Keine Kenntnisse über US-Wirtschaftsspionage
Berlin: (hib/wid) Die Bundesregierung hat nach den Worten des Geheimdienstkoordinators im Kanzleramt, Günter Heiß, keine Erkenntnisse über Wirtschaftsspionage amerikanischer Nachrichtendienste in Deutschland. Vor dem 1. Untersuchungsausschuss („NSA“) machte Heiß am Donnerstag deutlich, dass auch aktuelle Medienberichte über eine umfassende Ausspähung deutscher Regierungsstellen durch die National Security Agency (NSA) an dieser Einschätzung nichts änderten. Der frühere niedersächsische Verwaltungsrichter Heiß leitet seit dem 14. Dezember 2009 die Abteilung 6 im Kanzleramt, die über den Bundesnachrichtendienst (BND) die Rechts-, Dienst- und Fachaufsicht führt sowie die Geheimdienste des Bundes koordiniert. Er war zuvor seit 2007 Präsident des Landesamtes für Verfassungsschutz in Niedersachsen.
Unter Wirtschaftsspionage sei der Diebstahl geistigen Eigentums durch einen staatlichen Geheimdienst zur Erlangung von Wettbewerbsvorteilen für die Industrie des eigenen Landes zu verstehen, belehrte Heiß den Ausschuss. Es gebe keine Belege dafür, dass US-Dienste in diesem Sinne in der Bundesrepublik tätig seien. Es sei auch glaubhaft, wenn die Amerikaner dies stets verneinten, weil ein Geheimdienst in einer marktwirtschaftlichen Ordnung „riesige kartellrechtliche Probleme“ bekäme, wollte er einzelne Unternehmen zum Nachteil anderer mit vertraulichen Informationen über die internationale Konkurrenz ausstatten. Geheimdienste aus Ländern mit erheblichem Staatseinfluss auf die Wirtschaft wie China oder Russland seien in dieser Hinsicht schon eher verdächtig.
Von Wirtschaftsspionage im eigentlichen Sinne abzugrenzen seien geheimdienstliche Aktivitäten gegen Unternehmen mit dem Ziel, der Verbreitung von Massenvernichtungsmitteln entgegenzuwirken. Auch dass die NSA, wie jetzt durch Medienberichte bekannt wurde, offenbar 2011 ein Telefonat der Kanzlerin zur Griechenlandkrise abhörte und in Berlin auch das Finanzministerium überwacht haben soll, gehört für Heiß in den Bereich der politischen, nicht der Wirtschaftsspionage. Diese Definition sei nicht seine Einzelmeinung, sondern „Konsens“. Auf wiederholte Fragen, ob er vor den Enthüllungen durch Edward Snowden und jüngst durch WikiLeaks Hinweise auf „Übergriffigkeit“ oder politische Spionage durch US-Dienste gehabt habe, antwortete Heiß: „Nein, daran kann ich mich nicht erinnern.“
Heiß erklärte, in seiner Zuständigkeit für die Dienst- und Fachaufsicht über den BND wäre er zwar „theoretisch“ in der Lage, alles zu kontrollieren, „in der Praxis“ sei das aber nicht der Fall: „Das Verwaltungsbild eines demokratischen Rechtsstaates ist nicht das der totalen Kontrolle.“ Dass in der Kooperation zwischen BND und NSA bei der Überwachung des satellitengestützten Datenverkehrs in Bad Aibling offenbar auch Suchbegriffe eine Rolle spielten, deren Verwendung durch das Kooperationsabkommen von 2002 nicht gedeckt war, sei ihm wie anderen Zuständigen in Kanzleramt und BND-Spitze erst im März dieses Jahres bewusst geworden.
Auch Heiß betonte wie vor ihm bereits andere Zeugen, dass er nach einer Besprechung führender deutscher und amerikanischer Geheimdienstler am 5. August 2013 in Washington die Aussichten auf eine Vereinbarung über einen gegenseitigen Spionageverzicht „außerordentlich positiv“ beurteilt habe. Der Begriff „No-Spy-Abkommen“ sei sogar von amerikanischer Seite ins Gespräch gebracht worden. Dies habe ihm ein Kollege berichtet; selber habe er daran keine Erinnerung: „Damals haben wir diese Chance sehr real gesehen und mussten sie auch ergreifen.“ Bei einem Besuch im Weißen Haus Ende Oktober sei ihm klar geworden, dass die US-Regierung nicht interessiert war.
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