Disput um Schutzgesetz für Einsatzkräfte
Berlin: (hib/PST) Zustimmung aus der Polizei, aber teils heftige Kritik aus Justiz und Rechtswissenschaft hat es in einer öffentlichen Anhörung des Rechtsausschusses an dem Vorhaben gegeben, Einsatzkräfte strafrechtlich besser vor Übergriffen zu schützen. Dies ist Ziel eines von den Koalitionsfraktionen (18/11161) und wortgleich von der Bundesregierung (18/11547) eingebrachten Gesetzentwurfs zur „Stärkung des Schutzes von Vollstreckungsbeamten und Rettungskräften“. Dieser definiert Attacken auf Polizisten und andere Vollstreckungsbeamte als „Angriff auf einen Repräsentanten der staatlichen Gewalt“ und Übergriffe auf Beschäftigte der Feuerwehr, des Katastrophenschutzes oder der Rettungsdienste als „Angriff auf die öffentliche Sicherheit“.
Dem entsprechend sollen die Strafvorschriften verschärft werden. Während der bisherige Tatbestand des tätlichen Angriffs auf Vollstreckungsbeamte nur im Rahmen einer Vollstreckungshandlung, etwa einer Festnahme, greift, soll dieser Bezug künftig wegfallen. Polizisten sollen dann während jeder Diensthandlung unter besonderem Schutz stehen. Gleichermaßen sollen die Strafbestimmungen zum Schutz von Rettungskräften geändert werden. Der Strafrahmen sieht wie bisher Freiheitsstrafen bis zu fünf Jahren vor, aber teilweise höhere Mindeststrafen.
In der Anhörung gingen die Meinungen darüber auseinander, ob der vorliegende Gesetzentwurf der richtige Weg ist, diesen besseren Schutz zu erreichen. Für Sascha Braun von der Gewerkschaft der Polizei ist dies der Fall. Seit Jahren stelle seine Organisation, auch wissenschaftlich belegt, eine Zunahme der Übergriffe auf Polizeikräfte fest. Was jetzt auf dem Tisch liege, habe seine Organisation lange gefordert. Die „Kollegen auf der Straße“ nähmen sehr intensiv wahr, dass sich die Politik ihnen jetzt zuwendet. Bisher bestehe der Eindruck, dass Anzeigen von Polizisten „im Flaschenhals der Justiz stecken bleiben“. Nun hätten sie die Hoffnung, dass es durch die vorgesehene Mindeststrafe von drei Monaten „künftig zur Verhandlung kommt“.
Rainer Wendt, Bundesvorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft, stieß ins selbe Horn. Polizisten fühlten sich gedemütigt, wenn sie Opfer von Gewalt geworden sind und es dann kein oder ein mildes Urteil gibt. Oft verzichteten sie auf eine Anzeige, „weil es sich doch nicht lohnt“. Seine Organisation begrüße den Gesetzentwurf, „nicht um mehr und härtere Strafen zu bekommen, sondern weniger Angriffe“. Wendt schlug vor, als neues Tatbestandsmerkmal für Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte die „Drohung mit einem empfindlichen Übel“ aufzunehmen. Denn immer öfter würden massive Drohungen gegen Polizeibeamte ausgesprochen.
Die Wuppertaler Polizeipräsidentin Birgitta Radermacher machte auf ein weiteres, neues Phänomen aufmerksam. Zunehmend würden Polizisten während Amtshandlungen ständig gefilmt, verbunden mit der Drohung, die Aufnahmen ins Netz zu stellen. Deshalb solle auch das Filmen als Widerstandshandlung ins Gesetz aufgenommen werden. Aus ihrem Verantwortungsbereich berichtete Radermacher, dass nur etwa ein Drittel der Anzeigen wegen Beleidigung zu einer Verurteilung führe. Selbst Bespucken würde nicht sanktioniert, sofern der oder die Bespuckte nicht getroffen wurde. Den vorliegenden Gesetzentwurf bezeichnete Radermacher als „Ausdruck von Respekt und Wertschätzung“ gegenüber der Polizei.
Wesentlich negativer beurteilte der Strafrichter Ruben Franzen als Vertreter der Neuen Richter Vereinigung e. V. die geplante Reform. Er warnte vor einer „Gefahr für den Rechtsstaat“ durch die geplante Sonderstellung von Polizisten. Wenn sich die politische Konstellation in Deutschland ändern sollte, könne „mit den Mitteln, die wir jetzt bereitstellen, etwas Gefährliches herauskommen“. Gleichzeitig bezweifelte Franzen die Wirksamkeit der Neuregelung. Übergriffe gegen die Polizei würden meist von alkoholisierten oder hoch emotionalisierten Menschen verübt. Sie seien durch eine höhere Strafandrohung nicht aufzuhalten. Eher trage das Gesetz zu einer Eskalation bei. Seit der letzten Gesetzesverschärfung 2011 habe die Zahl der Übergriffe auf Polizisten nicht etwa ab-, sondern zugenommen.
Weniger grundsätzlich war die Kritik der drei Rechtswissenschaftler in der Anhörung. Der Kölner Strafrechtsprofessor Michael Kubiciel begrüßte den dahinterstehenden Grundgedanken. Wenn Polizeibeamte angegriffen würden, dann nicht als Person, sondern „als Repräsentant der Staatsgewalt“. Allerdings sei die konkrete Ausgestaltung des neuen Strafrechtsparagrafen 114 (Tätlicher Angriff auf Vollstreckungsbeamte) bedenklich. Er müsse wesentlich präziser gefasst werden, um zu einer einheitlichen Rechtsprechung zu kommen.
Auch die Hamburger Strafrechtlerin Dorothea Magnus äußerte Bedenken gegen den vorgesehenen Paragrafen 114. So wie er gefasst sei, müsse man damit rechnen, dass er von den Richtern kaum angewandt werde. An der abschreckenden Wirkung der Strafverschärfung äußerte sie Zweifel. Der „Autoritätsverlust staatlicher Organe“ sei dadurch „nicht aufzuhalten“.
Ähnlich skeptisch äußerte sich der Regensburger Professor für Strafrecht und Kriminologie Henning Ernst Müller. Abschreckung erfolge „dadurch, dass man geschnappt und verurteilt wird“, nicht durch die Strafhöhe. Die Überlastung der Justiz führe aber dazu, dass zwei Drittel der Fälle „auf die eine oder andere Art eingestellt“ würden. Hier müsse man ansetzen.
Einig waren sich Polizeipräsidentin Radermacher, Richter Franzen und die Rechtsprofessoren in einem Punkt. Der Gesetzentwurf will den Tatbestand des schweren Landfriedensbruch schon erfüllt sehen, wenn jemand eine Waffe „oder ein anderes gefährliches Werkzeug“ bei sich führt. Der jetzige Zusatz „um diese oder dieses bei der Tat zu verwenden“ soll gestrichen werden. Die Sachverständigen waren sich einig, dass dieser Zusatz zwar für Waffen wegfallen könne, nicht aber für jedes potentiell gefährliche Werkzeug.
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