Lob für erweiterten Infektionsschutz
Berlin: (hib/PK) Die von der Bundesregierung vorgelegte Reform für einen verbesserten Schutz vor übertragbaren Krankheiten stößt bei Gesundheitsexperten auf grundsätzliche Zustimmung. Erwartet wird ein verbesserter Melde- und Informationsfluss. Kritisch gesehen werden allerdings die absehbar höheren Kosten und der große Aufwand für die erweiterten Meldepflichten, wie anlässlich einer Anhörung über den Gesetzentwurf (18/10938) am Mittwoch im Gesundheitsausschuss des Bundestages sowie aus den schriftlichen Stellungnahmen der Fachleute deutlich wurde.
Das Robert Koch-Institut (RKI) wird dem Entwurf zufolge mit der Einrichtung eines elektronischen Meldewesens beauftragt (Deutsches elektronisches Meldesystem für Infektionsschutz DEMIS), das spätestens 2021 in Betrieb gehen soll. Vorgesehen sind zusätzliche Meldepflichten bei Krankenhausinfektionen. Auf diese Weise sollen mehr Informationen zu Übertragungswegen gesammelt werden. Das gilt zum Beispiel für bestimmte Erreger, die sich auf der Haut ansiedeln.
In Pflegeheimen und anderen Gemeinschaftsunterkünften ist in der Zukunft außerdem die Krätze (Skabies) meldepflichtig, um bei Ausbrüchen der Krankheit früh reagieren zu können. Zur Aufbewahrung und Vernichtung von Polioviren in Laboren werden neue Standards festgelegt.
Damit setzt die Bundesregierung nach eigenen Angaben die Strategie der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zur Ausrottung des Polio-Erregers um. Schließlich werden für sogenannte Naturbäder Anforderungen an die Qualität des Wassers neu festgelegt. Der Gesetzentwurf ist wegen der Auswirkungen auf die Länder im Bundesrat zustimmungspflichtig.
Der Bundesverband der Ärzte des öffentlichen Gesundheitsdienstes (BVÖGD) befürwortet die epidemiologische Überwachung übertragbarer Krankheiten, befürchtet aber eine enorme Mehrbelastung der kommunalen Gesundheitsämter. Problematisch sei auch, dass die Datenhoheit künftig beim RKI liege und nicht mehr bei den Gesundheitsämtern und den Landesgesundheitsbehörden. Die Mediziner wünschen sich außerdem, auch resistente oder multiresistente Erreger zu ermitteln, die von Tieren auf Menschen übertragen werden oder umgekehrt.
Die kommunalen Spitzenverbände merkten an, das Infektionsschutzgesetz (IfSG) stehe für eine gesamtstaatliche Aufgabe, daher könnten die Kosten nicht allein den Kommunen auferlegt werden. Das RKI werde mit der Novelle gestärkt, die Basis eher geschwächt. Zu bedenken sei auch, dass der Meldepflicht schon bisher nur lückenhaft nachgekommen werde und dies bei einem erheblichen Datenzuwachs noch problematischer sein könnte. Eine Begrenzung des Zeitaufwandes würde zudem auf Kosten der Datenqualität gehen.
Auch die Deutsche Krankenhaus Gesellschaft (DKG) macht sich Sorgen über den „enormen Dokumentationsaufwand“ für die Kliniken wie auch die Gesundheitsämter. Die Bundesärztekammer (BÄK) sieht einen „erheblichen zeitlichen Mehraufwand“ auf die Mediziner zukommen, auch wenn nunmehr klargestellt worden sei, dass allen Meldepflichtigen eine kostenlose Internetplattform angeboten werde. Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) hält die bisherigen Aufwandsschätzungen ebenfalls für viel zu optimistisch.
Auch die beiden Einzelsachverständigen Anne Bunte und Gudrun Widders aus Gesundheitsämtern in Köln und Berlin machten in der Anhörung deutlich, dass infolge der Gesetzesänderung mit einem viel höheren Aufwand zu rechnen sei. Problematisch sei zudem, wenn die Meldungen künftig allein aus einem Datenpool genommen würden und persönliche Kontakte und Besuche bei Einrichtungen eingeschränkt würden oder ganz wegfielen. Bunte betonte, es gehe ja nicht nur darum, Daten zu generieren, sondern Sachverhalte richtig einzuschätzen. Auch Widders beklagte, die praktischen Erfordernisse würden zu wenig berücksichtigt.
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