Zeugin: Amri „Fall wie jeder andere“
Berlin: (hib/wid) In den Erörterungen des Gemeinsamen Terrorismusabwehrzentrums (GTAZ) der deutschen Polizeien und Nachrichtendienste hat der spätere Attentäter vom Berliner Breitscheidplatz Anis Amri keine besonders herausragende Rolle gespielt. Dies berichtete am Donnerstag eine Mitarbeiterin des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV) dem 1. Untersuchungsausschuss („Breitscheidplatz“). Die heute 35-jährige Zeugin Petra M. vertritt seit 2011 ihre Behörde als Verbindungsbeamtin im GTAZ. Sie habe in dieser Funktion allerdings keine inhaltlichen, sondern lediglich koordinierende und organisatorische Aufgaben, betonte sie.
Das seit 2004 bestehende GTAZ nannte sie eine „Kommunikations- und Informationsplattform“, wo 42 Nachrichtendienste und Polizeien von Bund und Ländern Erkenntnisse teilen sollen. Regelmäßig teilgenommen habe sie an zwei der insgesamt acht Arbeitsgruppen, in die das GTAZ derzeit gegliedert sei, berichtete die Zeugin, nämlich an den AG's „Tägliche Lage“ und „Operativer Informationsaustausch“.
Die „Tägliche Lage“ sei eine Routinebesprechung aller Verbindungsbeamten der beteiligten Behörden. In der AG „Operativer Informationsaustausch“ seien regelmäßig nur das Bundeskriminalamt (BKA), der Bundesnachrichtendienst (BND) und das BfV vertreten sowie weitere Behörden nach Bedarf. Die Federführung liege beim BKA, das anlassbezogen zu den Besprechungen über jeweils einen konkreten Einzelfall einlade. Während der Zeit, in der sich Amri in Deutschland aufhielt, habe die AG „Operativer Informationsaustausch“ 217 Mal im Jahr 2015 sowie 233 Mal im Jahr 2016 getagt.
Der Name Amri sei bei insgesamt 13 Gelegenheiten in unterschiedlichen Runden gefallen, sagte die Zeugin. Konkrete Inhalte dieser Besprechungen habe sie nicht mehr in Erinnerung. Sie könne allerdings ausschließen, dass jemals davon die Rede gewesen sei, Amri werde möglicherweise mit einem Schwerlaster einen Weihnachtsmarkt überrollen, wie es dann im Dezember 2016 in Berlin geschah. Gemessen an der Gesamtzahl der Sitzungen sei Amri nach ihrem Eindruck nicht übermäßig häufig zur Sprache gekommen, sagte die Zeugin. Er sei für das GTAZ „ein Fall wie jeder andere“ gewesen. Es habe nach ihrer Einschätzung damals eine zweistellige Zahl islamistischer Gefährder gegeben, die ähnlich oft wie Amri Gegenstand der Erörterungen gewesen seien.
Sie selber habe in den Besprechungen keine „inhaltlichen Beiträge“ geleistet, sondern lediglich darauf zu achten gehabt, einen „Überblick über die aktuelle Lage für meine administrative Tätigkeit“ zu gewinnen. Diese habe im wesentlichen darin bestanden, Einladungen zu Sitzungen der AG „Operativer Informationsaustausch“ an die jeweils zuständigen Fachabteilungen des Verfassungsschutzes weiterzuleiten und dafür zu sorgen, dass diese mit sachkundigen Vertretern zum Termin erschienen. Sie sei bei diesen Sitzungen, die unterschiedlich lange zwischen einer halben und etwa zwei Stunden gedauert hätten, lediglich als „Zuhörerin“ zugegen gewesen.
Amri kam nach bisherigen Erkenntnissen spätestens am 2. Februar 2016 erstmals im GTAZ zur Sprache und danach im Laufe des Monats noch weitere drei Male. In einer Sitzung am 17. Februar wurde er auf einer acht Stufen umfassenden Gefährderskala vom siebten auf den fünften Rang heruntergesetzt. An der Verlauf der Diskussion über die Einschätzung Amris, und aus welchen Gründen er damals als minder bedrohlich beurteilt worden sei, könne sie sich nicht erinnern, sagte die Zeugin.