Regierung: Missstände beim BND korrigiert
Berlin: (hib/WID) Die Bundesregierung geht nicht davon aus, dass der Bundesnachrichtendienst (BND) heute noch Ziele mit Bezug zu Partnerstaaten in EU- und Nato ausspäht. „Nach allem, was ich im Kontakt mit dem BND gesehen habe, kann ich das ausschließen“, versicherte der Geheimdienst-Beauftragte des Kanzleramtes, Staatssekretär Klaus-Dieter Fritsche, am Montag dem 1. Untersuchungsausschuss (NSA). Es seien mittlerweise Vorkehrungen getroffen worden, um die im Frühjahr 2015 festgestellten Defizite beim BND zu beheben. Fritsche betonte, dass die Verwendung fragwürdiger Suchmerkmale in der strategische Fernmeldeaufklärung des deutschen Auslandsgeheimdienstes seiner Ansicht nach keine bewusste Kompetenzüberschreitung darstellte.
Allerdings sei es wohl so gewesen, dass die zuständigen Mitarbeiter ihre Tätigkeit „nicht kritisch genug betrachtet“ hätten. Es habe unter ihnen offenbar die „Kultur“ geherrscht, „dass man vor dem Hintergrund des Auftragsprofils Selektoren eingesetzt hat, die man für richtig hielt“. Dabei sei der „Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht mitbedacht“ worden. Ein Problem sei wohl auch gewesen, dass Mitarbeiter in Außenstellen auf eigene Faust neue Suchmerkmale generiert hätten, ohne dies mit irgendjemandem abzusprechen. Als schließlich im Herbst 2013 in der zuständigen Abteilung Technische Aufklärung (TA) nach und nach ans Licht kam, dass sowohl die amerikanische National Security Agency (NSA) in der Abhöranlage in Bad Aibling als auch der BND selbst politisch fragwürdige Suchbegriffe eingesetzt hatten, sei offenbar nicht einmal der Abteilungsleiter eingeweiht worden.
Fritsche gab zu verstehen, dass dies seiner Ansicht nach nicht in böser Absicht geschehen sei: „Ich glaube nicht, dass man in der Abteilung was unter den Teppich kehren wollte.“ Vielmehr hätten die Beteiligten „gedacht, dass man in vielen Bereichen APB-konform“, also in Übereinstimmung mit dem Auftragsprofil handelte, das die Bundesregierung dem deutschen Auslandsgeheimdienst vorgeschrieben hat. So wurden, wie dem Ausschuss frühere Zeugen berichtet haben, Botschaften verbündeter Länder in Krisenregionen überwacht in der Hoffnung, über die jeweiligen Regionen etwas zu erfahren.
In seiner Vernehmung machte Fritsche deutlich, dass ein solches Vorgehen seiner Ansicht nach dem Gebot der Verhältnismäßigkeit nicht entspreche. Dies sei mittlerweile auch klargestellt. Das Problem sei eine „falsche Bewertung seitens der Mitarbeiter“ gewesen, „was APB-konform sein könnte“. In der Folge habe es daher beim BND „Umsetzungen, Versetzungen“, auch Einschnitte in „berufliche Karrieren“ gegeben, „aber keinen Grund zu disziplinarischen Maßnahmen“.
Fritsche erinnerte sich genau, wann er selber erstmals von fragwürdigen Abhörpraktiken beim BND erfahren hatte. Es war Freitag, der 13. März 2015. Er sei an diesem Tag nach Rückkehr von einer Auslandsreise telefonisch zu einer Besprechung ins Kanzleramt gebeten worden, wo von einer umfangreichen Liste politisch heikler NSA-Selektoren die Rede gewesen sei, die erstmals ausgedruckt vorlag. Kanzleramtschef Peter Altmaier (CDU) habe darauf hin entschieden, persönlich in der BND-Zentrale nach dem Rechten zu sehen. Von diesem Besuch in Pullach am 20. März 2015 berichtete Fritsche, er selber sei „überrascht“ gewesen, vor allem von der „Selbständigkeit, die einzelne Sachbearbeiter hatten“. Altmaier habe über die Zustände beim BND geäußert, „dass er sich sowas nicht vorstellen konnte“.
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