Staatsschützer ermittelten gegen Amri
Berlin: (hib/wid) Zwei Staatsschützer aus dem Polizeipräsidium in Krefeld haben dem 1. Untersuchungsausschuss („Breitscheidplatz“) über frühe Ermittlungen gegen den späteren Attentäter Anis Amri wegen des Verdachts radikalislamischer Betätigung berichtet. Unter anderem schilderten die Kriminalhauptkommissare D. und K. am Donnerstag, wie sie im Dezember 2015 die Ausländerbehörde in Kleve aufsuchten, um dort den Hauptbelastungszeugen aus Amris Emmericher Flüchtlingsunterkunft zu befragen. Der syrische Kurde Lokman D. hatte durch einen Hinweis auf Sympathien seines Mitbewohners für den sogenannten Islamischen Staat (IS) die Ermittlungen ins Rollen gebracht. Wenig später stoppte allerdings das Landeskriminalamt (LKA) die Aktivitäten in Krefeld.
Der heute 54-jährige Zeuge D. hatte seinen Dienst beim Staatsschutz in Krefeld gerade erst im September 2015 angetreten, als er zur Unterstützung eines Kollegen herangezogen wurde, auf dessen Schreibtisch das Verfahren gegen Amri gelandet war. Dieser war der Krefelder Kriminalpolizei damals allerdings nur als „Mohammed Hassa“ bekannt. Auf diesen Namen legte sie am 28. Oktober 2015 einen „Prüffall Islamismus“ an. Die Ermittler, berichtete der Zeuge D. weiter, hätten die Flüchtlingsunterkunft in Emmerich aufgesucht, den Verdächtigen dort allerdings nicht angetroffen. Als der zunächst zuständige Kollege in Urlaub gegangen sei, habe er den Fall übernommen.
Mit dem Leiter der Ausländerbehörde des Kreises Kleve habe er vereinbart, den Hinweisgeber Lokman D. unter einem Vorwand für den 11. Dezember 2015 einzubestellen. Dort traf der Belastungszeuge auf die beiden Fahnder D. und K., die sich als Polizisten vorstellten und um ein Gespräch baten. Er habe die Angaben des syrischen Kurden „im Gegensatz zu vielen Behauptungen“, die er sonst höre, für glaubhaft gehalten, betonte der Zeuge.
Doch dann habe sich ein Anrufer aus dem nordrhein-westfälischen LKA gemeldet und ihn freundlich aufgefordert, die Akte „Mohammed Hassa“ zu schließen. Der Mann sei „Gegenstand der Beobachtung“ in einem anderen Ermittlungsverfahren gegen radikale Islamisten. Zusätzliche Nachforschungen aus Krefeld könnten da nur „kontraproduktiv“ wirken. Der Zeuge D. folgte der Anweisung, allerdings nur zum Teil. Ein „Bauchgefühl“ habe ihm geraten, die Akte vorläufig auf dem Schreibtisch zu behalten: „Der Fall hat mich nicht in Ruhe gelassen.“
Ihm sei eine Äußerung des Verdächtigen nicht aus dem Kopf gegangen: „Ich begehe Straftaten, um den Ungläubigen zu schaden.“ So habe er öfters das Polizeiliche Zentralregister abgefragt, ob irgendwo ein „Mohammed Hassa“ mit einem Kleindelikt aufgefallen sei, das eine Handhabe für weitere Ermittlungen hätte bieten können. Im August 2016 dann durchsuchte die Polizei in Duisburg das Reisebüro des Islamisten Hasan Celenk und beschlagnahmte eine Kartei mit Fotos seiner Anhänger. Auf einem der Bilder habe er „Mohammed Hassa“ erkannt, dort allerdings unter einem anderen Namen, sagte der Zeuge D.
Sein heute 61-jährige Kollege K. ist seit 2002 als Sachbearbeiter beim Staatsschutz in Krefeld tätig. Dieser habe in den Jahren 2015 und 2016 mindestens hundert „Prüffälle“ verdächtiger Islamisten zu betreuen gehabt, berichtete er dem Ausschuss. Die Vernehmung des Hinweisgebers Lokman D. in Kleve habe er als „ganz entspanntes Gespräch“ in Erinnerung. Er habe allerdings seine Zweifel gehabt, weil Lokman D. erwähnte, er hoffe, seine Familie nachholen zu können. Womöglich habe sich bei den deutsche Behörden nur „lieb Kind“ machen wollen.