Experten bemängeln Ungleichbehandlung
Berlin: (hib/HAU) Der Bundesverkehrswegeplan 2030 (BVWP) (18/9350) sorgt nach Ansicht von Experten für eine Ungleichbehandlung von Straßen- und Schienenprojekten zum Nachteil der Schiene. Während einer Anhörung des Verkehrsausschusses am Montagnachmittag zur geplanten Novellierung des Bundesschienenwegeausbaugesetzes (18/9524) gab es Kritik an der Systematik der Ermittlung des Nutzen-Kosten Faktors, der Herausnahme von Projekten des Schienenpersonennahverkehrs (SPNV) aus dem BVWP und der hohen Zahl an Projekten, die lediglich der Kategorie „Potenzieller Bedarf“ zugeordnet wurden.
Dirk Flege vom Verein Allianz pro Schiene wies daraufhin, dass im Bereich der Straße unter anderen durch die sehr starke Berücksichtigung des Themas Reisezeit „offenbar alles über den benötigten Nutzen-Kosten Faktor eins gesprungen ist“. Bei der Schiene hätten hingegen selbst im Grunde unumstrittene Projekte wie der Rhein-Ruhr Express (RRX) Schwierigkeiten, den Faktor zu erreichen. „Hier muss man nochmal an die Methodik ran, weil das dem Verkehrsträger Schiene nicht gerecht wird“, sagte er. Auch die „Warte-Kategorie Potenzieller Bedarf“ kritisierte er. Zumindest sämtliche Knotenmaßnahmen und Maßnahmen für das „740-Meter Netz“ für Güterzüge müssten in den vordringlichen Bedarf verschoben werden, fordert Flege.
Eine konsequentere Schwerpunktsetzung der Vorhaben zugunsten der Schiene wäre auch aus Sicht von Martin Henke vom Verband Deutscher Verkehrsunternehmen wünschenswert. Der Ausbau des 740-Meter Netzes für lange Güterzüge sollte auch nach Ansicht Henkes ebenso wie der Ausbau von Knoten in den vordringlichen Bedarf übernommen werden. Mit Blick auf die Herausnahme von Nachverkehrsprojekten der Schiene aus dem Bundesschienenwegeausbaugesetz verwies Henke auf das Regionalisierungsgesetz, das den Ländern die Verantwortung für den SPNV zugestehe. Insbesondere bei Mischverkehren sollte sich aber der Bund stärker einbringen, forderte Henke.
Überrascht darüber, in welch großem Umfang der Bund SPNV-Projekte aus dem BVWP herausnehmen wolle, zeigte sich Thomas Kiel, Vertreter von Ländern und Kommunen. „Ich gehe also davon aus, dass die Verfassung geändert wird und dass wir demnächst auch Länderschienenverkehrsprojekte haben“, sagte er. Die „kommunale Familie“, so Kiel, sei auch von den Plänen betroffen, da sie in drei Bundesländern über Verbünde unmittelbar an der Finanzierung des SPNV beteiligt sei.
Vor einer Unterfinanzierung der vorgesehenen Maßnahmen insbesondere für den Knotenausbau und die Elektrifizierung warnte Peter Westenberger vom Netzwerk Europäische Eisenbahnen. Zusammen mit den absehbar höheren Kosten für den Lärmschutz würde so der notwendige Netzausbau behindert werden. Was die Kategorie „Potenzieller Bedarf“ angeht, so forderte er, dass die darin enthaltenen Maßnahmen nach fünf Jahren ohne erneute Entscheidung automatisch in den vordringlichen Bereich aufrücken müssten.
Verkehrsunternehmen müssten gewinnbringend arbeiten können, sagte Professor Thomas Siefer von der Technischen Universität Braunschweig. Auch vor diesem Hintergrund sei der Ausbau des 740-Meter Netzes wichtig. Ebenso aber auch Trassenpreise, „die in das Gesamtangebot passen müssen“. Gelinge das, könne das Gesetz dazu beitragen, mehr Güterverkehr auf die Schiene zu verlagern, sagte Siefer.
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