„Müssen einfach starten“ - Lisa Badum (Bündnis90/Grüne im Interview mit der Wochenzeitung „Das Parlament“
Vorabmeldung zu einem Interview in der nächsten Ausgabe der Wochenzeitung „Das Parlament“ (Erscheinungstag 30. Mai 2023)
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Trotz der abgesagten ersten Lesung des Gebäudeenergiegesetzes hält die Energieexpertin der Grünen Lisa Badum einen Abschluss der parlamentarischen Beratung vor der Sommerpause für möglich und zeigt sich gesprächsbereit. „Noch ist das Zeitfenster offen“, sagte die Obfrau ihrer Fraktion im Ausschuss für Klimaschutz und Energie. Die Grünen seien „dazu bereit, über inhaltliche Details zu sprechen, die vielleicht änderungswürdig sind“, erklärte Badum. „Dafür sind wir absolut offen.“ Die rote Linie sei „an dem Punkt, wo man einfach befördern will, weiterhin Gasheizungen einzubauen“.
Der FDP sei es bei ihrer Absage „weniger um Inhalte“ gegangen, sonst hätte sie „ihre berühmten 101 Fragen“ längst in die parlamentarischen Beratungen einbringen können, sagte Badum im Interview der Wochenzeitung DAS PARLAMENT. Nach ihrem Eindruck gehe es der FDP „nur um eine allgemeine Profilierung“.
Das Interview im Wortlaut:
Das Parlament: Wie wichtig ist der Bereich der Gebäudeheizung, um die deutschen und europäischen Klimaziele zu erreichen?
Badum: Vierzig Prozent des CO2-Ausstoßes gehen auf Gebäude zurück. Deswegen müssen wir da etwas machen, wenn wir die Klimaziele erreichen wollen. Dazu kommt, dass die Investitionszyklen hier extrem lang sind. Heizungen haben eine Lebensdauer von rund 30 Jahren. Dadurch haben wir auch eine sehr viel längere Umstellungsdauer als in anderen Sektoren, und bisher ist vergleichsweise wenig passiert. Deshalb ist die Dringlichkeit hier besonders hoch.
Das Parlament: Nun ist es einfacher, den Diesel durch ein Elektroauto zu ersetzen, als die fossile Heizung durch eine klimafreundliche. Eine Bekannte mit einem Reihenhaus, die ihre kaputte Gasheizung durch eine Wärmepumpe ersetzen will, sucht gerade verzweifelt jemanden, der ihr vor dem nächsten Winter eine einbaut. Wollen Sie also mit dem Gebäudeenergiegesetz etwas, das so auf die Schnelle gar nicht umsetzbar ist?
Badum: Zunächst, wer eine funktionierende Heizung hat, kann sie natürlich behalten. Bei einer irreparabel kaputten Heizung wie in Ihrem Beispiel muss man auch nicht übermorgen eine Wärmepumpe einbauen, sondern für eine Übergangsfrist von drei Jahren kann auch nochmals eine Gasheizung eingebaut werden. Wir gehen davon aus, dass sich bis dahin ein Markt für gebrauchte Gasheizungen entwickelt. Wer von seiner Stadt die Zusage hat, in den nächsten zehn Jahren an ein Fernwärmenetz angeschlossen zu werden, muss in der Zeit auch keine Wärmepumpe einbauen. Wir müssen einfach einmal starten, um eine Bewegung in Gang zu setzen.
Das Parlament: Wie soll dieser Start dann aussehen?
Badum: Wir hatten in den letzten Jahren viele Kommunen, die ihre Fernwärmenetze ausbauen wollten und Leute gesucht haben, die sich anschließen lassen. Die mussten die Anschlüsse teilweise wie Sauerbier anbieten, weil Leute mit einer billigen Öl- oder Gasheizung sich gefragt haben, warum sie das Risiko eingehen und sich an ein Fernwärmenetz anzuschließen sollten. Die Netze werden aber umso wirtschaftlicher, je mehr Menschen in einem kurzen Kilometerabstand dran hängen. Dies ist nur ein Beispiel, wie man durch einen Impuls eine Bewegung in Gang setzt. Wenn dieser Start aber nie kommt, schafft man auch nie die Umkehr zu einem erneuerbaren System. Dieser Startpunkt ist nun unter anderem das Gebäudeenergiegesetz, aber auch andere Gesetze.
Das Parlament: Allerdings hat selten ein Gesetzentwurf so viel Verunsicherung in der Bevölkerung hervorgerufen wie dieser. Kann es sein, dass diese weithin negative Resonanz die FDP-Fraktion veranlasst hat, die Reißleine zu ziehen?
Badum: Mein Eindruck ist, dass es der FDP weniger um Inhalte geht, denn die kann man ja im parlamentarischen Verfahren besprechen. Die Berichterstattergespräche laufen immer so ab, dass man Fragen ans Ministerium einbringt; ihre berühmten 101 Fragen hätte die FDP also längst einbringen können. Das ist aber nicht passiert, sondern die sind nur an die Medien weitergegeben worden. Deswegen habe ich den Eindruck, es geht ihr nur um eine allgemeine Profilierung. Allerdings hätte das Gebäudeenergiegesetz von der Regierung sicherlich besser kommuniziert werden können. Das hat man vielleicht unterschätzt. Aber was dazukommt, sind die massiven Falschinformation, die auch gezielt gestreut wurden von, ich kann es nicht anders sagen, der Gaslobby. Wenn wir uns die Eigentumsverhältnisse bei „Bild“ anschauen oder auch sehen, wo die Union all die Jahre gestanden hat mit ihren Lobby-Kontakten, dann ist recht offensichtlich, dass hier auch die fossile Lobby versucht, das Gesetz zu verhindern.
Das Parlament: Wie sehr hat Sie das Vorgehen der FDP überrascht, und wie stark belastet es das Klima in der Koalition?
Badum: Das Vorgehen ist schon ziemlich einzigartig. Wenn ein Gesetz im Koalitionsvertrag steht, in einem Koalitionsausschuss geeint ist, im nächsten Koalitionsausschuss geeint ist und schließlich im Kabinett verabschiedet, dann eine Aufsetzung im Bundestag zu verweigern, ist sehr unüblich. Wie gesagt, ein parlamentarisches Verfahren ist ja gerade dafür da, noch offene inhaltliche Fragen zu klären. Insofern ist das ein schwieriges Vorgehen. Wir würden uns aber auch wünschen, dass der Kanzler sich einschaltet und zur Ordnung ruft. Ich glaube, da sind jetzt alle drei Parteien gefordert. Wir Grüne sind dazu bereit, über inhaltliche Details zu sprechen, die vielleicht änderungswürdig sind. Dafür sind wir absolut offen. Die rote Linie ist an dem Punkt, wo man einfach befördern will, weiterhin Gasheizungen einzubauen. Das ist nicht Zweck des Gesetzes.
Das Parlament: Bedeutet das, dass die Forderung aus der FDP, Gasheizungen zuzulassen, sofern sie auf Wasserstoffbetrieb vorbereitet sind, bei Ihnen nicht auf Gegenliebe stößt?
Badum: Man müsste in dem Fall genau festhalten, wer die Verantwortung dafür trägt, dass ein Wasserstoffanschluss für den Kunden später möglich ist. Sollen das die Stadtwerke garantieren, oder vielleicht die Bundesregierung? Und am Ende des Tages ist auch keinem Bürger geholfen, wenn es zwar eine Verantwortungszuschreibung gibt, er aber trotzdem auf einer Gasheizung sitzen bleibt, weil kein Wasserstoff ins Haus kommt. Das ist sehr tricky. Wer gute Ideen hat, wie man das umsetzen kann, wir sind dafür offen. Ich habe aber leider noch keine gehört.
Das Parlament: An welchen Stellen ist es denn in Ihren Augen möglich, durch Änderungen am Gesetzentwurf auf die Sorgen und Ängste in der Bevölkerung einzugehen?
Badum: Wir haben ja den Vorschlag gemacht, dass wir bei der Förderung von Wärmepumpen und anderen Optionen mit mindestens 65 Prozent Erneuerbaren bis auf 80 Prozent der Investitionssumme hochgehen, wenn es sich um Menschen mit niedrigen Einkommen handelt. Dann sind weitere Punkte in der Diskussion wie die Altersgrenze von 80 Jahren, wofür sich vor allem die SPD stark macht. Da kann man sicherlich darüber reden, wie man das anders aufstellt.
Das Parlament: Der Klimaforscher Ottmar Edenhofer stellt den vorgelegten Gesetzentwurf grundsätzlich in Frage und setzt auf eine schrittweise Erhöhung der Brennstoffpreise über den Emissionshandel, um die Bürger zum Umstieg auf klimafreundliche Heizungen zu veranlassen. Warum schlagen Sie diesen Weg nicht ein?
Badum: Wir haben tatsächlich für Deutschland schon einen CO2-Preis in Verkehr und Wärme, das wissen die Wenigsten. Der ist momentan bei 30 Euro pro Tonne. Dieser CO2-Preis kann bei der Wärmewende die Unterstützung liefern, da er steigt und es damit immer attraktiver wird, zu investieren. Aber dass alleine der Preis den Einbau lenkt, ist nicht möglich, weil man dafür extrem hohe CO2-Preise ansetzen müsste. Ich habe von Herrn Edenhofer oder der CDU noch nicht gehört, wie hoch dieser Preis dann sein müsste. Für eine schrittweise Umstellung brauchen die Leute Planungssicherheit und gesetzliche Grundlagen, und deswegen kann der CO2-Preis hier nur unterstützend wirken. Als einziges Instrument wäre er sehr unsozial. Es würde heißen, dass ab einem bestimmten Tag alle, die noch eine Gas- oder Ölheizung haben, extrem hohe Preise zahlen müssten.
Das Parlament: Halten Sie es trotz der jetzt eingetretenen Verzögerung noch für möglich, wie geplant vor der Sommerpause das Gebäudeenergiegesetz durch den Bundestag zu bringen?
Badum: Stand jetzt ist es noch möglich, wir müssen aber auch wirklich jetzt ins Laufen kommen. Noch ist das Zeitfenster offen, und wir sind weiter der Meinung, dass Beschlüsse und Vereinbarungen auch gelten sollten.