Expertenkritik an Datenaustausch
Berlin: (hib/suk) Mit zum Teil erheblicher Kritik haben verschiedene Experten auf den Gesetzentwurf zur Verbesserung der Registrierung und des Datenaustausches zu aufenthalts- und asylrechtlichen Zwecken (19/8752) reagiert. In einer Anhörung des Ausschusses für Inneres und Heimat unter Vorsitz der Abgeordneten Andrea Lindholz (CSU) machten sie verfassungsrechtliche Bedenken deutlich.
Mit dem sogenannten zweiten Datenaustauschverbesserungsgesetz sollen die Nutzungsmöglichkeiten des Ausländerzentralregisters (AZR) weiterentwickelt werden. Unter anderem soll der Abruf von Daten aus dem AZR weiteren Behörden in Echtzeit ermöglicht werden.
In der Anhörung sagte Herbert Albrecht von der Ausländerbehörde Nürnberg, er als Praktiker wünsche sich vor allem eine Antwort auf die Frage, wie lange die Daten etwa nach dem Abschluss des Asylverfahrens gepflegt werden müssten und wann sie gelöscht werden sollten. Hierfür müsse es „klare Regeln“ geben. Ausländerbehörden seien grundsätzlich „nicht begeistert“, wenn Datengrenzen erweitert würden, weil etwa die dann nötige Nacherfassung einen großen Aufwand bedeute.
Für Ulrich Kelber, Bundesbeauftragter für den Datenschutz und die Informationsfreiheit, beinhaltet der Entwurf verschiedene Probleme. Die Geschwindigkeit, mit der das erste Datenaustauschverbesserungsgesetz geändert werde und die hohe Zahl der Veränderungen trügen nicht dazu bei, dass datenschutzrechtliche Vorgaben in der gebotenen Qualität eingehalten würden. Das Grundrecht auf Datenschutz gelte nicht nur für deutsche, sondern auch für nichtdeutsche Staatsbürger - in diesem Punkt aber gebe es verfassungs- und europarechtliche Bedenken. Besonders problematisch sei die geplante Personenkennzahl, die das Bundesverfassungsgericht bereits 1983 abgelehnt habe. „Rechte und Freiheiten der Betroffenen“ würden nicht mit den nötigen Garantien versehen. Kritisch sah Kelber auch die geplante Ausweitung der Zugriffsrechte - künftig sollten „mehr Daten mehr Behörden und mehr Personen“ zugänglich sein, ohne dass es dabei ausreichend Kontrollmöglichkeiten gebe; dies sei „besorgniserregend“. Dass es keine zentrale Protokollierung des Zugriffs auf die Daten geben soll, sondern dies in den einzelnen Behörden geschehen solle, rufe „schwerste Bedenken“ hervor.
Auch Bernward Ostrop vom Deutschen Caritasverband sagte, er habe Zweifel, ob die vorgeschlagenen Änderungen verfassungs- und europarechtlichen Standards genügten. Er sehe insbesondere die erkennungsdienstliche Behandlung von Minderjährigen kritisch, zudem sehe er die Gefahr, dass die AZR-Nummer zu einer „nationalen Kennziffer“ werde, ohne dass es dafür Schutzmechanismen gebe. Es würde ein Schutz dagegen benötigt, dass Daten an Stellen der Heimatländer weitergegeben werden könnten.
Thilo Weichert vom Netzwerk Datenschutzexpertise kam zu dem Schluss, der Entwurf werde nicht die Akzeptanz des Bundesverfassungsgerichts und des Europäischen Gerichtshofs finden. Der Einsatz von Informationstechnik sei grundsätzlich sinnvoll, wenn sich dadurch Verwaltungsabhäufe verbessern ließen. Es gebe hier aber große Bedenken hinsichtlich der Transparenz und der Einhaltung verfassungsrechtlicher Vorgaben: Das Bundesverfassungsgericht habe deutlich gemacht, dass umfassende Personenprofile nach dem Grundgesetz verboten seien; dies werde vom Entwurf aber „ignoriert“. Das AZR werde zur „Datendrehscheibe“ ohne die nötige Kontrolle. Die Zweckbindung des Datenabrufs werde nicht gewährleistet, der Zugriff auf verschiedenste Institutionen ausgedehnt. Weichert sagte, er halte die Möglichkeit einer Verbandsklage für nötig, weil die betroffenen Ausländer „nicht ansatzweise“ selbst in der Lage wären, sich zu wehren; daher müsse eine Institution ihre Vertretung übernehmen. Problematisch sei zudem, dass eine Evaluation hinsichtlich der Grundrechte der Betroffenen nicht vorgesehen sei.
Zustimmung gab es nur von Markus Richter, Vizepräsident des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge: Der Entwurf führe zu „Datensparsamkeit“ und Arbeitserleichterung. Die AZR-Nummer sei ein sinnvolles Ordnungsmerkmal und werde nur zweckgebunden in der Kommunikation verschiedener Behörden verwendet. Das sei insbesondere dort sinnvoll, wo es beim Erstkontakt mit Behörden Zweifel oder Unklarheiten gebe. Zudem sei es auch sinnvoll, die Möglichkeit erkennungsdienstlicher Maßnahmen auszuweiten. Grundsätzlich wäre es wünschenswert, die Daten auch für die „empirische Weiterentwicklung“ der Rückführungsprogramme nutzen zu können.