Zweifel an Ziercke bleiben
Berlin: (hib/PST) Neue Zeugenaussagen vor dem 2. Untersuchungsausschuss am Donnerstag, 19. März, konnten die Zweifel nicht ausräumen, ob der ehemalige Präsident des Bundeskriminalamtes (BKA), Jörg Ziercke, bei seiner Aussage im Januar die volle Wahrheit gesagt hat. Offen bleibt vor allem, wann genau und von wem Ziercke über den Kinderporno-Verdacht gegen den damaligen SPD-Abgeordneten Sebastian Edathy unterrichtet wurde, sowie wann und wie oft er über den Fall mit dem heutigen SPD-Fraktionsvorsitzenden Thomas Oppermann telefoniert hat. Dagegen fanden Fragen zum Umgang des BKA mit einem leitenden Mitarbeiter, der wegen desselben Vergehens angeklagt worden war, plausibel erscheinende Antworten.
Nach dem Kenntnisstand des Untersuchungsausschusses hat eine Sachbearbeiterin des BKA am 15. Oktober 2013 um 15.21 Uhr von einer örtlichen Polizeidienststelle erfahren, dass es sich bei dem Sebastian Edathy, dessen Namen sie zur Überprüfung der Identität übermittelt hatte, um einen Bundestagsabgeordneten handelt. Die Polizistin hat daraufhin umgehend ihre Vorgesetzten informiert. Ex-Amtsleiter Ziercke hatte am 15. Januar vor dem Ausschuss ausgesagt, er habe an diesem 15. Oktober um 15.45 Uhr durch einen Anruf der zuständigen Abteilungsleiterin von dem Verdacht gegen Edathy erfahren. Nicht hinzugefügt hatte er, dass er sich zu diesem Zeitpunkt auf Dienstreise in Spanien befand und die genannte Abteilungsleiterin dabei war. Diese, Dr. Sabine Vogt, sagte am 4. März aus, sie sei etwa um die genannte Zeit von dem ihr unterstellten Gruppenleiter Dieter Schiffels telefonisch vom Verdacht gegen eine „politisch prominente Person“ unterrichtet worden und habe dies umgehend Ziercke mitgeteilt. Den Namen Edathy habe sie, wegen der unsicheren Handyverbindung ins Ausland, erst nach der Landung in Frankfurt am Abend erfahren.
Mitglieder des Untersuchungsausschusses hatten deshalb vermutet, BKA-Vizepräsident Peter Henzler, den Schiffels gleich nach Vogt von dem Verdacht unterrichtet hatte, könnte Ziercke angerufen und ihm den Namen mitgeteilt haben. Das hat Henzler jetzt als Zeuge vor dem Ausschuss klar zurückgewiesen. Er habe darüber bis zum nächsten Vormittag mit niemandem gesprochen, auch nicht mit Ziercke. Henzlers Erklärung für die widersprüchlichen Aussagen: „Falsche Erinnerung der Beteiligten, einschließlich Ziercke“. Auch der Leiter des Leitungsstabs im BKA, Heiko Braß, scheidet nach dessen Aussage vor dem Ausschuss als Informant Zierckes aus. Nach seiner Erinnerung habe er erst am 16. Oktober von dem Verdacht gegen Edathy erfahren, und zwar durch eine schriftliche Führungsinformation der ermittelnden Beamten, die über seinen Schreibtisch ging.
Zur Frage, ob es neben dem von beiden bestätigten Telefonat zwischen Ziercke und Oppermann am 17. Oktober 2013 ein weiteres Gespräch am 13. Februar 2014 gegeben hatte, haben die Abgeordneten vor Sitzungsbeginn eine schriftliche Erklärung des Stellvertreters von Braß, Hans-Joachim Leon, erhalten. Darin schreibt er, eine Mitarbeiterin des SPD-Fraktionsvorsitzenden habe ihn am Abend des 12. Februar auf seinem Bereitschaftshandy erreicht und gesagt, Oppermann wolle mit Ziercke sprechen. Er habe sich daraufhin eine Rückrufnummer geben lassen und Ziercke per SMS über den Wunsch informiert. Ziercke habe aber nicht zurückgerufen. Warum dann einige Wochen später im Entwurf eines Sprechzettels für Ziercke für dessen Aussage vor dem Innenausschuss ein solches Gespräch unter dem 13. Februar vermerkt war, verbunden mit dem Vermerk „Pr (Präsident) bitte ergänzen“, erklärte Henzler dem Ausschuss so: Es sei den Verfassern des Entwurfs nicht klar gewesen, ob es einen Rückruf gegeben hat, weshalb sie ihn zum Zweck der Klärung in den Entwurf aufgenommen hätten.
An diesem 13. Februar 2014, drei Tage nach der Hausdurchsuchung bei Edathy, erschien kurz vor 12 Uhr eine Presseerklärung Oppermanns, in der er schreibt, Ziercke habe ihm in einem Telefonat am 17. Oktober den Verdacht gegen Edathy bestätigt. Ziercke antwortete darauf mit einer Presseerklärung, der zufolge Oppermann ihm in diesem Telefonat seine Informationen über Edathy geschildert, er aber nichts bestätigt, sondern geschwiegen habe. Stabsleiter Heiko Braß berichtete dem Ausschuss nun, Ziercke habe ihn am Morgen des 13. Februar in der Berliner Dienststelle des BKA über den Kontaktversuch Oppermanns vom Vorabend informiert. Dabei habe er, Braß, erstmals von dem Anruf Oppermanns bei Ziercke am 17. Oktober erfahren. Nach 11, aber vor 12 Uhr sei Ziercke dann in der Bundesdruckerei eingetroffen, wo an diesem Tag eine Abteilungsleiter-Besprechung angesetzt war. Noch vor Sitzungsbeginn habe Ziercke dann im kleinen Kreis anhand einer Vorlage seiner Pressestelle über die Antwort auf Oppermanns Presseerklärung diskutiert. Diese Aussage warf bei den Ausschussmitgliedern die Frage auf, ob Ziercke schon vorab Kenntnis vom Inhalt der Erklärung Oppermanns hatte. Als Zeuge in der nächsten Ausschusssitzung am 25. März wird Ziercke Gelegenheit haben, darauf zu antworten.
In den letzten Wochen und Monaten war es im 2. Untersuchungsausschuss auch immer wieder um den „Beamten X“ gegangen, einen leitenden Mitarbeiter des BKA, der schon lange vor Edathy im selben Kinderporno-Großverfahren in Verdacht geraten und, anders als Edathy, auch für schuldig befunden worden war. Nach Abschluss des Gerichtsverfahrens war gegen ihn eine sehr milde erscheinende Disziplinarmaßnahme ergangen. Nun erfuhren die Abgeordneten in einer nichtöffentlichen Vernehmung des Beamten X mehr über die Begleitumstände des Falls. In der anschließenden Vernehmung von BKA-Vizepräsident Henzler sowie dem im Bundesinnenministerium für das Verfahren zuständigen Abteilungsleiter Paul Fietz machten diese deutlich, dass die ergriffene Disziplinarmaßnahme durchaus angemessen gewesen sei. Dies wurde von den Ausschussmitgliedern, wie ihren Nachfragen zu entnehmen war, im Wesentlichen so akzeptiert.
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