CDU/CSU-Wirtschaftsexperte Michael Fuchs sieht Schmerzgrenze bei EEU-Umlage überschritten
Interview mit der Zeitung „Das Parlament“
Vorabmeldung zu einem Interview in der nächsten Ausgabe der Wochenzeitung
„Das Parlament“ (Erscheinungstag: 12. Mai 2014)
– bei Nennung der Quelle frei zur sofortigen Veröffentlichung –
Der Wirtschaftsexperte der Unions-Bundestagsfraktion, Michael Fuchs, erwartet nicht, dass der weitere Anstieg der von den Stromkunden zu zahlenden EEG-Umlage mit der von Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel(SPD) auf den Weg gebrachten Novellierung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes gestoppt werden kann. „Wir müssen realistisch sein. Der Anstieg wird gedämpft. Er wird aber nicht gestoppt“, sagte Fuchs, der stellvertretender Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion ist, in einem Interview mit der Wochenzeitung „Das Parlament“ (12. Mai 2014). Die Umlage werde weiter steigen, weil nach wie vor 2.500 Megawatt Onshore-Windenergie jährlich neu errichtet werden könnten und Photovoltaik-Anlagen in ähnlicher Größenordnung ausgebaut werden könnten.
Zwar lobte Fuchs die Verhandlungsergebnisse der Bundesregierung in Brüssel zu den Industriestromrabatten. Diese Ergebnisse könnten sich sehen lassen. „Richtig ist aber auch, dass sich die EEG-Mindestumlage für Stromgroßverbraucher jetzt verdoppeln soll – zum Beispiel für Aluminiumwerke. Damit gehen wir schon an die Schmerzgrenze. Wir werden im parlamentarischen Verfahren genau darauf achten, dass der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie kein Bein gestellt wird“, kündigte Fuchs an.
Das Interview im Wortlaut:
Wird die Novellierung des Erneuerbare Energien-Gesetze wie geplant bis zur Sommerpause fertig?
Ich bin optimistisch, dass wir das hinbekommen. Eine Verständigung mit den Ministerpräsidenten hat es bereits gegeben, so dass es kein Vermittlungsverfahren geben dürfte.
Sind Sie mit der nachgeschobenen Rabattregelung für die Industrie zufrieden?
Die Verhandlungsergebnisse der Bundesregierung in Brüssel können sich sehen lassen. Richtig ist aber auch, dass sich die EEG-Mindestumlage für Stromgroßverbraucher jetzt verdoppeln soll – zum Beispiel für Aluminiumwerke. Damit gehen wir schon an die Schmerzgrenze. Wir werden im parlamentarischen Verfahren genau darauf achten, dass der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie kein Bein gestellt wird.
Die installierte Leistung der Windanlagen an Land soll auf 2.500 Megawatt beschränkt werden. Tatsächlich wurden im letzten Jahr wenig mehr errichtet. Das ist keine Begrenzung.
Das ist in der Tat keine spürbare Begrenzung vor allem vor dem Hintergrund, dass zusätzlich noch Offshore-Windenergieanlagen errichtet werden, die besonders teuer sind. Hier haben sich die Bundesländer den ursprünglich geplanten Kürzungen widersetzt. Wir werden die Ausbauziele daher schneller erreichen als gedacht. Aber wir müssen auch sehen, woher wir kommen. Wir hatten bisher einen völlig ungedeckelten Ausbau der Windenergie. Jetzt liegen erstmals Steuerungsinstrumente auf dem Tisch. Das ist ein Anfang.
Ist es richtig, die Biomasse überhaupt noch zu fördern? Die Kritik lautet Vermaisung der Landschaft, Explosionsgefahr der Anlagen und Grundwasserverunreinigung sowie Fischsterben nach Unfällen.
Gerade Biomasse ist ein schwieriger Bereich. In der Novelle wurde eine Obergrenze von 100 Megawatt gesetzt. Ich hätte gerne einen geringeren Wert gehabt, denn wir müssen berücksichtigen, dass der Flächenverbrauch auf die Lebensmittelpreise tendenziell preistreibend wirkt.
Die Stromkunden haben bisher 120 Milliarden Euro EEG-Umlage gezahlt, Allein 2013 waren es 22,8 Milliarden. Wird der starke Anstieg jetzt gestoppt?
Wir müssen realistisch sein. Der Anstieg wird gedämpft. Er wird aber nicht gestoppt. Denn jeden Tag kommen neue Anlagen hinzu, ohne dass Altanlagen in nennenswertem Umfang vom Netz gehen. Die Förderdauer beträgt 20 Jahre. Und seit 2005 wurden Anlagen in großer Zahl errichtet. Daher gibt es erst ab 2025 Chancen auf spürbare Entlastungen.
Im Gesetzentwurf ist von einer „Vielzahl von Einflussfaktoren“ die Rede, die Einfluss auf die Höhe der EEG-Umlage haben könnten. Was heißt das?
Das ist zum Beispiel die Entwicklung der Stromgroßhandelspreise oder einfach das Wetter. Im vergangenen Jahr war die Erzeugung von erneuerbarer Energie in den ersten drei Monaten verhältnismäßig niedrig, weil es nicht besonders windig war. Sonst wäre die EEG-Umlage noch stärker gestiegen.
Die EEG-Umlage liegt in diesem Jahr bei 6,24 Cent pro Kilowattstunde. Wo ist die Schmerzgrenze?
Bei mir ist die Schmerzgrenze schon überschritten. Ich würde gerne verhindern, dass die EEG-Umlage weiter ansteigt. Aber bei der Gesetzeslage wird die Umlage weiter steigen, weil nach wie vor 2.500 Megawatt Onshore-Windenergie neu errichtet werden können und Photovoltaik-Anlagen in ähnlicher Größenordnung ausgebaut werden kann. Auch Offshore-Anlagen werden hinzukommen. Es gibt noch weitere preiserhöhende Faktoren wie den Ausbau der Stromnetze, auch wenn diese nicht über die EEG-Umlage, sondern über die Netzentgelte finanziert werden.
Wird der Netzausbau zum Problem der Energiewende?
Der Netzausbau ist schon ein Problem, weil er nicht so schnell erfolgt wie der Ausbau der erneuerbaren Energien. Es wird im Norden Deutschlands viel mehr Strom erzeugt werden als dort benötigt wird. Also müsste der Strom in den Süden transportiert werden. Aber es ist einfacher, eine Genehmigung für ein Windrad zu erhalten als eine Genehmigung für einen Strommast.
Warum wurde im Entwurf keine feste Grenze für die Höhe der EEG-Umlage gezogen, ein Kappungsmodell sozusagen?
Damit wäre der weitere Ausbau komplett abgewürgt worden. Das hätte bedeutet, dass erst dann wieder hätte gebaut werden können, wenn zum Beispiel die 6,24 Cent pro Kilowattstunde nennenswert unterschritten worden wären.
Im Gesetzentwurf heißt es, der Umbau der Energieversorgung biete „enorme Potenziale für Innovation, Wachstum und Beschäftigung“. Ist die Bilanz tatsächlich so positiv?
Die Bilanz ist eher gemischt. Im Handwerk hat es sicher viele Aufträge und in der Folge auch neue Arbeitsplätze gegeben. Woanders sind Arbeitsplätze zum großen Teil wieder verloren gegangen. In der Solarwirtschaft sollen es zum Beispiel bis zu 300.000 Arbeitsplätze gewesen sein. Davon kann jetzt keine Rede mehr sein. Dass die Erneuerbaren ein Arbeitsplatzwunder seien sollen, das stimmt nicht. Ich traue nur Arbeitsplätzen, die langfristig ohne Subventionen auskommen.
Warum ist im Gesetzentwurf keine Rede von Versorgungssicherheit, und warum wird sie nicht definiert?
Wenn wir mit dem EEG fertig sind, werden wir das Strommarktdesign angehen. Es geht insbesondere darum, wie wir die Stromversorgung auch bei Windstille sicherstellen, oder wenn die Sonne nicht scheint. Dabei muss auch geklärt werden, wer bezahlt, und welche Verantwortung den verschiedenen Akteuren – insbesondere auch den erneuerbaren Energien – zukommt.
Die Bezahlbarkeit der Energiewende ist genauso wenig definiert. Eine Zielbestimmung gibt es bisher nicht.
Wir dürfen uns – wie gesagt – nichts vormachen. Die EEG-Umlage wird in den nächsten Jahren nicht sinken, sondern steigen. Die Energiewende gibt es nicht zum Nulltarif.
Die großen Stromkonzerne wollen Geld, um unrentable Kraftwerke weiter betreiben zu können. Werden RWE und Co. zu den neuen Subventionsempfängern?
Wir haben 920 Sonnenstunden und an Land 1.870 Windstunden; offshore sind es mehr. Aber das Jahr hat 8.760 Stunden. Da wird eine Absicherung für die Zeit gebraucht, wo keine erneuerbaren Energien zur Verfügung stehen. Es gibt Zeiten, da gibt es nicht eine Kilowattstunde erneuerbare Energie. In solchen Zeiten brauchen wir den gesamten Kraftwerkspark, damit die Industrie arbeiten kann und die Leute zu Hause kochen können. Deswegen müssen wir uns das Thema Kapazitätsmärkte genau anschauen, die aber nicht zu einem neuen, großen Fördertopf à la EEG werden dürfen. Klar ist aber auch: Man kann die Energieversorger nicht zwingen, Kraftwerke weiter in Stand-by laufen zu lassen und gleichzeitig die Kosten zu tragen.
Wird in Deutschland ein privater Investor noch ein konventionelles Kraftwerk bauen – oder kommen Staatskraftwerke?
Von einer Verstaatlichung und Staatskraftwerken halte ich gar nichts. Dadurch wird es nicht billiger. Wo der Staat eingestiegen ist, wurde es noch nie billiger. Aber gebaut wird nur, wenn sich das rechnet. Das ist nicht der Fall. Da liegt das Problem. Deshalb müssen wir uns über neue Rahmenbedingungen unterhalten.