Förderung kommunaler Verkehrsprojekte
Berlin: (hib/HAU) Das Vorhaben der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, die Kriterien für die Vergabe von Bundesmitteln zur Unterstützung kommunaler Verkehrsprojekte zu ändern, trifft bei Experten auf Zustimmung ebenso wie auf Ablehnung. Das wurde während einer öffentlichen Anhörung zu dem von der Fraktion vorgelegten „Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetzes (GVFG)“ (19/2695) am Mittwoch deutlich. Nach den Vorstellungen der Grünen sollen künftig neben Bau und Ausbau auch Planung und Erhalt von Verkehrsmaßnahmen gefördert werden. Die Mindestfördersumme soll auf zehn Millionen Euro abgesenkt werden, wobei Sammelvereinbarungen für mehrere gemeinsame Maßnahmen ermöglicht werden sollen.
Neu in den Förderkatalog wollen die Grünen Maßnahmen zur Stärkung des Radverkehrs und der Verkehrssicherheit aufnehmen. Gestrichen werden soll hingegen die Förderung sämtlicher Straßenbaumaßnahmen. Im Bereich des Öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) sieht der Gesetzentwurf die Streichung des Kriteriums „der eigenen Trasse“ insbesondere für Straßenbahnen vor. Die Bewertung von Maßnahmen allein nach Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit soll zudem beendet werden. „Künftig sind auch Nachhaltigkeit und Umwelt- und Klimaschutz zu betrachten“, heißt es in dem Gesetzentwurf der Grünen.
Für eine Überarbeitung der Standardisierten Bewertung als gesamtwirtschaftliches Bewertungsverfahren gibt es aus Sicht von Martin Arnold von der Intraplan Consult GmbH keinen Bedarf. Schon jetzt fänden die Kriterien Treibhausgasemissionen, Schadstoffemissionen und Schallimmissionen Eingang in den Nutzen-Kosten-Indikator. Skeptisch bewertete Arnold auch die von den Grünen geplante Absenkung der Mindestfördersumme. Mit dem GVFG wolle der Bund schließlich Großprojekte fördern, die Länder und Kommunen überfordern würden, sagte er. Für kleinere Maßnahmen stünden die Entflechtungsmittel zur Verfügung. Zudem sei in solchen Fällen das benötigte Know-how eher bei den Ländern zu finden.
Michael Haberland vom Verein Mobil in Deutschland hält den Wegfall der Straßenbauförderung „nicht für zweckdienlich“, zumal auch Teile des ÖPNV, wie etwa Taxis und Busse, die gegebene Straßeninfrastruktur nutzten und darauf angewiesen seien. Zudem würden die Menschen selbst entscheiden wollen, „wie, womit und wann sie sich bewegen“. Dazu zähle aber auch und besonders der Individualverkehr, sagte Haberland. Die im Entwurf geforderte Absenkung des Mindestfördervolumens hält der Experte insbesondere im Hinblick auf kleinere Verkehrsprojekte für sinnvoll, „wenn dies nicht nur dem einzigen Ziel dient, den Radverkehr in den Städten zu fördern“.
Thomas Kiel vom Deutschen Städtetag unterstrich die Forderung, das GVFG-Bundesprogramm bedarfsgerecht zu erhöhen und um die Förderung von dringenden Sanierungsmaßnahmen und um großmaßstäbliche Maßnahmen, die über den ÖPNV hinaus einen Beitrag zum Klimaschutz durch den Umweltverbund leisten, zu erweitern. „Bei hinreichender Aufstockung des Programms sollte die Förderschwelle auf 20 Millionen Euro abgesenkt werden“, sagte er. Die jetzige Schwelle von 50 Millionen Euro sei vor allem für Sanierungen und Ersatzinvestitionen zu hoch. Der Städtetags-Vertreter unterstützte zudem die Forderung nach Streichung des Kriteriums „der eigenen Trasse“ insbesondere für Straßenbahnen vor. Dies sei nicht mehr zeitgemäß, sagte er.
Der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) plädiert hingegen dafür, diese Fördervoraussetzung nicht vollständig aus dem GVFG zu streichen, sondern „straßenbündige Bahnkörper“ unter konkreten Voraussetzungen in den Fördervoraussetzungen gleichermaßen zu berücksichtigen. Dort, wo sich Autos und Straßenbahnen den Verkehrsraum gemeinsam teilen, komme es zu gegenseitigen Behinderungen mit Reisezeitverlusten im Straßenbahnverkehr. Eine Reduzierung der Beförderungsgeschwindigkeit - und damit der Wirtschaftlichkeit - im ÖPNV gelte es zu verhindern, sagte VDV-Vertreter Jan Schilling. Eine Absenkung der Mindestfördersumme lehnte er ab. „Das GVFG sollte nicht mit zusätzlichen Ausgaben belastet werden, für welche die höhere Dotierung und Dynamisierung letztendlich nicht ausreichen“, sagte Schilling.
„Wir sind nach wie vor handlungsfähig“, betonte Tim-Oliver Müller vom Hauptverband der Deutschen Bauindustrie auf die Nachfrage, ob es denn überhaupt genug Kapazitäten gibt, um die finanzierten Projekte auch umzusetzen. Die Branche habe seit der Wirtschaftskrise 2009 125.000 neue Mitarbeiter eingestellt und bilde umfangreich aus. Wichtig sei nun eine Verstetigung der Fördermittel, damit sich das Engagement der Unternehmen auch lohne. Was die Aussage angeht, dass kaum noch Angebote auf öffentliche Ausschreibungen eingehen würden, sagte Müller, das habe auch mit dem Ausschreibungsregime der öffentlichen Hand zu tun. In der Branche sei man davon weggekommen, nur über den Preis zu konkurrieren und dann die restlichen Kosten mit aufwändigen Nachträgen zu erhalten.
Angela Kohls vom Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Club (ADFC) begrüßte die angedachte Öffnung des GVFG für Radverkehrsmaßnahmen. Die Städte würden zunehmend im Stau ersticken, sagte sie. Daher müsse der Pkw-Verkehr durch den ÖPNV aber auch durch den Radverkehr substituiert werden. Zuspruch kam von ihr auch zur Absenkung der Mindestfördersumme. Eine Öffnung für Vorhaben mit weniger hohem Aufwand sowie die Erweiterung des Maßnahmenspektrums zugunsten aller Verkehrsträger des Umweltverbundes, einschließlich des Fuß- und Radverkehrs, könne dazu beitragen, „künftig deutlich mehr geeignete Projekte zu fördern und finanzschwache Kommunen besser zu berücksichtigen“, sagte die ADFC-Vertreterin.
Unterstützung für den Gesetzentwurf, der ein „Baustein für die Verkehrswende“ sein könne, gab es auch von Philipp Kosok vom Verkehrsclub Deutschland. Eine Neuausrichtung des Gesetzes mache aber nur Sinn, wenn auch die bereitgestellten Mittel steigen. Bereits in seiner jetzigen Fassung sei der GVFG-Fördertopf seit Jahren vielfach überzeichnet. Die von der Bundesregierung beschlossene Steigerung der GVFG-Mittel auf eine Milliarde Euro jährlich sei „hilfreich, jedoch nicht ausreichend“.