Experten: Baurecht hemmt Dachausbau
Berlin: (hib/fla) Lockerungen bei der Anwendung von Baurecht werden von Experten als wichtige Schritte bei der Förderung des Ausbaus von Dachgeschossen eingestuft. Das hat eine Anhörung im Ausschuss für Bau, Wohnen, Stadtentwicklung und Kommunen ergeben. Die Sitzung unter der Leitung von Mechthild Heil (CDU) kreiste um zwei Anträge der FDP-Fraktion (19/6219) und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen (19/6499).
Die FDP fordert: „Wohnungsmangel bekämpfen - Dachgeschosse nutzen“. Die Grünen propagieren ein „Sofortprogramm Bauflächenoffensive - Hunderttausend Dächer und Häuser Programm“.
Professor Arno Bunzel vom Deutschen Institut für Urbanistik (Difu) verwies auf Untersuchungen, denen zufolge ein quantitativ sehr großes Potenzial für Dachgeschossausbau und Aufstockung vorhanden ist. Doch sage dies wenig darüber, wie dieses Potenzial auch tatsächlich nutzbar gemacht werden könne. Er warnte davor, die Erwartungen solcher Vorhaben zur Lösung der drängenden Wohnraumversorgungsprobleme zu überschätzen. Mit Blick auf die Nachbarschaften seien solche Maßnahmen in der Regel außerordentlich konfliktbehaftet.
Ingeborg Esser (Bundesverband deutscher Wohnungsunternehmen - GdW) verwies auf einen in der Regel erhöhten Abstimmungs- und Planungsaufwand und setzte sich für Erleichterungen im Genehmigungsverfahren ein. Sie regte finanzielle Anreize für flächenschonende Wohnbaumaßnahmen an. Bei Förderprogrammen solle Kombination und Kumulierung möglich sein, verwies sie beispielhaft auf altersgerechtes Wohnen oder Sanierungsmaßnahmen.
Klaus Ewald (Wigger & Ewald Projektmanagement für Immobilien GmbH) vertrat die Ansicht, mindestens in Städten sei es bereits heute baurechtlich möglich, beim Dachflächenausbau einen vorgezogenen Baubeginn zu gestatten. Das Problem liege nicht nur in den baurechtlichen Möglichkeiten, sondern in den kommunal sehr individuell ausgestalteten Handlungsbevollmächtigungen für die Mitarbeiter in den Genehmigungsbehörden. Die müssten professionalisiert werden.
Andrej Holm vom Institut für Sozialwissenschaften der Berliner Humboldt-Universität kritisierte, beiden Anträgen fehle es an sozialer Präzision. Zwar könne der Dachgeschossausbau als Instrument einer stadträumlichen Innenverdichtung zur Erweiterung leistbarer Wohnbestände in den Städten beitragen. Dazu müssten aber die entsprechenden planungsrechtlichen und förderrechtlichen Bedingungen geschaffen werden. Auf den Dachgeschossausbau sollten Sozialbauquoten Anwendung finden wie es sie in vielen Städten für Neubauprojekte gebe.
Thomas Kaup, Bund Deutscher Architekten (BDA), nahm als ein besonderes Problem die Aufstellflächen für Hubrettungsgeräte der Feuerwehr ins Visier. Statt finanzieller Anreize für die Dachaufstockungen selbst sollten besser Berufsfeuerwehren zielgerichtet gefördert werden, um über geeignete Hubrettungsgeräte flächendeckend verfügbar zu machen. So könne eines der größten Hemmnisse gegen Dachaufstockungen beseitigt werden. Dies nütze auch gegen brandschutztechnische Missstände in bestehenden Bauten.
Reiner Nagel (Bundesstiftung Baukultur) befand, Dachaufstockungen scheiterten häufig an einer restriktiven Verwaltungspraxis und Widerständen im Umfeld. In den seltensten Fällen seien fehlende finanzielle Mittel verantwortlich. Fördermaßnahmen seien nur da gefragt, wo sozial gebundener Wohnraum entstehen soll. Wichtiger sei die Schaffung einer Unterstützerstruktur, etwa wenn es um Bestandsschutz oder Brandschutz oder um die Befreiung von der Stellplatzverpflichtung gehe. Der Bund könnte nach seiner Ansicht kommunale Leitstellen für Wohnungsbau und Dachgeschoßaufstockungen fördern.
Professor Karsten Tichelmann (Institut für Leichtbau Trockenbau Holzbau an der Technischen Universität Darmstadt) merkte an, das Bauordnungsrecht und das Bauplanungsrecht berücksichtigten nicht hinreichend die besonderen Rahmenbedingungen von Aufstockungen und Nachverdichtungen. Er machte klar, dass Mieter und auch Nachbarn angemessen beteiligt werden müssen, um Aufstockungen zu akzeptieren. Dazu zählte er ein Vorzugsrecht für Bestandsmieter für den Bezug der neu geschaffenen Wohnungen, überdies Mietergarantien und den Verzicht auf Modernisierungsumlagen.
Kai H. Warnecke (Haus und Grund Deutschland) meinte, Bauvorschriften würden immer wieder seitens der Bauämter restriktiv ausgelegt. Es sei richtig, die Hürden für Dachgeschossausbau und Aufstockung zu senken, bevor man über eine ebenso notwendige Förderung nachdenke. Er sprach sich für politische Unterstützung solcher Maßnahmen auf kommunaler Ebene aus, mit der Fragen nach städtebaulichen Qualitäten und nach sozialer sowie verkehrlicher Infrastruktur mitgedacht und beantwortet werden.
Nach dem Willen der FDP soll der Ausbau genehmigungsfrei werden, sofern aus statischer und konstruktiver Sicht keine Einwände bestehen und Treppenbreiten sowie Fluchtmöglichkeiten eingehalten werden. Die zulässige Geschossflächenzahl für Dachausbau und -aufstockung soll überschritten werden dürfen, ohne dass Ausgleichsmaßnahmen ergriffen werden müssen. Bei der Stellplatzverordnung soll es Ausnahmen geben.
Die Grünen möchten mit einem verstärkten Ausbau von Dachgeschossen gegen die Wohnungsnot in Ballungsräumen vorgehen. Auf dem Land wiederum sollen Anreize zur Neunutzung leerstehender Häuser gesetzt werden. Die Bundesregierung solle - etwa über die KfW-Bankengruppe - Förderprogramme auflegen. Dachflächen sollten besser für die Produktion von Energie genutzt werden.