Zeuge spricht von Defiziten beim BND
Berlin: (hib/wid) Als Konsequenz aus der Snowden-Affäre werden im Bundesnachrichtendienst (BND) die Regeln für den Einsatz von Suchmerkmalen, sogenannten Selektoren, in der strategischen Fernmeldeaufklärung grundsätzlich überdacht. „Wir werden das ganze System umstellen“, sagte der derzeitige Leiter der Abteilung Technische Aufklärung (TA), der Zeuge W.K.. bei seiner Vernehmung am Donnerstag dem 1. Untersuchungsausschuss (NSA). Über Einzelheiten der geplanten Umstellung könne er freilich nur in geheimer Sitzung Auskunft geben. Der 51-jährige BND-Mitarbeiter leitet die für Nachrichtengewinnung zuständige Unterabteilung T1, die unter anderem die organisatorische Betreuung der Außenstellen wahrnimmt. Seit Jahresanfang steht er zudem kommissarisch an der Spitze der gesamten Abteilung.
In seiner Befragung räumte W.K. ein, es habe in der Vergangenheit „wohl organisatorische Defizite“ beim BND gegeben. So sei bis zum Frühjahr 2015 weder ihm als Unterabteilungsleiter noch dem Präsidenten bekannt gewesen, dass in der gemeinsam mit der amerikanischen National Security Agency (NSA) betriebenen Abhöranlage in Bad Aibling auch zwölf Millionen NSA-Selektoren im Einsatz waren. Der Zeuge erinnerte sich noch genau, wann ihm dieser Umstand bewusst wurde: Es sei Freitag der 13. März 2015 gewesen, als im BND erstmals eine ausgedruckte Liste der NSA-Selektoren vorlag, die anderthalb Jahre zuvor ihrer politischen Brisanz wegen in Bad Aibling aussortiert worden waren.
Noch in seiner ersten Befragung durch den Ausschuss im 13. November 2014 hatte W.K. aus voller Überzeugung erklärt, eine solche Liste existiere nicht. Jetzt habe er seinen Samstag opfern müssen, um bereits 24 Stunden nach der Entdeckung in Berlin zur Berichterstattung „anzutreten“. Der Anlass, die ominöse Liste erstmals ausdrucken zu lassen, sei vermutlich ein Auskunftsbegehren des Untersuchungsausschusses gewesen. Auf die Frage, ob er ohne die Tätigkeit des Ausschusses womöglich bis heute ahnungslos geblieben wäre, entgegnete der Zeuge: „Im Moment sieht's danach aus.“
Wie viele BND-Mitarbeiter vor ihm bestätigte W.K., dass der Dienst bei der Überwachung von Datenverkehren bis vor wenigen Jahren lediglich darauf geachtet habe, dass ihm keine deutschen „Grundrechtsträger“ ins Netz gingen. Eine erfasste Kommunikation etwa aus einem Land des Mittleren Osten sei automatisch gelöscht worden und so den Auswertern gar nicht zur Kenntnis gelangt, wenn am anderen Ende ein Teilnehmer in Deutschland gesessen habe, gegen den keine Überwachungsanordnung bestand. Diese Praxis sei jahrzehntelang geübt worden. Die erste entsprechende Weisung datiere aus dem Jahr 1979. Es habe dazu auch regelmäßig Schulungen gegeben.
Dagegen seien „politische Risiken“ etwa von Suchmerkmalen, die sich gegen Botschaften von EU- oder Nato-Ländern richtete, nie zur Sprache gekommen. Dies habe sich erst Ende Oktober 2013 nach einer entsprechendem Weisung aus dem Kanzleramt geändert. Er selbst sei zugegen gewesen, als der damalige BND-Präsident Gerhard Schindler seinen Kollegen D.B. telefonisch informierte, dass ab sofort alle Selektoren mit EU- oder Nato-Bezug aus der Erfassung zu nehmen seien. Dass dies zunächst mündlich geschah, habe für die Dringlichkeit des Anliegens gesprochen. Erst im März und April 2014 hätten schriftliche Weisungen vorgelegen. Er selbst habe unmittelbar nach Schindlers Anruf die Außenstellen telefonisch verständigt und bis auf Bad Aibling auch alle erreicht. Bad Aibling sei am Tag danach von D.B. benachrichtigt worden.
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