Kartellrecht an Digitalisierung angepasst
Berlin: (hib/HLE) Der Ausschuss für Wirtschaft und Energie hat am Mittwoch umfassende Änderungen am Kartellrecht beschlossen. Mit dem von den Koalitionsfraktionen zuvor mit Änderungsanträgen abgeänderten Entwurf eines Neunten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (18/10207) sollen Konsequenzen aus der zunehmenden Digitalisierung der Wirtschaft gezogen werden. Außerdem werden mit dem Beschluss Erleichterungen für die Zusammenarbeit der unter wirtschaftlichem Druck stehenden Zeitungsverlage geschaffen. Das sogenannte Ministererlaubnisverfahren bei Unternehmensfusionen soll beschleunigt werden. Die Koalitionsfraktionen von Union und SPD stimmten für den Gesetzentwurf, die Oppositionsfraktionen Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen enthielten sich.
Die Bestimmungen für das Wettbewerbsrecht sollen damit auch auf sogenannte Startups ausgeweitet werden. „Das digitale Zeitalter stellt mit seinen rasanten technologischen Entwicklungen neue Herausforderungen auch an die Wettbewerbspolitik“, so die Regierung. Zu den Herausforderungen durch das digitale Zeitalter heißt es in dem Entwurf, junge innovative Unternehmen (Startups) könnten durch große etablierte Unternehmen übernommen werden, ohne dass eine Kontrolle durch Kartellbehörden stattfinden könne. Grund sei, dass die Fusionskontrolle nur Zusammenschlüsse von Unternehmen über einem gewissen Schwellenwert bei den Umsätzen erfasse. Viele Startups würden unterhalb dieser Werte bleiben. Dennoch können ihre Geschäftsideen ein hohes Marktpotenzial und eine große wirtschaftliche Bedeutung für den Erwerber haben, verdeutlicht die Bundesregierung, die bei solchen Übernahmen die Gefahr „einer gesamtwirtschaftlich unerwünschten Marktbeherrschung oder erheblichen Behinderung wirksamen Wettbewerbs“ sieht. Daher soll die Fusionskontrolle ausgeweitet werden und auch Fälle erfassen, in denen der Kaufpreis mit über 400 Millionen Euro besonders hoch ist, obwohl das erworbene Unternehmen keine oder nur geringe Umsätze vorweisen kann.
Für Kooperationen von Presseverlagen sollen Ausnahmen vom Kartellverbot geschaffen werden. Waren schon mit der 8. GWB-Novelle Fusionen erleichtert worden, so sollen jetzt Kooperationen im Anzeigen- und Werbegeschäft, beim Vertrieb, der Zustellung und der Herstellung von Zeitungen und Zeitschriften einfacher möglich werden. „Der Rückgang insbesondere des Anzeigenaufkommens und der Werbeerlöse im Printbereich hält an, während Finanzierungsmodelle für Presseprodukte im Online-Bereich noch nicht durchgehend erfolgreich sind“, begründet die Bundesregierung ihr Vorhaben.
Verbessert werden soll mit der 9. GWB-Novelle die Möglichkeit zu Schadenersatzklagen von Verbrauchern und Unternehmen. Deren Schadenersatzansprüche sollen effektiver durchgesetzt werden können, wenn sie durch einen Kartellverstoß einen Schaden erlitten haben. So wird der Zugang zu Beweismitteln für Geschädigte erleichtert und Verjährungsfristen werden verlängert.
Zudem soll eine Regelungslücke geschlossen werden. So hatte ein Fall Aufsehen erregt, in dem sich Kartellbeteiligte in einem Wurstkartell durch Umstrukturierungen in Unternehmen der Haftung für ein verhängtes Bußgeld in dreistelliger Millionenhöhe entziehen konnten. Mit dem Gesetzentwurf werden Konsequenzen gezogen. So sollen Geldbußen wegen Kartellrechtsverstößen nicht nur gegen die handelnde Tochtergesellschaft, sondern auch gegen die lenkende Konzernmutter verhängt werden können. Bei Rechtsnachfolge oder wirtschaftlicher Nachfolge könne das Bußgeld auch gegen die nachfolgenden Unternehmen verhängt werden.
Die CDU/CSU-Fraktion erklärte, mit dem Entwurf und den Änderungen werde das Kartellrecht an die Digitalisierung der Wirtschaft angepasst. Zugleich würden Lücken geschlossen, zum Beispiel bei Bußgeldern. Die Kooperation für Presseverlage werde erleichtert, weil diese sich in einer besonderen Lage befänden. Auch für Banken gebe es Erleichterungen bei der Zusammenarbeit im sogenannten „Back-Office“-Bereich. Gestärkt und zugleich transparenter werde das Ministererlaubnisverfahren. Aufgrund des Edeka/Tengelmann-Verfahrens, das eineinhalb Jahre gedauert habe, werde das Verfahren nun beschleunigt und solle nach Möglichkeit vier, höchstens aber sechs Monate dauern. „Wird die Verfügung den antragstellenden Unternehmen nicht innerhalb von sechs Monaten nach Eingang des vollständigen Antrags zugestellt, gilt der Antrag auf die Ministererlaubnis als abgelehnt“, heißt es in dem beschlossenen Änderungsantrag der Koalition.
Die SPD-Fraktion bezeichnete die Erleichterungen für Zeitungsverlage als „wichtig für die Erhaltung der Meinungsfreiheit“. Der Sprecher der Fraktion begrüßte auch die neu geschaffene Möglichkeit für das Kartellamt, Marktuntersuchungen vornehmen zu dürfen.
Für die Linksfraktion gehen die Änderungen an der Ministererlaubnis immer noch nicht weit genug. Die Zahl der Arbeitsplätze und das Wohl der Arbeitnehmer seien weiterhin keine Kriterien. Die Entscheidung über die Ministererlaubnis müsse vom Parlament getroffen werden, um der Sache mehr Nachdruck zu verleihen. Trotz der Änderungen durch die Novelle bleibe es größeren Unternehmen möglich, sich durch Veränderung gesellschaftsrechtlicher Strukturen Kartellverfahren und Kartellstrafen zu entziehen. Kleine Unternehmen hätten diese Möglichkeit nicht, sagte der Sprecher der Fraktion mit Blick auf das sogenannte Wurstkartell.
Ein Sprecher der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen stellte fest, der Gesetzentwurf enthalte Verbesserungen. Aber die Vorschriften für die Digitalwirtschaft kämen reichlich spät. Dort gebe es schon starke Konzentrationen. Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen trat für Mitsprecherechte des Bundestags bei einem Ministererlaubnisverfahren ein. Ein entsprechender Änderungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen wurde allerdings ebenso abgelehnt wie ein Antrag der Fraktion Die Linke (18/10240), die Ministererlaubnis durch eine Parlamentserlaubnis zu ersetzen. Auch mit ihrem Antrag (18/4817) zur Verhinderung von Bußgeldumgehungen bei Kartellstrafen konnte sich die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen nicht durchsetzen. Auch ein Entschließungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, in dem unter anderem stärkere Verbraucherrechte in digitalen Märkten gefordert wurden, fand keine Mehrheit.
Zur Kenntnis genommen wurden vom Ausschuss zwei Sondergutachten der Monopolkommission (18/5080, 187508).
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