Zeuge bestätigt Ausspähung von EU-Zielen
Berlin: (hib/wid) Vor dem 1. Untersuchungsausschuss (NSA) hat ein Mitarbeiter des Bundesnachrichtendienstes (BND) am Donnerstag bestätigt, Kenntnis von Abhörmaßnahmen gegen Ziele mit Bezug zu verbündeten und befreundeten Staaten besessen zu haben. Der Zeuge T.P. ist seit 2007 in der Außenstelle Rheinhausen tätig, einem Horchposten nahe Freiburg, von wo aus vor allem satellitenbasierte Datenverkehre überwacht werden. Er war hier bis 2011 im Bereich Systemunterstützung eingesetzt und ist seither als Sachgebietsleiter „Produktion“ unter anderem für Nachrichtenbearbeitung zuständig. Derzeit nimmt T.P. nach eigenen Worten auch die Funktion des Dienststellenleiters wahr.
Anders als in der bayerischen Außenstelle Bad Aibling hat die amerikanische National Security Agency (NSA) in Rheinhausen keinen Fuß in der Tür. Er wisse das zu schätzen, gab T.P. den Abgeordneten zu verstehen. Die Kooperation mit einem fremden Nachrichtendienst bringe unvermeidlich „Mehraufwand“ mit sich: „Es würde das Leben etwas schwerer machen.“ Rund die Hälfte der Selektoren, die bei der Fernmeldeüberwachung in Rheinhausen zum Einsatz kommen, sei in der Außenstelle selber generiert worden aus Resultaten laufender Abhörmaßnahmen. Die andere Hälfte werde aus der Zentrale in Pullach zugeliefert: „Wir kriegen auch Aufträge, da sind die Selektoren schon dran.“ Woher solche Aufträge kommen, sei in der Dienststelle nicht bekannt, berichtete der Zeuge und fügte auf Nachfrage nach kurzer Beratung mit seinem Anwalt hinzu: „Da waren auch Aufträge dabei mit EU-Bezug.“
In der ersten Jahreshälfte 2014 seien in Rheinhausen die gegen befreundete Ziele gerichteten Suchmerkmale aus dem Verkehr gezogen worden. Im April jenes Jahres entstand in der Zentrale eine entsprechende schriftliche Weisung aus der Feder des Abteilungsleiters Technische Aufklärung Hartmut Pauland. Sie habe Rheinhausen durch ein Versehen mit Verspätung erst im Juni erreicht. Die Außenstelle in Südbaden habe zunächst nicht auf dem Verteiler gestanden. Man sei dort aber vorgewarnt gewesen: „Uns war klar, wo die Reise hinführte.“ Einige Monate zuvor nämlich, etwa Ende 2013, sei der Außenstelle ein Weisungsentwurf des Unterabteilungsleiters D.B. mit der Bitte um Rückäußerung zugegangen.
Gewünscht worden sei ein sachkundiges Urteil aus Rheinhausen zu den möglichen Folgen der Umsetzung einer solchen Weisung, vor allem der Frage, in welchem Maße ein „Einbruch in der Erfassung“ zu erwarten sei. Nach einigen Diskussionen sei in der Außenstelle bereits vor Eintreffen der definitiven Weisung begonnen worden, politisch fragwürdige Suchmerkmale zu deaktivieren, berichtete der Zeuge. Er stellte klar, dass es in der Datenbank des BND nicht möglich sei, Selektoren komplett zu löschen. Man könne sie allenfalls mit einem Ungültigkeitsvermerk versehen.
Seit Sommer 2014 ist der gesamte Selektorenbestand des BND in einer zentralen Datenbank gespeichert. Wie der Zeuge berichtete, waren bis dahin die einzelnen Sachbearbeiter in den Außenstellen recht autonom in der Gestaltung ihrer Lauschprogramme: „Jeder Nachrichtenbearbeiter konnte den Selektor einstellen, von dem er meinte, dass er relevante Informationen liefern wird.“ Er habe als Sachgruppenleiter bei der Lektüre der ausgehenden Meldungen zwar auch von den genutzten Selektoren Kenntnis genommen, ihren Einsatz aber nicht zu genehmigen gehabt: „Bei Eigensteuerung musste nicht nachgefragt werden. Es gab keine Kontrollinstanz.“
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