Konzept zum Investorenschutz begrüßt
Berlin: (hib/wid) Die Absicht der Europäischen Union, Konflikte zwischen Staaten und ausländischen Investoren künftig der Rechtsprechung eines eigenen ständigen internationalen Gerichts zu überlassen, hat in einer Anhörung des Wirtschaftsausschusses ein überwiegend positives Echo der geladenen Sachverständigen gefunden. Gegenüber der bisherigen Praxis, zur Regelung solcher Streitigkeiten jeweils von Fall zu Fall eine Schiedskammer einzusetzen, sei von einem Multilateralen Investitionsgerichtsgerichtshof (Mulitateral Investment Court; MIC) ein deutlicher Zuwachs an Transparenz und Rechtssicherheit zu erwarten, hieß es in der Sitzung am Mittwoch. Bedenken gegen das Vorhaben äußerte in erster Linie der Vertreter des Deutschen Richterbundes.
Gegenstand der Anhörung war der Entwurf der EU-Kommission für einen Beschluss des Rates, der die Aufnahme von Verhandlungen über die Gründung des Multilateralen Hofes ermöglichen soll. Dazu lagen Anträge der Linksfraktion vor, die von einer „Paralleljustiz für Konzerne“ sprach und sich gegen die Zustimmung zu dem Mandat für die EU-Kommission wandte, sowie der FDP, die das Projekt befürwortete.
In der Anhörung wies der Passauer Wirtschaftsrechtler Christoph Herrmann darauf hin, dass das System des internationalen Investorenschutzes wesentlich auf deutsche Initiative zurückgehe. Bereits 1959 habe die Bundesrepublik mit Pakistan das erste einschlägige Abkommen geschlossen. Mittlerweile sei Deutschland mit rund 130 zumeist bilateralen Verträgen zum Investorenschutz „Weltmarktführer“ auf diesem Gebiet. Der Kritik, Investorenschutz hebele das Regulierungsrecht der Parlamente aus, hielt Herrmann entgegen, dass das in den Verträgen fixierte Klagerecht lediglich für Fälle „krasser Enteignung“ und nicht zur Anfechtung demokratisch legitimierter Gesetzgebung gelte.
Der Göttinger Völkerrechtler Till Patrik Holterhus bezog sich auf die gängigen Bedenken gegen das bestehende System der Schiedsverfahren in Streitfällen zwischen ausländischen Investoren und Staaten. Die Vielzahl von Fall zu Fall eingesetzte Kammern beeinträchtige die Rechtssicherheit, Berufungsverfahren seien nicht vorgesehen, die Streitparteien hätten zu viel Einfluss auf die Benennung der Richter, was deren Unabhängigkeit beeinträchtige, überdies fehle es an jeglicher Transparenz, weil weder die Verfahren noch die Schiedssprüche öffentlich gemacht werden müssten.
Gemessen daran, seien von dem geplanten MIC erhebliche Fortschritte zu erwarten, ergänze der in Dänemark lehrende Jurist Steffen Hindelang. Dies gelte insbesondere für die Garantie der richterlichen Unabhängigkeit, da die Mitglieder des MIC unabhängig von den zu entscheidenden Streitfällen berufen würden. Christian Tietje, Wirtschaftsrechtler der Universität Halle-Wittenberg, und Gabriel Felbermayr vom Münchener ifo-Institut für Wirtschaftsforschung widersprachen gestützt auf statistische Daten der Vermutung, in den bisher geläufigen Schiedsverfahren würden einseitig die Investoren bevorzugt.
Zu deren Gunsten fielen im Durchschnitt nur 25 Prozent der Schiedssprüche aus, sagte Felbermayr. Weitere 25 Prozent der Verfahren endeten mit einem Vergleich. In Fällen, in denen Investoren eine finanzielle Entschädigung zugesprochen werde, betrage diese im Durchschnitt nur 29 Prozent der zunächst geforderten Summe. Dagegen sei belegbar, dass Abkommen zum Investorenschutz in den Zielländern ein um 25 Prozent höheres Investitionsvolumen generieren; überdies engagierte sich Unternehmen stärker für die Schaffung von Arbeitsplätzen sowie Forschung und Entwicklung.
Als Präsidiumsmitglied des Deutschen Richterbundes bemängelte Oberstaatsanwalt Peter Schneiderhan hingegen, dass für die Tätigkeit des MIC eine international verbindliche Rechtsgrundlage fehle. Die Erlanger Völkerrechtlerin Rhea Hoffmann kritisierte das von der EU-Kommission verlangte Verhandlungsmandat als zu begrenzt, weil von Pflichten der Investoren sowie einer rechtlichen Besserstellung von Bürgern gegenüber Unternehmen keine Rede sei.
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