Expertenkritik am Zensusgesetz 2021
Berlin: (hib/HAU) Der von der Bundesregierung vorgelegte „Entwurf eines Gesetzes zur Durchführung des Zensus im Jahr 2021“ (19/8693) ist bei einer öffentlichen Anhörung des Innenausschusses am Montag teilweise auf Kritik gestoßen. Die Einzelsachverständige Kirsten Bock bemängelte, einige der Erhebungsmerkmale seien nicht erforderlich und verstießen gegen den Grundsatz der Datenminimierung. Peter Büttgen als Vertreter des Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit verwies auf im Gesetzentwurf befindliche Grauzonen hinsichtlich der Verantwortlichkeiten bei der Erhebung. Frederick Richter von der Stiftung Datenschutz kritisierte, beim Testlauf zum Zensus sei der Klardatenbestand genutzt worden, was ein unnötiges Risiko hinsichtlich des Datenschutzes darstelle.
Georg Thiel, Präsident des Statistischen Bundesamtes, betonte hingegen, es gehe um einen Abgleich „zwischen dem Wünschenswerten und dem Möglichen“. Dies sei mit dem Gesetzentwurf der Bundesregierung „gut gelungen“.
Mit dem Gesetz soll die Rechtsgrundlage für die Durchführung des Zensus 2021 geschaffen werden. Er knüpft laut Bundesregierung „an die bewährten Elemente des letzten Zensus im Jahre 2011 an und sieht dort, wo notwendig, methodische und organisatorische Fortentwicklungen vor“. Den Angaben zufolge umfasst der Zensus 2021 eine Bevölkerungszählung, eine Gebäude- und Wohnungszählung, eine Haushaltebefragung auf Stichprobenbasis und Erhebungen an Anschriften mit Sonderbereichen.
Wie der Zensus 2011 ist auch der Zensus 2021 laut Vorlage als registergestützte Erhebung konzipiert. „Dabei werden in erster Linie bereits vorhandene Verwaltungsdaten genutzt und nur dann ergänzende Erhebungen durchgeführt, wenn Verwaltungsdaten für bestimmte Merkmale nicht vorhanden oder aus statistischer Sicht nicht für die Auswertung geeignet sind“, schreibt die Bundesregierung weiter. Neben Übermittlungen behördlicher Daten, insbesondere Melderegisterdaten und bestimmter Datensätze oberster Bundesbehörden, seien auch „ergänzende primärstatistische Befragungen der Bevölkerung vorgesehen“.
Aus Sicht von Kirsten Bock stehen aber Fragestellungen nach der Religionsmitgliedschaft oder auch nach „früheren Vornamen, Geschlecht und Geburtstag“ nicht im Zusammenhang mit staatlicher Aufgabenwahrnehmung. Diese Erhebungsmerkmale gingen auch über die EU-Vorgaben hinaus.
Nach Auffassung des Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit gibt es keinen Grund, Religionszugehörigkeit als Standarderhebungsmerkmal in den Zensus zu integrieren, sagte Peter Büttgen. Denkbar sei, dies als freiwillige Angabe abzufragen.
Der geplante Aufbau eines zentralen Registers ist nach Ansicht von Torsten Frenzel von der Anstalt für kommunale Datenverarbeitung in Bayern nicht nötig. Die Bundesländer hätten schon jetzt zentrale Melderegister, deren bundesweite Vernetzung sichergestellt sei. Der Aufbau eines zentralen Registers, so Frenzel, würde zusätzliche Kosten verursachen und „weder die Qualität der Daten verbessern, noch den zeitlichen Kontext der Umsetzung beschleunigen“.
Professor Ralf Münnich von der Universität Trier sagte, eine Löschung der erhobenen Daten impliziere einen sehr hohen Informationsverlust und verhindere damit eine geeignete Post-Analyse des Zensus. Gerade für die Weiterentwicklung wäre es seiner Ansicht nach außerordentlich wichtig, diese Daten einer gesonderten Forschung zur Verfügung zu stellen. Um gerade für das sehr ambitionierte Ziel der zukünftigen Durchführung eines Registerzensus notwendige Informationen aus dem Zensus 2021 zu erhalten, sei eine sichere Forschungsumgebung, etwa unter Aufsicht des Datenschutzes für möglicherweise kritische Merkmale, von besonderer Bedeutung.
Frederick Richter von der Stiftung Datenschutz betonte, aus datenschutzrechtlichen Gründen - aber auch mit Blick auf finanzielle Aspekte - sei eine rein registergestützte Auswertung wünschenswert. Was eine bundesseitige Datenschutzfolgenabschätzung angeht, die die Ländern fordern würden, der Bund aber nicht für nötig halte, so sei es laut Richter „zwingend“, dass diese vor Beginn des Zensus „komplett“ abgeschlossen sein müsste, da sie sonst ihrer Sinn verfehle.
Georg Thiel sagte, der Zensus 2021 sei die konsequente methodische Fortentwicklung des Zensus 2011, der valide Ergebnisse bereitgestellt habe. Das Vorgehen und die Methodik seien durch die Statistischen Ämter, die Wissenschaft und das Bundesverfassungsgericht bestätigt worden. Ein internationaler Vergleich zeige allerdings, dass auch eine andere Methodik und ein anderes Verfahren vorstellbar seien, „um den künftig steigenden Anforderungen von Politik, Wissenschaft und Wirtschaft gerecht zu werden“. Ein solches ausschließlich registerbasiertes Verfahren zur Ermittlung der notwendigen Informationen wäre nach Aussage des Präsidenten des Statistischen Bundesamtes, kostengünstiger und würde die Bevölkerung weiter entlasten. „Hierzu sollten die notwendigen Arbeiten fortgeführt werden“, regte Thiel an.