BKA-Zeuge über Entdeckung Amris
Berlin: (hib/wid) Als das Bundeskriminalamt (BKA) Ende 2015 erstmals auf den späteren Breitscheidplatz-Attentäter Anis Amri aufmerksam wurde, war dort zunächst nicht bekannt, dass Amri bei der Polizei in Nordrhein-Westfalen bereits als Islamist registriert war. Dies berichtete ein Zeuge aus dem BKA am Donnerstag dem 1. Untersuchungsausschuss („Breitscheidplatz“). Der heute 37-jährige Kriminalhauptkommissar Alexander Stephan war vom Sommer 2015 bis zum März 2016 als Sachbearbeiter am Gefahrenabwehrvorgang „Lacrima“ und dem Ermittlungsvorgang „Eisbär“ beteiligt. Die beiden Verfahren richteten sich gegen tunesische Asylberwerber, die verdächtig waren, in Deutschland Anschläge vorzubereiten. Von Ende Dezember 2016 bis März 2017 wirkte Stephan an den auf Amris Attentat in Berlin folgenden Ermittlungen mit.
Der erste Hinweis auf Amri, berichtete der Zeuge, habe sich am 25. November 2015 aus der Telefonüberwachung des Islamisten Bilel ben Ammar ergeben, der im „Eisbär“-Komplex als „Nachrichtenmittler“ geführt wurde. In dem Gespräch mit einem dem BKA bis dahin unbekannten „Anis“ habe Ben Ammar angekündigt, diesen demnächst in Dortmund zu besuchen. Aus einem weiteren Telefonat hätten die Ermittler den Eindruck gewonnen, dass „Anis“ in Dortmund Tatorte für mögliche Anschläge auskundschaften sollte.
Er habe es dann übernommen, die Identität des Mannes zu klären, was zwischen Ende November und Ende Dezember 2015 auch gelungen sei, berichtete der Zeuge weiter. Dass der Staatsschutz in Krefeld gegen denselben Verdächtigen bereits seit einem Monat einen „Prüfvorgang Islamismus“ betrieb, habe er anfangs nicht gewusst. Dies erkläre sich daraus, dass Amri den Behörden damals unter diversen Falschnamen bekannt war.
Erst durch den Abgleich von Fotos, Telefonnummern, Profilen in sozialen Netzwerken und weiteren Informationen habe er die unterschiedlichen Identitäten Amris zusammenführen und dessen tatsächlichen Namen feststellen können. In diesem Zusammenhang habe er Mitte Dezember 2015 auch erfahren, dass das nordrhein-westfälische Landeskriminalamt Amri verdächtigte, ein Attentat mit Schnellfeuerwaffen zu planen. Am 11. Januar 2016 teilte das BKA den Landeskriminalämtern in Nordrhein-Westfalen und Berlin die Feststellung der Identität Amris mit.
Im Februar 2016 sei Amri dann in drei Sitzungen, an denen er teilgenommen habe, im Gemeinsamen Terrorismusabwehr-Zentrum (GTAZ) der deutschen Sicherheitsbehörden zur Sprache gekommen, berichtete der Zeuge weiter. Die einhellige wie auch seine eigene Einschätzung habe gelautet, dass von Amri „höchstwahrscheinlich“ eine Gefahr ausgehe, die aber nicht „hinreichend konkret“ gewesen sei: „Man hatte den abstrakten Eindruck, dass Amri in der Lage und gewillt war, einen Anschlag zu begehen, aber man wusste nicht, wie dieser Anschlag aussehen könnte.“
Keinen Beitrag aus eigener Erinnerung konnte der Zeuge zur Aufhellung eines Vorgang leisten, der sich in einer GTAZ-Sitzung am 19. Februar 2016 abgespielt hatte. Damals bat der Vertreter des Landeskriminalamts in Nordrhein-Westfalen das BKA, den vom LKA betriebenen Ermittlungsvorgang „Ventum“ zu übernehmen, der sich gegen den Hildesheimer Hassprediger Abu Walaa richtete, und in dem Amri als Nachrichtenmittler geführt wurde. Der Vertreter des BKA lehnte dieses Ersuchen noch in derselben Sitzung ohne Begründung ab. Der Zeuge meinte dazu, in der Regel ziehe das BKA einen Vorgang nur an sich, wenn die Zuständigkeit auf Länderebene unklar sei. Das sei bei „Ventum“ nicht der Fall gewesen.