Wochenzeitung „Das Parlament“ - Wirtschaftspolitiker der Union, Mario Czaja, im Interview: „Das verstärkt die Unsicherheit in unserem Land“
Vorabmeldung zu einem Interview in der nächsten Ausgabe der Wochenzeitung „Das Parlament“ (Erscheinungstag 16. Dezember 2023)
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Die Grundsatzeinigung der Regierungsspitze über den Bundeshaushalt 2024 macht auf den CDU-Wirtschaftspolitiker Mario Czaja den Eindruck einer „großen Mogelpackung“: „Es ist eine Reihe von Einzelmaßnahmen, aber es ist keine Linie zu erkennen“ sagte der Abgeordnete im Interview der Wochenzeitung „Das Parlament“. Das vorzeitige Auslaufen der Kaufprämie für Elektroautos nannte Czaja ein neues Beispiel für die Sprunghaftigkeit dieser Regierung. Dies „verstärkt die Unsicherheit in unserem Land“. Wichtig für den Erhalt von Arbeitsplätzen sei vor allem Planungssicherheit für die Unternehmen, erklärte Czaja. Dazu gehöre unter anderem ein günstiger Industriestrompreis, „ein Versprechen von Olaf Scholz, das bislang nicht eingehalten wurde“.
Das Interview im Wortlaut:
Das Parlament: Herr Czaja, vor einem Monat, am 15. November, hat das Bundesverfassungsgericht die Verlagerung von Kreditermächtigungen über 60 Milliarden Euro in den Klima- und Transformationsfonds (KTF) für unzulässig erklärt. In Magdeburg und Dresden, wo mit Subventionen aus diesem Fonds hochmoderne Chipfabriken gebaut werden sollen, dürfte man in diesem Moment die Luft angehalten haben. Nun hat sich die Koalition auf Korrekturen am Haushalt geeinigt und Wirtschaftsminister Habeck hat angekündigt, dass durch das Karlsruher Urteil entstandene Lücken im KTF geschlossen würden. Ist damit die klimaneutrale Transformation der deutschen Wirtschaft abgesichert?
Mario Czaja: Zunächst einmal muss ich hier daran erinnern, dass der Haushalt auf viel Trickserei aufgebaut war. Das Verfassungsgericht hat nun folgerichtig festgestellt, dass der Haushalt dieser Regierung nicht nur verfassungswidrig, sondern nichtig ist. Das hat es so in der Geschichte noch nicht gegeben. Darauf hatten im Vorfeld viele Experten und auch wir hingewiesen. Das Zweite ist: Die Steuereinnahmen sind so hoch wie noch nie. Der Bundeshaushalt verfügt über deutlich mehr Milliarden, als die vergangenen Regierungen jemals zur Verfügung hatten. Der Bundesfinanzminister weist ja immer darauf hin, dass Bund, Länder und Gemeinden fast 1.000 Milliarden Euro Steuereinnahmen haben und man mit diesem Geld klarkommen muss. Das zeigt, wir haben kein Einnahmen- sondern ein Ausgabenproblem. Mit dem Geld, das man hat, muss man auskommen und Prioritäten setzen. Und die Priorität muss sein, in die Zukunftsfähigkeit unseres Landes zu investieren.
Das Parlament: Und diese Prioritäten sind Ihrer Meinung nach mit dem, was die Koalition jetzt vorgelegt hat, nicht richtig gesetzt?
Mario Czaja: Eindeutig nein, es ist eine Reihe von Einzelmaßnahmen, aber es ist keine Linie zu erkennen. Aufgabe der Regierung und auch des Haushaltsgesetzgebers ist es, Prioritäten und Nachrangigkeiten zu benennen. Es geht hier nicht um 60 Milliarden Euro für ein Jahr, sondern um die Finanzplanung für die nächsten Jahre. Der Bundesfinanzminister hat von 17 Milliarden Euro für das nächste Jahr gesprochen, für die an anderer Stelle Einsparungen erfolgen müssen. Bei einem Haushaltsvolumen 2024 von über 450 Milliarden Euro. Wir glauben, dass das möglich ist, und haben einige konkrete Beispiele genannt, etwa die geplante Erhöhung des Bürgergeldes nicht vorzunehmen, noch nicht anerkannte Asylbewerber über das Sachleistungsprinzip zu finanzieren oder eben nicht 5.000 neue Stellen zu schaffen, nur um die Kindergrundsicherung über ein aufgeblähtes bürokratisches Konstrukt auszuzahlen. Und um auf die Eingangsfrage zu antworten: Es ist möglich, in die Transformation der Wirtschaft zu investieren. Das bedarf dann aber auch der Haushaltsdisziplin an anderen Stellen.
Das Parlament: Nun haben Bundeskanzler und Wirtschaftsminister betont, dass die Mittel, die für den KTF vorgesehen waren, ersetzt werden können und die vorgesehenen Subventionen etwa für die Chipfabriken oder die klimaneutrale Stahlerzeugung auf jeden Fall vorhanden sind.
Mario Czaja: Scholz und Habeck bestätigen nur das, was wir in der Vergangenheit zum Ausdruck gebracht haben, dass natürlich solche Investitionen aus dem Kernhaushalt zu finanzieren sind, aber eben auch so sauber und transparent, dass man sich nicht heute schon heimlich darauf verständigt, in naher Zukunft die Notlage auszurufen. Die jetzige Einigung deutet eher darauf hin, dass es sich um eine große Mogelpackung handelt, die die drei Regierungspartner miteinander verabredet haben.
Das Parlament: Der KTF verfügt ja bisher auch schon über Eigenmittel aus dem CO2-Preis. Dieser soll nun stärker steigen, und zwar auf die Höhe, die die Koalition von Union und SPD ursprünglich bereits geplant hatte. Ist das denn ein vernünftiger Ansatz?
Mario Czaja: Es ist ein richtiger Ansatz, marktwirtschaftliche Instrumente anzuwenden. Dazu gehört der CO2-Preis. Wir haben das in der Vergangenheit immer wieder zum Ausdruck gebracht. Der CO2-Preis ist genau das richtige Instrument, um diese Transformation zu gestalten und diejenigen zu belohnen, die durch Investitionen in die Transformation diese schneller hinbekommen. Aber die Ampel hat auch hier Chaos geschaffen und beschädigt damit dieses Instrument.
Das Parlament: Der Zuschuss für den Kauf von Elektroautos soll nun schneller als bisher vorgesehen abgeschafft werden. Das dürfte bei der deutschen Autoindustrie, die ohnehin bereits unter Druck steht, sicher keine Freudensprünge auslösen.
Mario Czaja: Das Problem dieser Bundesregierung ist, dass an unterschiedlichen Stellen die Planungssicherheit einfach nicht gegeben ist. Sie sehen, dass etwa bei KfW-Förderungen in kürzester Zeit, teils schon nach wenigen Stunden, die Fördertöpfe leer sind. Solche Strohfeuer tragen dazu bei, dass es eine hohe Verunsicherung gibt. Was Sie ansprechen, ist ein neues Beispiel für diese Sprunghaftigkeit und es verstärkt die Unsicherheit in unserem Land.
Das Parlament: Als Bundeskanzler Scholz Anfang der Woche in einem Stahlwerk im Saarland verkündete, dass die Subventionen für klimafreundlichen Stahl gesichert seien, war der Jubel groß. Aber dann kam gleich der Hinweis aus der Belegschaft, dass man ohne günstigen Industriestrompreis dennoch langfristig nicht wettbewerbsfähig sei.
Mario Czaja: Die Belegschaft war erneut deutlich schlauer als die Bundesregierung. Denn natürlich ist es auch erforderlich, dass wir wettbewerbsfähige Strompreise haben. Es wäre beispielsweise dringend erforderlich gewesen, den günstigen Atomstrom nicht vorzeitig abzuschalten, sondern die zuletzt noch produzierenden Kraftwerke bis mindestens Ende 2024 am Netz zu behalten. Und es ist erforderlich, dass wir einen günstigen Industriestrompreis haben. Hier gab es ein Versprechen von Olaf Scholz, das bislang nicht eingehalten wurde.
Das Parlament: Die Subventionen, die etwa für klimaneutrale Stahlwerke oder für Chipfabriken vorgesehen sind, entsprechen ja nicht der reinen marktwirtschaftlichen Lehre. Aber sind sie nötig, um eine Deindustrialisierung zu verhindern?
Mario Czaja: Es ist notwendig, der deutschen Industrie bei diesem Transformationsprozess zu helfen, damit die Arbeitsplätze in unserem Land erhalten bleiben und die internationale Wettbewerbsfähigkeit nicht mutwillig zerstört wird. Dazu gehört ein günstiger Strompreis und dazu können auch Subventionen an den richtigen Stellen beitragen. Dazu gehört aber eben auch Planungssicherheit für die Unternehmen. Denn ohne Planungssicherheit führen Subventionen, da sie nur kurzfristig Probleme überwinden, nicht dazu, dass die Industrie erhalten bleibt. Das ist es, was uns aktuell Sorgen bereitet.
Das Parlament: Bei der Vorstellung der Haushaltseinigung hat Finanzminister Lindner betont, dass die Mittel für das Wachstumschancengesetz, also die steuerliche Entlastung von Unternehmen, im Haushalt erhalten geblieben seien. Und er hat Ihre Fraktion zur Zusammenarbeit für das anstehende Vermittlungsverfahren mit dem Bundesrat aufgerufen. Nun haben ja die Landesregierungen das Gesetz vor allem deswegen im Bundesrat abgelehnt, weil sie mehr Kompensation für Steuerausfälle fordern. Ist denn da eine Einigung überhaupt denkbar?
Mario Czaja: Die Opposition kann man nicht nur dann ansprechen, wenn man eigene Unzulänglichkeiten überwinden muss. Ich kann nur dazu raten, die Vorschläge der Opposition ernst zu nehmen, denn wir haben dazu substanzielle Vorschläge auf den Tisch gelegt. Wir fordern schon lange einen spürbaren Abbau der Bürokratie, schnellere Planungs- und Genehmigungsverfahren und ein wettbewerbsfähiges Unternehmenssteuerrecht. All das ist mit Olaf Scholz nicht zu machen. Das war schon in der letzten Legislaturperiode eine schwere Bürde.
Das Gespräch führte Peter Stützle.
Mario Czaja hat seinen Wahlkreis in Berlin-Marzahn-Hellersdorf.
Der Wirtschaftspolitiker war bis Juli 2023 Generalsekretär seiner Partei.