Faire Bedingungen in Textilindustrie
Berlin: (hib/PST) Der Nutzen europarechtlicher Vorgaben, um faire Produktionsbedingungen für Textilien durchzusetzen, wurde in einer öffentlichen Anhörung des Rechtsausschusses unterschiedlich beurteilt. Gegenstand war ein Antrag der Grünen (18/7881) „Kleidung fair produzieren - EU-Richtlinie für Transparenz- und Sorgfaltspflichten in der Textilproduktion schaffen“. Darin wird die Bundesregierung aufgefordert, sich bei der EU für den Erlass einer Richtlinie einzusetzen, die europäische Textilhändler und -hersteller auf die Beachtung menschen- und umweltfreundlicher Bedingungen in ihrer gesamten Lieferkette verpflichtet.
Diesem Anliegen konnte Uwe Mazura, Hauptgeschäftsführer des Gesamtverbandes der deutschen Textil- und Modeindustrie, nichts abgewinnen. Er verwies stattdessen auf das 2014 maßgeblich vom Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit Gerd Müller (CSU) ins Leben gerufene Textilbündnis, mit dem ein „sehr bemerkenswertes Werk entstanden“ sei. Dieses freiwillige Bündnis wolle „dazu beitragen, die Lebens- und Arbeitssituation der Menschen in den Produktionsländern zu verbessern“. Der sich abzeichnende Erfolg des Textilbündnisses, so die Befürchtung Mazuras, „würde konterkariert durch neue gesetzliche Regelungen“. Ein Nachweis fairer Bedingungen in der gesamten Lieferkette wäre von den meist kleinen bis mittelgroßen Hersteller allenfalls mit immensem Aufwand zu erbringen. Mazura verwies darauf, dass allein ein Herrenhemd mit seinen Bestandteilen bis zu 140 Stationen vom Baumwollbauern bis zum Verkaufstresen durchlaufe.
Ebenfalls ablehnend war die Stellungnahme von Johannes Merck, Direktor für Unternehmensverantwortung beim Handelskonzern Otto Group. Auch Merck pries „strategische Allianzen von Unternehmen“ als den erfolgversprechenderen Weg und plädierte dafür, „dem Textilbündnis eine Chance zu geben“. Ihm gegenüber hätte eine Erfüllung der mit dem Grünen-Antrag vorgeschlagenen Vorschriften einen „enorm hohen Aufwand“ und entsprechende Kosten zur Folge, wandte Merck ein. Eine Folge könne sein, dass Investitionen, wie sie sein Unternehmen gerade in Afrika tätige, unterblieben. Der Politik empfahl Merck, stattdessen „vorhandene Instrumente zu schärfen“. So könne die EU Produkte aus Ländern, in denen die Normen der Weltarbeitsorganisation ILO missachtet werden, mit Zöllen belegen.
Nicht ganz so negativ beurteilte Achim Lohrie, Direktor Unternehmensverantwortung bei Tchibo, den Antrag. Er glaube an einen „intelligenten Mix von Wettbewerb und Regulierung“, sagte Lohrie. Auch er sprach von den Vorzügen freiwilliger Bündnisse, und er wies darauf hin, dass die Lieferkette bei Textilien oft gar nicht vollständig nachverfolgt werden könne. Aber „ein fairer Wettbewerb braucht klare Regeln“ und bei Missachtung auch Sanktionen, fügte Lohrie an. „Ein ordnungspolitischer Rahmen ist wichtig für die Herstellung gleicher Wettbewerbsverhältnisse.“
Ein Ereignis in jüngerer Zeit, das die oft unmenschlichen Arbeitsbedingungen in der Textilindustrie vor aller Augen führte, war der tödliche Brand in einer Näherei in Pakistan, die für den Textilhändler Kik produzierte. Das European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR) in Berlin vertritt pakistanische Arbeiter in ihrer Klage gegen Kik. ECCHR-Mitarbeiterin Miriam Saage-Maaß erläuterte, dass sich die Klage vor allem auf einen Verstoß gegen die Sorgfaltspflicht durch Kik stütze. Ob sie damit in dem nach pakistanischem Recht geführten Verfahren Erfolg habe, sei aber unsicher. Gebraucht werde eine „gesetzliche Klärung, wie die Sorgfaltspflicht auszugestalten ist“, um den derzeitigen „Zustand der Unsicherheit“ zu beenden, forderte Saage-Maaß. Faire und nachhaltige Produktionsbedingungen dürften nicht allein davon abhängen, ob ein Unternehmen dem Textilbündnis beitritt, sondern müssten „für alle europäischen Hersteller und Händler verbindlich“ sein und „bei Nichteinhaltung die Klagemöglichkeit für Arbeitnehmer“ beinhalten.
Mitglied im Textilbündnis sind neben Unternehmen auch Nicht-Regierungs-Organisationen, darunter der Katholische Deutsche Frauenbund mit nach eigenen Angaben 180.000 Mitgliedern. Dessen Vizepräsidentin Sabine Slawik erklärte, dass ihre Organisation die Ziele des Grünen-Antrags grundsätzlich begrüße. Notwendig sei insbesondere eine „transparente Berichterstattung der Unternehmen über die Produktions- und Lieferbedingungen“. Skeptisch zeigte sich aber auch sie gegenüber der Forderung nach einer lückenlosen Rückverfolgung der Lieferkette. Sie sei vor allem von keinen und mittleren Unternehmen kaum zu leisten. Slawik nutzte die Anhörung auch, um zu fordern, die 2018 auslaufende staatliche Förderung des Textilbündnisses darüber hinaus fortzusetzen. „Das Textilbündnis kann ein großer Wurf werden“, sagte sie.
Auch Michael Windfuhr, stellvertretender Direktor des Deutschen Instituts für Menschenrechte, lobte den Ansatz des Textilbündnisses. Es bringe „Lernschritte für die Unternehmen“. Allerdings müsse die Kontrolle der Menschenrechte vor allem in den Produzentenländern selbst erfolgen. Viele dieser Länder trauten sich jedoch angesichts des harten Wettbewerbs auf dem Textilmarkt nicht, auf die Achtung der Menschenrechte zu pochen, andere seien auch nicht dazu willens. Eine verbindliche europäische Regelung, wie sie der Grünen-Antrag impliziert, könne ein „ganz anderes Signal in die Produzentenländer senden“, dass sie sich „bewegen“ müssen. Windfuhr wies auch darauf hin, dass es UN-Leitprinzipien und OECD-Leitsätze für faire Produktionsbedingungen gebe. Eine gesetzliche Regelung in der EU solle nicht von diesen Standards abweichen.
Frank Zach vom DGB-Bundesvorstand forderte, dass die EU über ihre Handelspolitik Druck auf Länder ausübt, in denen unfaire Produktionsbedingungen herrschen. Dazu sei im Antrag der Grünen nichts enthalten. Auch fragte er, warum sich dieser nur auf den Textilsektor bezieht. Beispielsweise gebe es bei der Herstellung von Elektronik-Produkten ähnlich katastrophale Bedingungen. „Skeptisch“ sei er, was den Weg über eine EU-Richtlinie angehe, sagte Zach. Bis sie erlassen und in nationales Recht umgesetzt sei, vergingen viele Jahre. Demgegenüber könne das Textilbündnis nach zwei Jahren schon „mit einem sehr guten Ergebnis“ aufwarten. Gleichwohl plädierte Zach für „verbindliche Vorgaben“, damit vorbildliche Unternehmen nicht „an die Grenzen ihrer Wettbewerbsfähigkeit“ gerieten. Er setze hier vor allem auf einen derzeit von Politik und Verbänden diskutierten Nationalen Aktionsplan.
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