Expertenkritik an LuFV III
Berlin: (hib/HAU) Experten haben während einer öffentlichen Anhörung des Verkehrsausschusses am Mittwoch Kritik am Entwurf für eine Dritte Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung (LuFV III) zwischen dem Bund und der Deutschen Bahn AG (DB AG) zur Instandhaltung der Eisenbahn-Infrastruktur geäußert. Mit der LuFV III sollen im Zeitraum von 2020 bis 2029 insgesamt 86,2 Milliarden Euro für Instandhaltung zur Verfügung stehen. Davon entfallen 62 Milliarden auf den Bund, was eine Steigerung gegenüber der 2019 auslaufenden LuFV II um 59 Prozent darstellt. Die DB AG soll Eigenmittel in Höhe von 24,2 Milliarden Euro beisteuern, 41 Prozent mehr als nach der laufenden Vereinbarung.
Die Idee der erstmals im Jahr 2009 mit fünfjähriger Laufzeit aufgelegten LuFV sei es gewesen, der Bahn Spielräume zu gewähren, statt jeweils nur Einzelmaßnahmen zu finanzierten, sagte Romy Moebus vom Bundesrechnungshof (BRH). Die vereinbarten Qualitätskennzahlen zur Erfolgskontrolle der Maßnahmen hätten allerdings in der Vergangenheit den Zustand der Bahn nicht in Gänze abgebildet, kritisierte sie. Allein die immer stärker anwachsenden Nachholbedarfe zeigten, dass die Kennzahlen die Situation deutlich positiver darstellten, als sie tatsächlich sei. Auch gebe es Fehlanreize, da der Bund der Bahn Mittel für Ersatzinvestitionen gebe, während die Instandhaltung aus den Eigenmitteln der Bahn finanziert werden müsse. So gebe es den Anreiz für die Bahn, Anlagen, statt sie instand zu halten, verrotten zu lassen, bis der Bund die benötigten Ersatzinvestitionen tätigt. Dieses Problem gebe es auch bei der LuFV III, so die BRH-Vertreterin, die zugleich bemängelte, dass es während der vereinbarten zehnjährigen Laufzeit keine Möglichkeiten der Nachsteuerung etwa durch den Bundestag gebe.
Nach Aussage von Alexander Kirchner von der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft gibt es derzeit einen Instandhaltungsrückstau von 65,6 Milliarden Euro bei der DB Netz AG und der DB Station&Service AG. Um den Altersverfall der Infrastruktur zu stoppen, müssten jährlich 6,7 Milliarden Euro aufgewendet werden, sagte Kirchner. Die LuFV sehe aber nur einen Betrag von 5,8 Milliarden Euro vor. Damit wachse der Rückstau aber weiter. Kritik übte Kirchner auch an dem geplanten Anstieg der von der Bahn zu erbringenden Eigenmittel. Dies führe zu einem Renditedruck bei der DB AG und erschwere es, beispielsweise neue Züge anzuschaffen.
Dirk Flege vom Verein Allianz pro Schiene benannte ebenfalls das Problem der Fehlanreize. In seinem Verein organisierte Gleisbaufirmen würden punktuell den Eindruck bestätigen, die Bahn lasse Gleisanlagen bewusst verrotten, um die Ersatzinvestitionen durch den Bund zahlen zu lassen. Für den unbefriedigenden Zustand des Schienennetzes sei nicht allein die LuFV verantwortlich zu machen, betonte er. Vielmehr habe es einen jahrzehntelangen Investitionsstau gegeben. Wie viel Geld benötigt werde, um zu einer deutlichen Verbesserung zu gelangen, könne er nicht genau sagen. Das habe damit zu tun, dass die vom Bund und der Bahn erstellten Gutachten nicht veröffentlich würden. Höchst bedenklich ist aus seiner Sicht auch die Entstehung der LuFV, die zwischen Bundesregierung und Bahn ausgehandelt werde und die der Bundestag nur in Gänze abnicken könne.
Professor Christian Böttger von der Hochschule für Technik und Wirtschaft in Berlin hält die in der LuFV vereinbarten Kennzahlen für nicht präzise genug. Es stelle sich zudem die Frage, was passieren soll, wenn die Bahn die Vereinbarungen nicht einhalte. Nehme man dem Unternehmen dann Geld weg, stehe dennoch der Bund in der Verantwortung, eine funktionierende Bahn-Infrastruktur aufrechtzuerhalten. Denkbar wäre, diese Kennzahlerreichung in die Bonussysteme des Managements einzuarbeiten, sagte Böttger.
Als einen Schritt in die richtige Richtung bewertete hingegen der Wirtschaftsprüfer Joachim Dannenbaum die in die LuFV eingefügten neuen Qualitätskennzahlen. Diese müssten jedoch laufend optimiert werden. Es brauche zudem eine gewisse Erfahrung im Umgang mit den Kennzahlen, ehe diese für eine Pönalisierung nutzbar seien, sagte Dannenbaum.
Dass in der LuFV III Geld für kundenfreundliches Bauen eingeplant sei, begrüßte Martin Henke vom Verband Deutscher Verkehrsunternehmen. Bislang habe die Bahn möglichst billig ihre Strecken saniert, was oft zu umfangreichen Streckenschließungen und Ersatzverkehren geführt habe. Jetzt sei Geld für Ersatzbrücken vorhanden.
Frank Sennhenn, Vorstandsvorsitzender der DB Netz AG, wies den Vorwurf zurück, bei Instandhaltungsmaßnahmen zu sparen, um später Ersatzbauten vom Bund finanziert zu bekommen. „Wir tun hier deutlich mehr, als wir müssten“, sagte Sennhenn.
Aus Sicht von Gerald Hörster, Präsident des Eisenbahn-Bundesamtes, stellt die LuV III einen geeigneten Weg dar, eine positive und stabile Entwicklung des Bestandsnetzes über die nächsten zehn Jahre zu gewährleisten. Anders als der Bundesrechnungshof sprach er sich gegen die Möglichkeit der Sperrung der Mittel innerhalb der Laufzeit aus. Hätte die DB AG nur zwei Jahre Sicherheit bezüglich der Höhe der nach der LuFV bereitgestellten Bundesmittel, könne dies zu erheblichen Problemen bei der Planung und Durchführung von Infrastrukturmaßnahmen führen, gab er zu bedenken.