Klinische Studien in der DDR
Berlin: (hib/PK) Die Kontakte zwischen Pharmafirmen im Westen und medizinischen Forschungseinrichtungen in der DDR sind auch in den Jahren des Kalten Krieges nie abgebrochen. Das machte der Medizinhistoriker Volker Hess am Mittwoch im Gesundheitsausschuss deutlich, wo er die Ergebnisse des Forschungsprojektes „Klinische Arzneimittelforschung in der DDR, 1961-1989“ vorstellte.
Westliche Pharmafirmen haben auch in den Jahrzehnten nach dem Mauerbau regelmäßig Arzneimittelstudien in der DDR in Auftrag gegeben. In dem Forschungsbericht ist von Hinweisen auf bis zu 900 klinische Studien seit 1961 die Rede, 321 waren es in den 80er Jahren. Es wurden Aufträge von 75 Firmen aus 16 westlichen Ländern nachgewiesen.
Anders als in der Öffentlichkeit zunächst vermutet, hat es dabei wohl keine systematischen Rechtsverstöße oder Verstöße gegen ethische Standards gegeben. Allerdings ist unklar, ob die Probanden umfassend oder nur formal über die jeweilige Studie aufgeklärt worden sind.
Die Wissenschaftler konnten bei ihrer Forschung auf eine breite Materialbasis zurückgreifen. Ausgewertet wurden Unterlagen von Pharmafirmen, Behörden in der DDR, darunter das Ministerium für Staatssicherheit, das immer einbezogen war, Universitätskliniken wie die Charité in Berlin, Bezirkskrankenhäuser und ehemalige Probanden.
Die Westfirmen vergaben die Aufträge an die DDR, weil die Studien dort schnell und effizient unter staatlicher Kontrolle zu verwertbaren Ergebnissen führten. Das sei sozusagen „alte Schule“ in einem totalitären System gewesen. Hinweise darauf, dass dabei von Standards abgewichen wurde, hätten sich nicht gezeigt. Die Studienstandards seien „zeitgemäß“ gewesen, sagte Hess. Es habe „keine DDR-spezifischen Auffälligkeiten“ gegeben.
Das Interesse der DDR bestand darin, dringend benötigte Devisen zu erwirtschaften. Anfang der 1980er Jahre wurden die Krankenhäuser in der DDR explizit dazu aufgefordert, „immaterielle Leistungen“ zu erbringen, die an westliche Firmen verkauft werden konnten. Das INEX-Programm (Immaterieller Export), das von 1982 bis 1990 lief, hatte das Ziel, westlichen Firmen das Gesundheitssystem der DDR für die Forschung zur Verfügung zu stellen.
Hess sagte im Ausschuss, unabhängig von den Arzneimittelstudien sei Menschen in den Kliniken der DDR offensichtlich auch Leid angetan worden. Er sehe hier Handlungsbedarf, um den Opfern noch im Nachhinein zu helfen, etwa über eine Beratungsstelle. Er sprach sich auch dafür aus, die Krankenakten bis 1990 aus der DDR in Archiven zu sichern und bestimmte Firmenunterlagen öffentlich zu machen.
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