Gemeinsame Erklärung nach Besuch des Rechtsausschusses in Albanien und Kosovo
Eine Delegation des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz besuchte vom 28. Oktober bis 2. November 2018 Albanien und Kosovo. In Albanien verschaffte sie sich Einblicke in albanische Reformbestrebungen im Bereich Justiz und Bekämpfung von Korruption und organisierter Kriminalität. Die Abgeordneten trafen in Albanien u.a. mit Ministerpräsident Edi Rama, den Ministern für Justiz sowie Europa und Auswärtige Angelegenheiten sowie mit Parlamentariern zusammen. Sie interessierten sich auch für das Zusammenleben verschiedener Ethnien in Albanien und trafen dafür Vertreter der Religionsgemeinschaften des Landes.
Im Anschluss an diese Gespräche erklären Mitglieder der Delegation:
„Albanien ist ein Land in der Mitte Europas, dessen berechtigte Erwartung und Hoffnung, bald Beitrittsverhandlungen mit der EU führen zu können, wir überall zu spüren bekommen haben.
Wir begrüßen den “Vetting-Prozess„, durch den in Korruption verstricktes Justizpersonal sein Amt verliert. Er bildet einen ersten Schritt, dem Instrumente zur Bekämpfung von Korruption im Bereich der Politik und Polizei folgen sollten. Ebenso würde es zur Akzeptanz des politischen Systems beitragen, wenn die Beteiligung aktiver Politiker an der früheren Terrorherrschaft offen gelegt würde. Nachbesserungsbedarf bei der Korruptionsvermeidung sehen wir noch im Bereich der Übertragung von Vermögenswerten wie Grundstücken und Gesellschaftsanteilen, insbesondere hinsichtlich der notariellen Kontrolle.
Die “Magistratenschule„ (die albanische Aus- und Fortbildungseinrichtung für Justizbedienstete) leistet einen wichtigen Beitrag zum Aufbau einer unabhängigen Justiz. Dazu trägt auch die deutliche Erhöhung der Richterbesoldung ab 2019 bei. Wichtig ist im Übrigen, dass die Aufnahme in die Magistratenschule nach objektiven Kriterien erfolgt. Wir unterstützen die Bemühungen, Online-Kommentare nach Vorbild der deutschen Kommentartradition als verlässliche und allgemein zugängliche Dokumentation des geltenden albanischen Rechts zu schaffen. Beispielhaft für die Region ist das gegenseitige Verständnis und friedliche Miteinander der verschiedenen in Albanien vertretenen Religionsgemeinschaften.
Regierungs- und Oppositionsparteien tragen gemeinsam Verantwortung dafür, die Voraussetzungen für die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen mit der EU zu schaffen.“
Anschließend ist die Delegation nach Kosovo gereist, um sich ein Bild vom Stand der Stabilisierung der innenpolitischen Lage zu machen. Auf dem Programm stehen Gespräche u.a. mit Premierminister Ramush Haradinaj, mit Parlamentariern und Vertretern der EU-Institutionen im Land.
Dazu erklären Mitglieder der Delegation:
„Deutschland genießt große Sympathie im Kosovo. Das war die Botschaft, die uns bei unseren Gesprächen an aller erster Stelle erreichte. Zahlreiche unserer Gesprächspartner – der Vizepräsident, der Parlamentspräsident und die Vorsitzende des EU-Ausschusses – sprachen fließend deutsch. Viele Kosovaren waren während des Balkankrieges als Flüchtlinge in Deutschland und sind inzwischen in ihre Heimat zurückgekehrt. Sie sind Deutschland deshalb nicht nur in großer Dankbarkeit verbunden, sondern bilden auch eine kulturelle und sprachliche Brücke zu uns, die es zu nutzen gilt. Das zeigt sich auch darin, dass man ursprünglich als Landeswährung erst die deutsche Mark einführte und nun der Euro als Zahlungsmittel genutzt wird, in bestätigtem Vertrauen auf die Stabilitätspolitik der EZB.
Aktuell alles überragendes Thema war die Visaliberalisierung. Die Sorge, dass die Türkei als einzig größeres Land, das visafrei erreichbar ist, ihren Einfluss ausbauen könnte, haben wir zu spüren bekommen.
Andererseits verfügt schon jetzt ein großer Teil der Kosovaren über eine zweite, sehr häufig deutsche Staatsbürgerschaft, weshalb die fehlende Visaliberalisierung vor allem jungen Menschen treffe.
Mit erheblicher Sorge wird wahrgenommen, dass Serbien seinen ohnehin bestehenden Einfluss auf den von der Zentralregierung nicht kontrollierten Norden des neuen Landes auch mit Hilfe der serbisch-orthodoxen Kirche erhalten und ausbauen könnte. Das könnte Gegenreaktionen hervorrufen.
Insgesamt war sich die Delegation einig, dass Kosovo Unterstützung verdient, um so früh wie möglich Mitglied der EU werden zu können.“
An der Delegationsreise unter der Leitung des Ausschussvorsitzenden Stephan Brandner (AfD) nahmen die Abgeordneten Prof. Dr. Heribert Hirte (CDU/CSU), Carsten Müller (CDU/CSU), Dr. Karl-Heinz Brunner (SPD), Esther Dilcher (SPD), Dr. Jürgen Martens (FDP), Gökay Akbulut (DIE LINKE.) und Canan Bayram (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) teil. Frau Akbulut hat sich der gemeinsamen Erklärung nicht angeschlossen.