Berlin: (hib/PST) Bei einer öffentlichen Anhörung des Rechtsausschusses zur Vergütung geistigen Eigentums sind unterschiedliche Interessen deutlich zutage getreten. Gegenstand war der Entwurf eines Bundesgesetzes (18/7223), mit dem eine Richtlinie der EU zur Harmonisierung des Rechtsrahmens von Verwertungsgesellschaften in nationales Recht umgesetzt werden soll. Mit dem Gesetz soll zudem die Geräte- und Speichermedienvergütung neu geregelt werden, mit der beim Verkauf beispielsweise von Kopiergeräten und Speichersticks pauschal Gebühren an die Verwertungsgesellschaften abgeführt werden, die dann an Urheber, etwa Autoren oder Komponisten, weiterverteilt werden.
Da es immer wieder Schwierigkeiten gibt, diese Vergütung einzutreiben, sieht der Gesetzentwurf eine Sicherheitsleistung vor, die von den Herstellern zu hinterlegen ist. Rechtsanwalt Stefan Laun als gemeinsamer Vertreter von drei Verbänden der Geräteindustrie griff diese Regelung scharf an. Sie sei systemfremd und zudem zu unbestimmt. Zudem sei der Forderungsausfall „die absolute Ausnahme“ und keinesfalls die Regel. Immerhin hätten sich die Einnahmen der Verwertungsgesellschaften aus den betroffenen Produkten innerhalb weniger Jahre auf fast 300 Millionen Euro verdoppelt.
Dagegen sind aus Sicht der Zentralstelle für private Überspielungsrechte (ZPÜ), über die neun Verwertungsgesellschaften gemeinsam ihre Interessen gegenüber der Geräteindustrie vertreten, die „vorgesehenen gesetzlichen Bestimmungen grundsätzlich geeignet“. ZPÜ-Gesellschaftervertreter Jürgen Becker appellierte an den Gesetzgeber, die Verwertungsgesellschaften und damit die Rechteinhaber gegenüber der „Verhandlungsmacht der teils multinationalen Rechtenutzer“ zu stärken.
Gerhard Pfennig, Sprecher der Initiative Urheberrecht, in der mehr als 35 Verbände und Gewerkschaften zusammengeschlossen sind, pflichtete dem bei. Er gab zu bedenken, dass die wirtschaftlichen Probleme vieler Rechteinhaber größer seien als die der Industrie. Demgegenüber wies der Berliner Rechtsanwalt Oliver Poche, dessen Kanzlei nach eigenen Angaben sowohl Urheber als auch Online-Unternehmen vertritt, auf die Lage insbesondere von Start-Up-Firmen hin. Die verlangte Hinterlegung einer Sicherheitsleistung für längere Zeiträume könne für sie zu einer „Markteintrittshürde“ werden.
Der Marburger Medienrechtler Georgios Gounalakis forderte, die Kulturförderung durch die Verwertungsgesellschaften aus dem Gesetzentwurf zu streichen. Deren Aufgabe sei es allein, Gebühren bei den Rechtenutzern einzutreiben und an die Rechteinhaber in voller Höhe auszuschütten. Dies sei auch die beste Form der Kulturförderung. Derzeit gebe die für Musiker-Rechte zuständige GEMA 3,4 Prozent ihrer Einnahmen für Kulturförderung aus, die für Schriftsteller, Journalisten und Verleger zuständige VG-Wort sogar 3,7 Prozent. Vertreter der Verwertungsgesellschaften und der Urheber wiesen dies einhellig zurück. So verwies Pfennig darauf, dass die Urheber selbst bei den Mitgliederversammlungen über diese Mittelverwendung entschieden. Die kulturelle und auch soziale Förderung der Verwertungsgesellschaften sei „Ausdruck der Sozialpflichtigkeit auch des geistigen Eigentums“, sagte Pfennig.
Eine große Rolle spielte in der Anhörung das sogenannte Reprobel-Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 12. November 2015, demzufolge die Zahlung von Urheberrechtsvergütungen an Verleger nicht vom europäischen Recht gedeckt ist. Dieses Urteil hatte bereits den Bundesrat veranlasst, in seiner Stellungnahme zu dem Gesetzentwurf (18/7453) die Bundesregierung aufzufordern, sich auf europäischer Ebene für eine Festschreibung dieses Verlegerrechts einzusetzen. Dazu wandte Robert Staats, Geschäftsführer der Verwertungsgesellschaft Wort (VG-Wort) ein, dass eine europarechtliche Klärung lange dauere. Die EuGH-Entscheidung lasse aber auch eine Festschreibung der Verleger-Ansprüche im nationalen Recht zu. Dazu forderte er die Abgeordneten auf.
Verschiedene Einwände betrafen die Regelungen über die innere Demokratie der Verwertungsgesellschaften. Tobias Holzmüller, Chefjustitiar der GEMA, nannte es problematisch, dass neben der persönlichen Anwesenheit in der Mitgliederversammlung auch die elektronische Abstimmung ermöglicht werden soll. Die elektronischen Abstimmungssysteme seien derzeit noch zu anfällig für Fehler oder Manipulationen, wandte Holzmüller ein. Michael Weller, Verwaltungsrat der Cultural Commons Collecting Society (C3S), schlug eine Kann-Vorschrift zur elektronischen Stimmrechtswahrnehmung anstelle des geplanten Zwangs vor. Zudem könne analog zum Aktiengesetz festgelegt werden, dass eine technische Störung während des Abstimmungsvorgangs kein Anfechtungsgrund ist.
Eine Stimmengewichtung bei Mitgliederversammlungen zu erlauben forderte René Houareau, Vertreter des Bundesverbands Musikindustrie, einem der Träger der Gesellschaft zur Verwertung von Leistungsschutzrechten (GVL). Große Rechteinhaber, welche die wirtschaftliche Basis einer Verwertungsgesellschaft darstellten, könnten sonst von einer Mehrzahl wirtschaftlich weniger bedeutender Rechteinhaber majorisiert werden. Verwertungsgesellschaften müssten die Möglichkeit bekommen, dies zu verhindern.
Gegen den im Gesetz vorgesehenen Aufnahmezwang von Rechteinhabern in eine Verwertungsgesellschaft wandte sich Meinhard Starostik, Verwaltungsratsvorsitzender der C3S, welche die Zulassung als Verwertungsgesellschaft anstrebt. Die C3S wolle nur originäre Urheber als Mitglieder, nicht Erben oder Verleger, um zu verhindern, dass diese die eigentlichen Urheber dominierten, erklärte Starostik.
Als Sachverständige geladen war auch Anne Algermissen vom Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA), die sich aber selbst nicht in dieser Rolle sehen wollte. Denn als für die Verwertungsgesellschaften zuständige Abteilungsleiterin sei sie selbst an der Erstellung des Gesetzentwurfs beteiligt gewesen. Algermissen ging deshalb nicht auf Einzelheiten ein, hob aber hervor, dass das neue Gesetz die Aufgaben der Verwertungsgesellschaften sehr viel konkreter regeln würde als bisher. Dies würde auch die Aufsicht durch ihre Behörde effektiver machen.