Umfeld des Attentäters im Visier
Berlin: (hib/pst) War der Terroranschlag auf den Berliner Weihnachtsmarkt am Breitscheidplatz vom 19. Dezember 2016 wirklich die Tat eines Einzelnen? Das ist eine der Fragen, die der 1. Unteruchungsausschuss des Bundestages zu beantworten sucht. Besonders die schnelle Abschiebung von Bilel ben Ammar, einem Freund des Attentäters Anis Amri, beschäftigt die Abgeordneten. Auf seiner Sitzung hörte der Ausschuss drei Staatsanwälte als Zeugen, die zwar nicht mit dem Anschlag selbst befasst waren, aber in anderem Zusammenhang mit Personen im Umfeld des Lkw-Attentäters.
Ben Ammar hatte sich am Abend vor dem Attentat mit Amri zum Abendessen getroffen und war nach dem Anschlag zehn Tage lang abgetaucht, bevor er festgenommen wurde. Allerdings konnten die Ermittler den Verdacht einer Tatbeteiligung oder Mitwisserschaft nicht erhärten. Wegen anderer Delikte, darunter dem mehrfachen Bezug von Sozialleistungen durch falsche Identitäten, blieb er jedoch in Untersuchungshaft, bis er am 31. Januar 2017, keine sechs Wochen nach dem Anschlag, in seine tunesische Heimat abgeschoben wurde. Die Staatsanwältin, die wegen dieser Straftaten ermittelt und auch die Abschiebung veranlasst hatte, stellte nun ihre Sicht der Vorgänge dar.
Oberstaatsanwältin Eva-Maria Tombrink von der Berliner Generalstaatsanwaltschaft schilderte Ben Ammar als einen Mann mit islamistischer Gesinnung. Diese allein sei aber keine Straftat, betonte Tombrink. Allerdings war Ben Ammar wegen gewöhnlicher Kriminalität schon zu einer Bewährungsstrafe und zwei Geldstrafen verurteilt worden, ein weiteres Verfahren stand an. Nach Tombrinks Angaben bestand eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass er unter Anrechnung der Untersuchungshaft erneut nur eine Bewährungsstrafe erhalten hätte. Für diesen Fall fürchtete aber die Bundesanwaltschaft, die in Sachen Breitscheidplatz ermittelte, dass es Ben Ammar seinem Freund Amri nachtun und ebenfalls einen Anschlag verüben könnte, so Tombrinks Darstellung dieser Tage. Deshalb habe sie in Abstimmung mit den Karlsruher Kollegen für eine schnelle Abschiebung gesorgt.
Mehrere Abgeordnete fragten intensiv nach, ob diese Sorge wirklich der einzige Grund für die schnelle Abschiebung gewesen sei. Immerhin kursieren Spekulationen, dass damit etwas vertuscht werden sollte. Doch Tombrink blieb bei ihrer Darstellung. Sie habe im übrigen mehrfach und bis zum letzten Moment bei der Bundesanwaltschaft nachgefragt, ob nicht doch noch Hinweise aufgetaucht seien. Dann hätte sie die Abschiebung sofort gestoppt. Direkt danach gefragt, gab Tombrink aber an, dass sie in ihrer Funktion, die sie seit Sommer 2014 ausübt, keine andere Abschiebung so schnell über die Bühne gebracht habe.
Weitere Zeugen waren Simon Henrichs, Oberstaatsanwalt beim Generalbundesanwalt, und dessen unmittelbarer Vorgesetzter, Bundesanwalt Matthias Krauß. Henrichs leitete ab 2015 ein Ermittlungsverfahren um drei terrorverdächtige Tunesier in Berlin. Im dessen Rahmen wurde auch Ben Ammar abgehört, der in engem Kontakt zu dem Trio stand. Dabei kam erstmals, wenn auch nur am Rande, Anis Amri in den Gesichtskreis des Bundeskriminialamts, weil er mit Ben Ammar telefonierte. Der Terrorverdacht gegen die drei Tunesier hat sich im übrigen nicht bestätigt.
Henrichs und Krauß bestätigten vor dem Untersuchungsausschuss all dies, was schon frühere Befragungen von Beamten des Bundeskriminalamts ergeben hatten. Zum Anschlag vom Breitscheidplatz und einer möglichen Rolle Ben Ammars konnten sie dagegen nichts Erhellendes sagen, da sie mit diesen Ermittlungen nicht befasst waren. Dass Amri in mögliche Terrorpläne der drei Tunesier einbezogen gewesen sein könnte, darauf hätten ihre Observationen keinen Hinweis ergeben. Bemerkenswert war der Hinweis von Krauß, als er sich an ein Detail nicht erinnern konnte, dass in drei Jahren über tausend Ermittlungsverfahren über seien Schreibtisch gegangen seien.