„Politische Bedeutung“ im Fall Netzpolitik
Berlin: (hib/SCR) Nach Ansicht der Bundesregierung haben die inzwischen eingestellten Ermittlungen gegen zwei Journalisten des Blogs Netzpolitik.org wegen Landesverrats erst durch die Diskussion in den Medien „politische Bedeutung“ erlangt. Dies geht aus einer Antwort (18/5859) auf eine Kleine Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen (18/5739) hervor. Die Abgeordneten hatten unter anderem Auskunft darüber verlangt, wann und wie Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) über die Strafanzeigen des Bundesamts für Verfassungsschutz (BfV) informiert wurde. Anlass für die insgesamt drei Strafanzeigen gegen unbekannt waren Veröffentlichungen von als Verschlusssachen eingestuften Dokumente auf Netzpolitik.org und in der „Süddeutschen Zeitung“ (SZ).
Laut Darstellung der Bundesregierung ist der Minister erst nach Bekanntwerden der Ermittlungen gegen die beiden Journalisten Ende Juli über den Vorgang informiert worden. In Hinblick auf die Veröffentlichung bei Netzpolitik.org vom 25. Februar 2015 und 15. April 2015 habe das BfV jeweils die zuständige Fachabteilung und die Sicherheitsstaatssekretärin des Bundesinnenministeriums (BMI) über die Absicht informiert, Anzeige zu stellen. Über die am 9. Juni 2015 eingereichte Anzeige gegen unbekannt im Zuge einer Veröffentlichung in der SZ sei die Sicherheitsstaatssekretärin am 16. Juni informiert worden.
Zur Einordnung der Anzeigen vor dem Bekanntwerden der Ermittlungen schreibt die Bundesregierung, dass Gegenstand der Unterrichtungen an das BMI die Absicht gewesen sei, „einen offenkundig strafbaren Sachverhalt (Weitergabe von Verschlusssachen an Medien) zur Anzeige zu bringen und dadurch die Strafverfolgungsbehörden in der rechtsstaatlichen Wahrnehmung ihrer Aufgaben, die unabhängig von der Anzeige bestehen, zu unterstützen“. Weiter heißt es, die „gebotene Strafverfolgung des Täters beziehungsweise der Täter hat erst durch die Mediendiskussion eine politische Bedeutung erlangt, die zudem eine Unterrichtung des Ministers persönlich veranlasste“.
Das Bundeskanzleramt sei weder von den Beteiligten im BMI noch im Bundesjustizministerium in der Angelegenheit kontaktiert worden. In Hinblick auf die von den Grünen-Abgeordneten aufgeworfene Frage, ob dies aufgrund der politischen Bedeutsamkeit der Angelegenheit nicht gemäß Gemeinsamer Geschäftsordnung der Bundesministerien hätte geschehen müssen, verweist die Bundesregierung darauf, dass die Einschätzung der Bedeutsamkeit im Einzelfall den Ministerien obliege. Mitarbeiter des Bundeskanzleramts seien am 21. April „am Rande einer Besprechung“ vom Präsidenten des BfV über die ersten beiden Anzeigen in „allgemeiner Form“ informiert worden. Weitere Einzelheiten über den Gesamtvorgang seien dem Bundeskanzleramt vor den Presseveröffentlichungen vom 30. Juli 2015 nicht bekannt gewesen.
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