen Deckel anschlussfähig an das Pariser Klimaabkommen.
Als „nicht ausreichend“ bezeichnete Antje von Broock (Klima-Allianz Deutschland) das Klimaschutzprogramm der Bundesregierung. Mit dem Paket ließen sich die europäischen Klimaziele nicht erreichen. Sie lobte, dass das Paket flexible Mechanismen zum Nachsteuern enthalte und kritisierte zugleich, dass die Sektorziele nicht verbindlich genug seien hinsichtlich der Zielerreichung, sondern eher ein „Verschiebebahnhof“. Sorge bereite vor allem der schleppende Ausbau der erneuerbaren Energien, da zwar auch neue Subventionen installiert worden seien, aber auch klimaschädliche weiter subventioniert würden.
„Das Klimaschutzgesetz greift bei weitem zu kurz“, sagte auch Michael Schäfer (WWF Deutschland) und machte ein erkennbares Bestreben aus, die Wirtschaftsakteure nicht zu überfordern und soziale Härten zu vermeiden. Er kritisierte, dass bei den erneuerbaren Energien im Klimapaket neue Hürden angekündigt seien, statt dass bestehende abgebaut würden. Im Hinblick auf die Modernisierung der politischen Steuerung sei das Gesetz jedoch ein Lichtblick, sagte Schäfer. Er forderte, den im Gesetz geplanten Expertenrat damit zu beauftragen, Hinweise zu geben, wie sich Gesetzesnovellen auf den Klimaschutz auswirken. Auch soll der Expertenrat die Möglichkeit haben, Sondergutachten erstellen zu können.
Mit dem Klimaschutzgesetz (19/14337) wollen CDU/CSU und SPD die Klimaschutzziele gesetzlich normieren. Dabei werden die Sektorziele des Klimaschutzplans in jährliche Emissionsbudgets für jeden Sektor übertragen. Für den Energiesektor sollen davon abweichend die Stützjahre 2022 und 2030 entscheidend sein. Die Emissionsbudgets sollen per Verordnung geändert werden können. Die öffentliche Hand soll verpflichtet werden, dagegen soll das Gesetz grundsätzlich keine Rechtswirkung für Private entfalten. Wird das Emissionsbudget eines Sektors überschritten, so soll die Bundesregierung verpflichtet werden, die Initiative zum Beschluss zusätzlicher Maßnahmen zu ergreifen. Das für den Sektor verantwortliche Bundesministerium soll diese Maßnahmen dann vorlegen. Für Klimafragen soll ein unabhängiger Expertenrat eingerichtet werden, dessen Mitglieder von der Bundesregierung bestimmt werden. Der Expertenrat für Klimafragen soll der Bundesregierung und dem Bundestag berichten.
Im Klimaschutzprogramm 2030 zur Umsetzung des Klimaschutzplans 2050 (19/13900) beschreibt die Bundesregierung den politischen Rahmen und nennt Maßnahmen zum Erreichen der Ziele für das Jahr 2030, wie etwa die CO2-Bepreisung, die Entlastung von Bürgern und Wirtschaft sowie sektorbezogene und übergreifende Maßnahmen. Auch finden sich darin Details zur geplanten Umsetzung, Berichterstattung und Fortschreibung. Der Leitgedanke des Programms sei, als führendes Industrieland die Einhaltung der Klimaschutzziele „wirtschaftlich nachhaltig und sozial ausgewogen“ zum Nutzen der Gesellschaft und als fairer Partner in der Welt zu gestalten, heißt es in der Unterrichtung.
Vordringliches Ziel sei es, die Klimaschutzziele 2030 zu erreichen. Mit dem Programm soll der Ausstoß von Treibhausgasen bis 2030 um mindestens 40 Prozent gegenüber 1990 verringert werden. Auf dem UN-Klimaschutzgipfel in New York habe sich Deutschland dazu bekannt, die Treibhausgasneutralität bis 2050 „als langfristiges Ziel zu verfolgen“, schreibt die Bundesregierung. In den Sektoren Verkehr, Gebäude, Industrie, Landwirtschaft und Abfall habe sich Deutschland dazu verpflichtet, seine Emissionen im Non-ETS-Bereich bis 2030 um 38 Prozent gegenüber 2005 zu mindern. Das Programm sei aus volkswirtschaftlicher Sicht sinnvoll, „um höhere Schadens- und Anpassungskosten und den drohenden notwendigen Zukauf von Emissionszuweisungen aus dem Ausland bei Zielverfehlung“ zu vermeiden. Gleichzeitig könnten die direkte Förderung von Forschung und Entwicklung und Marktanreize dazu beitragen, dass Deutschland seine Stellung „als innovativer Leitanbieter und Leitmarkt für klimafreundliche Technologien“ weiter ausbaue.