Umstrittene Ausschüttungspraxis der Verwertungsgesellschaften
Berlin: (hib/KOS) Nach den Auswirkungen eines Urteils des in Luxemburg ansässigen Europäischen Gerichtshofs (EuGH) auf die Ausschüttungspraxis deutscher Verwertungsgesellschaften erkundigt sich die Linke in einer Kleinen Anfrage (17/13798). Über diverse Detailfragen will die Fraktion erfahren, was die Regierung tut, um im Sinne des EuGH Urhebern zu einer besseren Vergütung ihrer Ansprüche gegenüber den Verwertungsgesellschaften zu verhelfen. Die Luxemburger EU-Instanz habe im Februar 2012 geurteilt, betont die Linke, dass das europäische Urheberrecht gesetzliche Vergütungsansprüche dem „originären Rechteinhaber“ zugestehe. In der Anfrage werden Zweifel geäußert, ob die Verwertungsgesellschaften diesen EU-Vorgaben gerecht werden.
Die Fraktion verweist auf ein Münchner Urteil vom Mai 2012, das die Klage eines Urhebers gegen die VG Wort zu dessen Gunsten entschieden hat. Derzeit wird dieser Fall in zweiter Instanz verhandelt. Der Beschwerdeführer wehrt sich laut Kleiner Anfrage dagegen, dass die VG Wort von den ihm zustehenden Vergütungen die Hälfte zugunsten von Verlegern abziehe.
Bisher sieht die Vergütungspraxis der VG Wort nach deren Auskunft im Kern so aus: Publiziert ein Autor in einer Zeitung oder in einem Buch einen Beitrag, so werden die im Falle einer Zweitverwertung dieses Textes von der VG Wort eingezogenen Gelder nach einem bestimmten Schlüssel auf den Verfasser und auf den jeweiligen Verlag verteilt, der den Text zuerst veröffentlicht hat. Der Kläger beim Münchner Prozess, ein Richter und Autor, will nun erreichen, dass die betreffenden Einnahmen der VG Wort allein den Verfassern zufließen. Dies würde nur dann nicht gelten, wenn ein Autor Wiederverwertungsrechte an seinem Text an den jeweiligen Verlag abgetreten hat.
Nach Angaben der Linken ist in Berlin ein ähnlicher Rechtsstreit anhängig. In diesem Fall kritisiere ein Komponist, dass die GEMA zwischen 33 und 40 Prozent der aus Urheberrechten resultierenden Vergütungsansprüche an Musikverlage ausschütte. Der Kläger wolle erreichen, so die Fraktion, dass diese an die Verlage fließenden Gelder künftig an Komponisten und Textdichter ausbezahlt werden, da urheberrechtliche Vergütungen nur ihnen zustünden.
In der Anfrage wird moniert, dass das Patent- und Markenamt als Aufsichtsbehörde der Verwertungsgesellschaften bislang nicht aktiv geworden sei. Im September 2012 habe die Regierung lediglich mitgeteilt, das Patentamt prüfe, ob die Rechtsprechung des EU-Gerichts hierzulande Konsequenzen habe. Die Fraktion will nun wissen, wie die Behörde auf der Basis ihrer Prüfung die Ausschüttungspraxis der Verwertungsgesellschaften beurteile. An die Regierung richtet sich die Frage, wie sie ihrerseits die bisherige Regelung bewerte, nach der Vergütungen, die laut EU-Recht den originären Inhabern von Urheberrechten zukommen müssten, zum Teil Verlagen überwiesen werden.
Sollte der Münchner Streitfall letztinstanzlich zugunsten des Klägers entschieden werden, kämen auf die VG Wort zusätzliche Kostenbelastungen zu, sofern den betreffenden Urhebern jene Vergütungen rückwirkend für drei Jahre nachträglich ausbezahlt werden müssten, die bislang an Verlage geflossen sind. Die Linke möchte nun von der Regierung erfahren, ob sichergestellt sei, dass die Urheber die fraglichen Summen auch tatsächlich erhalten. Zudem soll die Regierung mitteilen, welche Verwertungsgesellschaften für diese Eventualität Rücklagen gebildet hätten. Aus Sicht der Linken darf im Falle eines gerichtlichen Siegs der Kläger zur Abdeckung der Ansprüche von Urhebern nicht das Geld anderer Wahrnehmungsberechtigter bei den Verwertungsgesellschaften herangezogen werden.
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