Multiresistente Keime im Fokus
Berlin: (hib/LBR) Der Forschungsstand zur Verhinderung der Ausbreitung multiresistenter Keime im Wasser weist noch erhebliche Lücken auf. Damit fehlt eine belastbare Datengrundlage zur Beurteilung möglicher Maßnahmen. Das war die einhellige Meinung der Sachverständigen in der öffentlichen Anhörung im Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit am Mittwochmittag. Anlass der Anhörung war ein Antrag der Fraktion Bündnis90/Die Grünen (19/1159), in dem mehr Maßnahmen gegen die Ausbreitung gefordert werden.
Vor dem Hintergrund von Medienberichten über den Fund multiresistenter Keime in Bächen, Flüssen und Badeseen in Niedersachsen fordern die Grünen etwa den Einsatz von Antibiotika in der Landwirtschaft zu reduzieren. Besonders alarmierend sei, dass antibiotikaresistente Keime in Gewässern in relevanter Zahl auch gegen Colistin resistent sind, ein Medikament, das in der Humanmedizin nur in lebensbedrohlichen Situationen eingesetzt wird, im Mastbetrieb jedoch in größeren Mengen. „Vorsorge ist das oberste Gebot“, urteilt die Fraktion und schlägt vor, einen Bedarfsatlas zu erstellen, der Auskunft über das Ausmaß der Belastung je nach Region gibt.
Gewässerkundler Thomas U. Berendonk führte aus, dass resistente Bakterien eine biologische Verschmutzung, keine chemische darstellen, die zudem momentan gar nicht statistisch erfasst werde. Über die Dynamik, wie stark sich multiresistente Keime vermehren und wie die Resistenz weitergeben wird, können momentan keine validen Aussagen getroffen werden, so der Forscher.
Im sogenannten one-health-Konzept der Human- und Tiermedizin sei der Bereich der Umwelt in der Vergangenheit zu wenig berücksichtigt worden, sagte Martin Exner vom Institut für Hygiene und öffentliche Gesundheit des Universitätsklinikums Bonn. Insbesondere spiele die Belastung durch Krankenhausabwässer eine Rolle, da die Erreger über einen längeren Zeitraum im Darm verweilen können und auch Resistenzinformationen austauschen.
„Es braucht ein vorsorgendes, fachübergreifendes Handeln und einen sachgerechten Einsatz von Antibiotika bei Mensch und Tier, um die Entstehung an der Quelle zu bekämpfen“, forderte Friederike Vietoris vom Ministerium für Umwelt, Landwirtschaft, Natur und Verbraucherschutz des Landes Nordrhein-Westfalen. Vor allem Bewertungskriterien, Risikoeinschätzungen und Monitoringinstrumente würden fehlen, um entsprechende Maßnahmen in kommunalen Kläranlagen oder Krankenhäusern einzuleiten.
Gegenstand der Anhörung war auch die mögliche Weiterentwicklung von Kläranlagetechniken. Issa Nafo vom Wasserwirtschaftsunternehmen Emschergenossenschaft/Lippeverband machte in seiner Einschätzung deutlich, dass an einer vierten Reinigungsstufe gearbeitet würde, es aber nicht das eine Verfahren gäbe: „Der Stand heute ist, dass wir zwischen 90 und 99 Prozent der Keime eliminieren können. Wir sprechen also über den restlichen Prozentanteil“, so Nafo. Es sei vor allem mehr Zeit zum Forschen in Reallaboren und Pilotanlagen nötig, um verschiedene Lösungsansätze miteinander zu kombinieren, sagte der Sachverständige.
Auch Norbert Jardin vom Ruhrverband, der 65 Kläranlagen betreibt, beschrieb, dass eine vierte Reinigungsstufe nicht geeignet sei, die Resistenzlast nennenswert zu reduzieren. Dafür sei eher eine fünfte oder sechste Stufe nötig: „Die Klärverfahrenstechniken, die dann zum Einsatz kommen, etwa Ultra-oder Nanofiltration, führen dann allerdings zu drastischen Gebührensteigerungen, einem erhöhten Energiebedarf sowie höheren Co2-Emissionen und mehr Reststoffen“, sagte er.
Auch die Tierhaltungsbedingungen und der Einsatz sogenannter Reserveantibiotika wurden thematisiert. Wolfgang Straff vom Umweltbundesamt führte aus, dass einer mangelhaften Hygiene in Ställen nicht durch den massenhaften Einsatz von Antibiotika begegnet werden könne. Besonders in Regionen, in denen vermehrt Antibiotika eingesetzt werden, müsse stärker geprüft werden. Ähnlich äußerte sich Reinhild Benning von Germanwatch e.V.: „Der Antibiotikaeinsatz in der Landwirtschaft hat sich zwar zwischen 2011 und 2016 halbiert, aber die Resistenzraten sind nach wie vor sehr hoch.“ Im europäischen Vergleich gäbe es in Deutschland noch sehr viel Einsparungspotential, so die Sachverständige.
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