Jahresabrüstungsbericht vorgelegt
Berlin: (hib/AHE) Die Bundesregierung betrachtet die weltweite Aufrüstung und die zunehmenden Verletzungen von Abrüstungs- und Rüstungskontrollverträgen mit Sorge. „Nordkoreas aggressives Nuklearstreben, die Zukunft der Wiener Vereinbarung zum iranischen Nuklearprogramm, der Giftgasangriff von Khan Shaykhun in Syrien, Fragen der vollständigen Implementierung bestehender Verträge sowie vertrauensbildender Maßnahmen - das waren nur einige der düsteren Schlaglichter, die 2017 zu einem Jahr gewaltiger und zum Teil gewaltsamer Belastungsproben für Rüstungskontrolle und Abrüstung machten“, heißt es in dem als Unterrichtung vorliegenden Jahresabrüstungsbericht (19/1380).
„An die Stelle der ersehnten Abrüstungsdividende ist 27 Jahre nach Ende des Kalten Krieges längst eine weltweite Zunahme an Rüstung getreten, die sich laut dem Stockholmer Friedensforschungsinstitut SIPRI auch im Anstieg der weltweiten Rüstungsausgaben 2016 auf 1.690 Milliarden US-Dollar widerspiegelt“, schreibt die Bundesregierung. Damit werde das Niveau der Mitte beziehungsweise des Endes der 1990er Jahre um etwa 50 Prozent überstiegen. „Das Tabu des Einsatzes von Massenvernichtungswaffen wurde in Syrien mehrfach verletzt. Auch nicht-staatliche Akteure wie terroristische Gruppen schrecken hiervor nicht zurück. Dies gilt ebenso für die Durchführung von Cyberangriffen.“ 2017 habe die zentrale Herausforderung für die Bundesregierung angesichts dieser Entwicklungen vor allem darin bestanden, sich für den Erhalt und die vollständige Umsetzung der bestehenden Rüstungskontroll- und Abrüstungsarchitektur einzusetzen und Bestrebungen, diese zu untergraben, entgegenzuwirken.
Als Beispiel nennt der Bericht das nordkoreanische Raketen- und Atomprogramm, das den Nuklearen Nichtverbreitungsvertrag (NVV) unterlaufe. „Dass es sehr wohl möglich ist, mithilfe von Diplomatie und politischem Willen Proliferationskrisen durch Verhandlungen zu lösen“, zeige das Atomabkommen mit dem Iran, das allerdings von der US-Regierung „auf den Prüfstand“ gestellt werde.
Auch die Errungenschaften auf dem Gebiet der nuklearen Abrüstung sind laut Bundesregierung in Gefahr: „Besonders wichtig für die europäische Sicherheit ist hier der Erhalt des 'Intermediate Range Nuclear Forces Treaty (INF)'- Vertrags zwischen den Vereinigten Staaten und Russland, der durch die Abschaffung einer ganzen Waffenkategorie landgestützter Mittelstreckenraketen seit 1987 zu einem Grundpfeiler europäischer Sicherheit geworden ist.“ Deutschland habe ein vitales Interesse an Erhalt und Einhaltung des Vertrags und sei besorgt über die im Raum stehenden Vorwürfe, dass Russland den INF-Vertrag verletze. „Russland ist gefordert, schwerwiegende Zweifel an seiner Vertragstreue verifizierbar auszuräumen.“
Handlungsbedarf sieht die Bundesregierung darüber hinaus bei der konventionellen Rüstungskontrolle: In Europa bröckle der Konsens über die bestehenden abrüstungs- und rüstungskontroll-politischen Verträge nicht erst seit der völkerrechtswidrigen Annexion der Krim durch Russland und seit dem Konflikt in der Ostukraine, die das europäische Sicherheitsumfeld erheblich verändert hätten. „Bestehende Rüstungskontrollinstrumente bedürfen der Anpassung an ein verändertes sicherheitspolitisches Umfeld und veränderte Bedrohungen, sie entsprechen teilweise nicht mehr dem Stand der militärischen und technologischen Entwicklungen und sie werden nicht vollständig umgesetzt. Transparenz, Berechenbarkeit und Stabilität in Europa leiden darunter, das Risiko militärischer Fehleinschätzungen und Eskalationsschritte steigt.“
Die Bundesregierung habe deshalb 2017 an die Zielsetzung des deutschen Vorsitzes der „Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE)“ 2016 angeknüpft, durch intensive Anstrengungen der Erosion des Vertrauens und der europäischen Rüstungskontrollarchitektur entgegenzuwirken. Im Fokus habe dabei die Fortführung der 2016 lancierten Initiative für einen umfassenden Neustart der konventionellen Rüstungskontrolle in Europa gestanden. Ebenfalls in diesem Kontext zu sehen seien das deutsche Engagement im Rahmen des „Strukturierten Dialogs zu Sicherheitsherausforderungen im OSZE-Raum“ sowie der fortgesetzte Einsatz für die Sicherstellung der vollständigen Implementierung und die Weiterentwicklung bestehender Vereinbarungen, wie des Vertrags über den Offenen Himmel und der vertrauensbildenden Maßnahmen des Wiener Dokuments. Der „Strukturierte Dialog“ sei 2017 unter deutscher Leitung zu einem bedeutsamen Forum der Sicherheitsarchitektur im OSZE-Rahmen geworden und habe eine Grundlage für den Neustart der konventionellen Rüstungskontrolle in Europa geschaffen.
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