Fluggast-Schutz vor Airline-Insolvenz
Berlin: (hib/mwo) Der Schutz von Reisenden vor Insolvenzen von Fluggesellschaften ist stark verbesserungswürdig. Diese Meinung vertraten die Sachverständigen aus den Bereichen Verbraucherschutz und Tourismus in einer gut zweistündigen öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz am Mittwoch. Unterschiedliche Ansichten gab es allerdings über dafür geeignete Maßnahmen. Widerstand gegen eine weitergehende Insolvenzabsicherung von Luftfahrtunternehmen kam vor allem von der Luftverkehrswirtschaft.
Anlass der Sitzung waren Anträge der AfD-Fraktion (19/7035), der Fraktion Die Linke (19/1036) und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen (19/6277). Die AfD plädiert für einen Gesetzentwurf, wonach insolvente Luftfahrtunternehmen unter anderem sicherstellen müssen, dass einem Fluggast bei ausfallenden Beförderungsleistungen analog zum Pauschalreiserecht der gezahlte Reisepreis erstattet wird. Die Linke setzt sich für die Einrichtung eines staatlichen Entschädigungsfonds für Fluggäste ein, die von der Insolvenz von Air Berlin betroffen sind und keine Entschädigung in dem Umfang der Insolvenzabsicherung für Pauschalreisende aus der Insolvenzmasse erhalten haben. Wie auch die Grünen fordert die Fraktion einen Gesetzentwurf, der die Insolvenzabsicherungspflicht für Reiseveranstalter auf Luftfahrtunternehmen erweitert.
Fragen der Abgeordneten betrafen unter anderem die Gewichtung von Insolvenzen und die Möglichkeiten der Bezahlung von Flugreisen, aber vor allem die Verantwortung des Staates bei der Kontrolle der Fluggesellschaften. Hier sahen Sachverständige das Luftfahrt-Bundesamt (LBA) in der Pflicht.
Mehrere Experten verwiesen auf die Insolvenzen von Air Berlin und Germania. Diese hätten Hunderttausenden deutschen Verbrauchern schmerzlich verdeutlicht, dass sie im Falle einer Airline-Insolvenz schutz- und wehrlos sind, erklärte Marion Jungbluth vom Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv). Ein effektiver Schutz für Fluggäste wäre verhältnismäßig einfach zu implementieren und würde die Ticketpreise nur um wenige Euro erhöhen. Der vzbv empfehle daher, eine Versicherungslösung in Kombination mit einer Anzahlungsregelung analog zur Absicherung von Pauschalreisen gesetzlich zu regeln.
Rechtsanwältin Petra Gabriele Heinicke vom Deutschen Anwaltverein brachte die Sicht der Reiseveranstalter in die Debatte ein. Das volle Spektrum der Problematik werde erst erkennbar, wenn man nicht nur die Auswirkungen der Insolvenz einer Fluggesellschaft auf die reine Flugbuchung bei einer Fluggesellschaft durch den Endverbraucher betrachtet, sagte sie. Auch der Reiseveranstalter habe im Regelfall im Voraus bezahlt und erhalte für die geleisteten Gelder keine Leistung, müsse aber darüber hinaus für den ausgefallenen Leistungsträger Ersatz stellen. Heinicke zufolge könnte eine reine Versicherungslösung praktische Probleme aufweisen - alternativ oder ergänzend könnte man über einen durch eine auf alle Flüge erhobene Abgabe finanzierten Fonds nachdenken.
Der Berliner Rechtsanwalt Lothar Müller-Güldemeister ging ausführlich auf die Hintergründe der Insolvenz von Air Berlin ein. Diese habe gezeigt, dass Fluggäste, die ihre Flugpreise häufig lange im Voraus bezahlen, anders als Pauschalreisende nicht ausreichend gegen die Insolvenz der Fluggesellschaft geschützt sind. Wäre die vorgeschriebene staatliche Kontrolle der Luftfahrtunternehmen effektiv, würde es einer weiteren Absicherung der Fluggäste, wie bei Pauschalreisen vorgeschrieben, nicht unbedingt bedürfen, sagte Müller-Güldemeister. Im Übrigen halte er generell eine Verbesserung der Rechtsstellung des Verbrauchers gegenüber Unternehmen für notwendig, um eine auch verfassungsrechtlich gebotene Waffengleichheit zwischen den Vertragsparteien herzustellen.
Inge Pirner, Präsidiumsmitglied des Verbands Deutsches Reisemanagement (VDR), der die Interessen deutscher Wirtschaftsunternehmen hinsichtlich der Rahmen- und Wettbewerbsbedingungen für Geschäftsreisen vertritt, wertete den bisherigen staatlichen Insolvenzschutz ebenfalls als unwirksam. Grundsätzlich müsse eine Airline im Rahmen der Liquiditätsprüfung durch das LBA nachweisen, dass sie über einen Zeitraum von zwölf Monaten ihren tatsächlichen und möglichen Verpflichtungen nachkommen kann. Nach Auffassung des VDR ist diese Prüfung nicht ausreichend, um Geschäftsreisende vor insolvenzbedingten Nachteilen zu schützen. Der VDR begrüße daher grundsätzlich jede sinnvolle Initiative, Kundengelder gegen Verlust durch Insolvenz abzusichern, erklärte Pirner. Dies könne über Bürgschaften, Fonds oder eine entsprechende Versicherung erreicht werden.
Die Sichtweise unabhängiger selbständiger Reisebüros legte der Rechtsanwalt Hans-Josef Vogel dar. Das Insolvenzrisiko von Fluggesellschaften werde verlagert, und es gebe eine Privilegierung der Airlines zulasten der Verbraucher und Reiseveranstalter, sagte Vogel. Zudem gebe es ein Schutzdefizit bei Individual- gegenüber Pauschalreisen. Verbraucher wüssten oft auch nicht, worin der Unterschied zwischen beiden besteht. Vogel sagte, er bevorzuge das Fondsmodell für einen verbesserten Insolvenzschutz, da die Erfahrungen mit Versicherungsanbietern problematisch seien.
Matthias von Randow, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands der Deutschen Luftverkehrswirtschaft (BDL), lehnte die vorgeschlagenen Verbesserungen als eine Überregulierung des Sektors sowie als Wettbewerbsverzerrung ab. Fonds- oder Versicherungslösungen als Insolvenzabsicherung seien kontraproduktiv. Zudem spiegelten die vorliegenden Insolvenzzahlen wider, so von Randow, dass für den Kunden die Wahrscheinlichkeit, von einer Insolvenz eines Luftfahrtunternehmens betroffen zu sein, um ein Vielfaches geringer als in anderen Wirtschaftszweigen sei. Zusätzlich seien auch die Ausfallbeträge niedriger. Verbraucher seien in einem Ausmaß abgesichert wie in keiner anderen Branche in Deutschland, betonte von Randow. Angesichts des starken internationalen Wettbewerbs in der Luftfahrt dürfe man bei einer stärkeren Regulierung den Bogen nicht überspannen, warnte er.
Auch Markus Fauser, Geschäftsführer der Stuttgarter Firma anchor Management, hält eine verpflichtende Absicherung von Kunden von Fluggesellschaften im Rahmen von Individualreisen grundsätzlich nicht für notwendig, da ausreichende gesetzliche Instrumentarien der staatlichen Aufsichtsbehörden von Fluggesellschaften zur Verfügung stünden. Abgesehen davon seien weder statistisch noch mit Blick auf das Schutzbedürfnis Gründe dafür ersichtlich, Kunden als Gläubiger von Fluggesellschaften in deren Insolvenz mit weitergehenden regulatorischen Absicherungen auszustatten als Gläubiger im Fall der Insolvenz anderer Vertragspartner. Einen weitergehenden Schutz des Verbrauchers bei der Buchung von Flugreisen im Rahmen von Individualreisen könnte seiner Ansicht nach eine freiwillige Option zum Abschluss einer Insolvenzausfallversicherung ermöglichen.
Martin Schmidt-Kessel, Direktor der Forschungsstelle für Verbraucherrecht der Universität Bayreuth, sieht ebenfalls keinen Anlass, Verbraucher generell von den Insolvenzrisiken bei Vorleistungen zu befreien. Eine solche Befreiung gerate zudem in Konflikt mit den Regelungszielen des Verbraucherkreditrechts, erklärte er. Allein aus der aktuell besonderen Insolvenzneigung von Fluggesellschaften lasse sich kein besonderer rechtspolitischer Bedarf für einen besonderen Insolvenzschutz für Flugtickets ableiten. Solle dem Reisenden das Insolvenzrisiko der Fluglinie trotzdem genommen werden, erscheine als einfachste und am wenigsten aufwendige Lösung ein Optionsrecht des Reisenden zur Zahlung per Kreditkarte.