Chancengleichheit im Wissenschaftssystem
Berlin: (hib/HAU) Bei den Bemühungen um Geschlechtergerechtigkeit im Wissenschaftssystem gab es in den vergangenen Jahren Fortschritte. Das Tempo der Entwicklung ist aber noch zu gering. In dieser Einschätzung waren sich die zu einer öffentlichen Anhörung im Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung am Mittwoch geladenen Sachverständigen einig. Ob Sanktionen der richtige Weg sind, um zu einem höheren Frauenanteil zu gelangen, blieb hingegen umstritten.
Der Bund verfügt aus Sicht von Jutta Dalhoff, Leiterin des GESIS-Bereichs Kompetenzzentrum Frauen in Wissenschaft und Forschung (CEWS), durchaus über Stellschrauben zur Schärfung der Instrumente der Gleichstellung. Beim Pakt für Forschung und Innovation beispielsweise zeigten die Monitoringberichte zur Gleichstellung der vergangenen Jahre deutlich, was verändert werden müsste. Konsequenzen daraus würden aber nicht gezogen. Der Bund könne hier bei den außeruniversitären Forschungseinrichtungen als größter Mittelgeber durchaus Einfluss nehmen, befand Dalhoff. Eingehend auf das Professorinnenprogramm, das aus ihrer Sicht „modifiziert weitergeführt werden sollte“, forderte sie, Bund und Länder müssten in ihren Förderrichtlinien mehr Verbindlichkeit schaffen. Verbindlichkeit dahingehend, dass die Hochschulen verpflichtet werden, dass durch das Professorinnenprogramm veränderte Gerüst auch mit eigenen Mitteln aufrechtzuerhalten.
Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) als Drittmittelgeber sieht sich nicht als Instrument, politische Zielsetzungen mittels Sanktionen durchzusetzen, betonte DFG-Präsident Peter Strohschneider. „Wir sind eine forschungsfördernde und nicht eine forschungsnötigende Organisation“, sagte er. Strohschneider macht zugleich deutlich, dass Gleichstellung aus Sicht der DFG „Mittel zum Zweck bester Forschung ist und nicht andersherum“. Als genderfeindlich bezeichnet der DFG-Präsident den quantitativen Wettbewerbs- und Beschleunigungsdruck. Wenn sich die Beurteilung nach quantitativen Parametern - wie etwa der Zahl der Veröffentlichungen - richte statt nach qualitativen Parametern, gehe das zu Lasten der Frauen, sagte Strohschneider.
Für mehr Entschleunigung sprach sich auch Professor Ulrike Beisiegel, Präsidentin der Georg-August-Universität Göttingen, aus. „Wir brauchen weniger quantitative und mehr qualitative Parameter“, forderte sie. Um mehr Frauen in den Wissenschaftsbereich zu bekommen, so Beisiegel, brauche es „ständige Ermunterungen im Alltag an allen Stellen“. Gleichstellung müsse Führungsaufgabe werden, forderte sie. Kritik übte sie daran, dass in vielen Bereichen des Managements die Ergebnisse der Geschlechterforschung noch nicht berücksichtigt würden. Mit Blick auf das Professorinnenprogramm und die Feststellung, dass nur ein Drittel der deutschen Hochschulen daran teilnehmen würden, sagte die Universitätspräsidentin, das habe auch damit zu tun, dass das Programm schwierig umzusetzen sei. Gleichwohl sei es sehr wichtig und habe schon viel gebracht.
Für Universitäten und große Hochschulen sei es leichter als etwa für Fachhochschulen, sich für das Professorinnenprogramm zu bewerben, lautete der Erklärungsansatz von Anneliese Niehoff, Vorstandsmitglied der Bundeskonferenz der Frauen- und Gleichstellungsbeauftragten an Hochschulen. Außerdem sei die Konfinanzierung des Programms seitens der Länder „sehr unterschiedlich gelagert“. Niehoff nannte das Professorinnenprogramm dennoch sehr bedeutsam für den Kulturwandel „auch wenn es den Aufwuchs von knapp ein Prozent an Professorinnen möglicherweise auch so gegeben hätte“. Sie schlug vor, die Mittel für das Programm zu erhöhen und getrennte Töpfe für verschiedene Hochschultypen einzurichten.
Förderrichtlinien auf Familienplanung auszurichten, forderte Franziska Broer, Geschäftsführerin der Helmholtz-Gemeinschaft. Elementar für Gewinnen und Halten der talentierten Wissenschaftlerinnen werde in Zukunft die Kombination von Rekrutierung und Individualförderung einerseits und einer Förderung der institutionellen Weiterentwicklung der Organisationen zu attraktiven Arbeitgebern andererseits sein, sagte Broer.
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