Lösungen im Umgang mit Plastikmüll
Berlin: (hib/SCR) Mit Lösungsideen zum globalen Problem mit Plastikmüll haben sich die Mitglieder des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit am Mittwochmittag befasst. Im Rahmen einer öffentlichen Anhörung nahmen neun geladene Sachverständige zu fünf vorliegenden Anträgen Stellung und stellten sich den Fragen der Abgeordneten. Im Wesentlichen sprachen sich die Sachverständigen in unterschiedlicher Akzentuierung international für den Aufbau und die Stärkung der Kreislaufwirtschaft, ein Verbot für Abfall-Exporte in problematische Länder sowie Maßnahmen zur Vermeidung von Plastikabfällen aus. Umstritten zwischen Vertretern der Umweltverbände beziehungsweise des Handels war die Frage, inwiefern in Deutschland zusätzlicher regulatorischer Handlungsbedarf besteht. Zu Diskussion standen ein Antrag der AfD-Fraktion („Plastikmüll - eine Internationale Herausforderung“, 19/9237), zwei Anträge der FDP-Fraktion („Meeresvermüllung durch Plastik“, 19/3172 / „Kunststoffe in den Weltmeeren“, 19/7695) sowie zwei Anträge der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen („Verschmutzung der Meere - Plastikflut unverzüglich stoppen“, 19/5230 / „Strategie gegen Plastikmüll jetzt umsetzen“, 19/6129).
Für den Naturschutzbund Deutschland (Nabu) sprach sich Kim Detloff dafür aus, auf eine deutliche Verringerung der Kunststoffproduktion und des Kunststoffverbrauches zu setzen. Demnach müsse die Produzentenverantwortung so erweitert werden, dass damit international die Systeme der Abfall- und Kreislaufwirtschaft gestärkt werden. Zudem müsste Abfallexport in Länder ohne hochwertiges Recycling unterbunden werden. Auch die EU und Deutschland seien in der Pflicht. „Die Debatte um den Roh- und Wertstoff Kunststoff muss dabei um eine Debatte um Mehrweg, Langlebigkeit, Schadstofffreiheit und Recyclingfähigkeit von Produkten erweitert werden“, führte der Nabu-Vertreter in seiner Stellungnahme aus.
In eine ähnliche Richtung argumentierte für die Deutsche Umwelthilfe (DUH) Thomas Fischer. Es brauche „mehr Mut zur Abfallvermeidung“, sagte Fischer. Man dürfe sich in Deutschland nicht aus der Verantwortung ziehen, gebe es doch mit jährlich 226 Kilogramm Verpackungsabfall ein sehr hohes Pro-Kopf-Aufkommen. Fischer sprach sich unter anderem für die Einführung eines Abfallvermeidungszieles, eine Abgabe auf besonders umweltschädliche Einwegartikel sowie eine Ausweitung der haushaltsnahen Wertstoffsammlung aus. Zudem müsse die im Verpackungsgesetz normierte Mehrwegquote auch tatsächlich erreicht und durchgesetzt werden.
Kai Falk (Handelsverband Deutschland e.V., HDE) sagte, dass eine „pauschale Verurteilung von Kunststoffen“ keinen Sinn ergebe. Er betonte die Bedeutung von Forschung und Entwicklung in diesem Bereich und hob Maßnahmen im Handel zur Plastikvermeidung hervor. So sei mit einer „freiwilligen Selbstverpflichtung“ eine Reduzierung von Plastiktüten erreicht worden. Zudem nutzten einige Handelskonzerne für die Verpackungen ihrer Eigenmarken schon Rezyklate. Kritisch beurteilte Falk in seiner Stellungnahme die Einwegplastik-Richtlinie der EU. Diese helfe nicht dabei, gegen die unsachgemäße Entsorgung als Hauptursache der Umweltverschmutzung durch Plastik vorzugehen. Für Deutschland sieht der HDE laut Stellungnahme aktuell keinen regulatorischen Handlungsbedarf, um den Plastikeintrag zu verringern.
Gunda Rachut (Stiftung Zentrale Stelle Verpackungsregister) mahnte an, nicht nur die Kunststoffverpackungen privater Endverbraucher in den Blick zu nehmen. Diese machten nur elf Prozent des „Verpackungseisberges“ aus, der Rest entfalle auf sonstige Materialien beziehungsweise Industrie- und Transportverpackungen. Sollte auf ökologische Mehrweglösungen gesetzt werden, setze dies Standardisierung voraus. Dies gehe am einfachsten in den Bereichen Industrie-, Transport und Versandverpackungen, führte Rachut in ihrer Präsentation aus.
Herwart Wilms (REMONDIS Assets & Service GmbH & Co. KG) schloss sich den Forderungen nach Exportverboten an. Um heimatnahe Märkte zu stärken, bedürfe es einer Besserstellung von recycelbaren Produkten und jenen, die Rezyklate einsetzten. Wilms betonte, dass es bei der Herstellung von Verpackungen wichtig sei, auf die Trennbarkeit der eingesetzten Materialien zu achten. Von der öffentlichen Hand forderte Wilms bei der öffentlichen Beschaffung, „grün einzukaufen“. Zudem müsse auch in Deutschland der Eintrag von Plastik in die Gewässer reduziert werden, der vor allem durch Reifenabrieb entstünde. Dazu forderte der Sachverständige eine Nachrüstung von Kläranlagen in Deutschland.
Andreas Proksch (Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit, GIZ) stellte die Herausforderung beim Aufbau umfassender Abfall- und Kreislaufwirtschaftssysteme in Entwicklungs- und Schwellenländern dar. Weltweit hätten zirka zwei Milliarden Menschen keinen Zugang zu funktionierenden Abfallsystemen. Diese aufzubauen, erfordere enorme Anstrengungen, hätte neben der Reduzierung des Plastikeintrages aber auch positive Nebeneffekte auf etwa die Gesundheit der Bevölkerung, sagte der GIZ-Vertreter. Zwar sei beim Thema Plastikeintrag in die Weltmeere international Handlungsbedarf erkannt worden, in den betroffenen Ländern sei die konkrete Umsetzung aber nur sehr vereinzelt zu erkennen.
Für den Deutschen Landkreistag kritisierte Torsten Mertins die schleppende Umsetzung des novellierten Verpackungsgesetzes. Die Verhandlungen mit den Vertretern der dualen Systeme gestalteten sich dabei schwierig. Als Aufgaben der Landkreise sah Mertins neben der Aufklärung der Bevölkerung auch eine gezielte öffentliche Beschaffung.
Einen Einblick in technische Entwicklung beziehungsweise die Forschung gaben jeweils Elke Kunde (IBM Deutschland GmbH) sowie Lars Blank (RWTH Aachen). Kunde stellte vor, wie das Unternehmen „Plastic Bank“ mithilfe der Blockchain-Technologie die Sammlung von Plastikmüll unterstützt, indem es den Wert von Kunststoffmüll sichtbar mache. Blank führte Details zum Forschungsprojekt aus, dass das Ziel hat, Kunststoffe auf Erdölbasis in vollständig biologisch abbaubare Kunststoffe umzuwandeln.