Fernstraßengesetz ist umstritten
Berlin: (hib/HAU) Der von der Bundesregierung vorgelegte Gesetzentwurf zur Novellierung des Fernstraßenausbaugesetzes (18/9523) wird von Experten unterschiedlich bewertet. Das wurde während einer öffentlichen Anhörung des Verkehrsausschusses am Mittwoch deutlich. Der Entwurf listet die Aus- und Neubauprojekte bei Bundesautobahnen und Bundesfernstraßen sowie deren Priorität auf, die im Rahmen des Bundesverkehrswegeplans 2030 (BVWP) (18/9350) umgesetzt werden sollen.
Sowohl der BVWP als auch das Ausführungsgesetz für den Straßenbereich sind aus Sicht des Vereins Pro Mobilität sehr positiv zu bewerten. Wie im BVWP vorgesehen setze das Ausführungsgesetz einen Schwerpunkt bei großräumig wirkenden Vorhaben. Dies zeige sich auch daran, dass 69 Prozent der Investitionen für Autobahnen und 31 Prozent für Bundesstraßen geplant seien, sagte Vereinsvertreter Stefan Gerwens. Der größte Teil des Verkehrswachstums habe in der jüngeren Vergangenheit schließlich auf der Autobahn stattgefunden, sagte Gerwens. Autobahnen hätten jedoch auch deshalb einen hohen Stellenwert, weil die Staulängen in den letzten Jahren deutlich zugenommen hätten. „Von daher ist es sehr sinnvoll den Schwerpunkt auch auf das Thema Engpassbeseitigung zu legen“, sagte der Experte.
Henryk Bolik von der Ingenieurgruppe IVV, die an der Erstellung des BVWP beteiligt war, gab vor den Abgeordneten Auskünfte über die Methodik der Bewertung von Straßenbauprojekten. Untersucht würden die verkehrlichen Wirkungen des Projektes sowie sein möglicher Nutzen. Eine entscheidende Rolle spielten dabei die Faktoren Fahrleistung, Fahrzeiten und Unfallrisiko. Wichtig für die Qualitätssicherung bei der Bewertung, so Bolik, sei auch die geschaffene Transparenz „Alle Verfahrensschritte sind öffentlich dokumentiert worden und waren einsehbar“, sagte er. Weiter sagte der Verkehrsforscher, im Verlauf der Bewertung eines Projektes „werden keine Alternativen untersucht“. Optimistisch zeigte er sich was die Zukunftsfähigkeit der Planungen angeht. Wenn alle Maßnahmen zur Engpassbeseitigung realisiert würden könne die Hälfte des derzeitigen Staus aufgelöst werden.
Kritik am Berechnungsverfahren für den Nutzen/Kosten-Faktor übte Tobias Schönefeld vom Verkehrsplanungsbüro SVU Dresden. Der Nutzen aus Zeitgewinn habe bei der Berechnung eine dominierende Rolle gespielt, sagte Schönefeld. Bei der Bevölkerung vor Ort spielten hingegen Nutzen für die Umwelt, Entlastung von Lärm und Schadstoffen und die Verbesserung der örtlichen Rahmenbedingungen eine wichtigere Rolle. Der Verkehrsplaner wies zudem daraufhin, dass beispielsweise im Bundesland Sachsen bei einer Vielzahl realisierter Projekte im Bundesstraßen- und Autobahnnetz die im Vorfeld getroffenen Prognosen deutlich über dem tatsächlichen Verkehrsaufkommen gelegen hätten. Daher sei die Betrachtung eines zusätzlichen Grundszenarios zu empfehlen.
„Gravierende methodische Mängel“ des Verfahrens kritisierte auch Verkehrsgutachter Wulf Hahn vom Unternehmen RegioConsult. Der sehr hoch angesetzte Nutzen der Reisezeitverkürzung führe - wie schon bei bisherigen Bedarfsplänen - zu einer Bevorteilung der Straße gegenüber der Schiene. Umweltnutzen, die durch die Verlagerung auf ein Schienenprojekt entstehen könnten, seien hingegen auch bei diesem BVWP relativ niedrig angesetzt worden. Hahn bemängelte zudem, dass Alternativenprüfungen teilweise gar nicht oder auf der Grundlage veralteter Daten durchgeführt worden seien. Außerdem sei in vielen Fällen der Flächenverbrauch nicht richtig berechnet worden. Für das Projekt des Ausbaus der A20 sei beispielsweise ein Flächenverbrauch angenommen worden, der genau dem Straßenquerschnitt entspreche. Nicht berücksichtigt seien aber sämtliche Nebenanlagen.
Die Nutzen/Kosten-Analyse sei kein guter Parameter für einen Entscheidung unter dem Blickwinkel der Nachhaltigkeit, bemängelte Hilmar von Lojewski vom Deutschen Städtetag. Der Kommunalvertreter sagte außerdem, das Kriterium der städtebaulichen Auswirkung sei zwar verbal gestärkt worden. „Im Ergebnis sehen wir das aber nicht“, fügte er hinzu. Vielmehr sei eine Abschottung gegenüber regionaler Planung zu erkennen. Es gebe Beispiele im Ausführungsgesetz, wo genau das Gegenteil dessen, was man auf kommunaler Ebene geplant hat, umgesetzt werden soll, sagte Lojewski und forderte, miteinander in den Diskurs zu treten.
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