Maritime Raumordnungsplanung gegensätzlich bewertet
Berlin: (hib/FLA) Das Stichwort Nutzungskonflikte geriet zum prägenden Begriff eines öffentlichen Fachgesprächs zur maritimen Raumordnung des Ausschusses für Bau, Wohnen, Stadtentwicklung und Kommunen unter der Leitung von Mechthild Heil (CDU). Die Sachverständigen befassten sich mit dem Entwurf für einen „Raumordnungsplan für die deutsche ausschließliche Wirtschaftszone in der Nordsee und in der Ostsee“ (AWZ) sowie einem Antrag der AfD-Fraktion (19/30405).
Kim Detloff (Naturschutzbund Deutschland) beklagte, der Schutz gefährdeter und streng geschützter mariner Arten und Lebensräume drohe auf der Strecke zu bleiben. Mehr als vier Fünftel der AWZ, der sogenannten 200-Seemeilenzone, sollten über die Raumordnung für industrielle Interessen wie Schifffahrt, Windenergie oder Rohstoffabbau reserviert werden. Der deutschen Nord- und Ostsee gehe es schlecht. Der Entwurf verfolge nicht das Prinzip der „Nature-based Solutions“, um Biodiversitäts- und Klimakrise gleichermaßen zu begegnen, sondern verharre in einem traditionellen, sektorengelenkten Ansatz der Überlastung der deutschen Nord- und Ostsee. Der für das Erreichen der Klimaziele bedeutsame Ausbau der Offshore-Windanlagen müsse außerhalb der Schutzgebiete gelingen.
Gerold Janssen (Technische Universität Dresden) bezeichnete die Zusammenführung der Planungsräume von Nordsee und Ostsee in einem einheitlichen Planwerk als gelungen. Die Belange würden trotz der naturräumlichen Unterschiede der beiden Meere (Randmeer Nordsee, Binnenmeer Ostsee) harmonisch geregelt. Er sei sehr angetan von dem Entwurf, weil er versuche, alle Funktionen und Ansprüche wirtschaftlicher und sozialer Art in einen gewissen Ausgleich zu bringen. Den Entwurf durchziehe der Ansatz des „Multi use“ von Meeresgebieten, also der Mehrfachnutzung desselben Gebietes. Dies diene der Konzentration von Eingriffen auf wenige Stellen. Das biete sich im Meer besonders an, da hier die vorhandenen Zonen vertikal unterschiedlich genutzt werden könnten, sagte Janssen und verwies auf Meeresuntergrund, Meeresboden, Wassersäule, Wasseroberfläche und Luftraum.
Andreas Kannen (Helmholtz-Zentrum Hereon) bescheinigte dem Entwurf eine steuernde Gesamtplanung, die räumliche Möglichkeiten und Grenzen für die einzelnen Nutzungen aufzeige, auch wenn für die Umsetzung der planerischen Vorgaben neben behördlichen in erster Linie wirtschaftliche Akteure und deren Entscheidungen verantwortlich seien. Der Planentwurf basiere darauf, mittels einer Zonierung in Vorrang- und Vorbehaltsgebiete bestimmte Nutzungen in spezifischen Teilräumen zu priorisieren. Für Kannen wäre es wünschenswert, wenn der Plan mittelfristig durch eine öffentliche Diskussion über die verschiedenen Funktionen, die der Meeresraum für die Gesellschaft erfülle, begleitet würde.
Winfried Klein (Interessengemeinschaft LAHN) nannte den Bau von neuen Offshore-Windparks und Windkraftanlagen mit einer Gesamtleistung von 30 Gigawatt bis 2030 und 40 Gigawatt bis 2040 einen unglaublichen Eingriff in die Meeresökologie, der auch nach Fertigstellung weiter auf den Meereslebensraum nachhaltig negativ wirken werde. Ob in den Windparkbereichen überhaupt noch sehr empfindliche Wassertiere wie Schweinswale vorkommen würden, sei fraglich. Es gebe für die Probleme, die bei dem schwerwiegenden Eingriff in die Meereswelt entstünden, überhaupt noch keine Erkenntnisse. Trotzdem wolle man möglichst schnell mit dem Bau beginnen.
Für Carla Langsenkamp (World Wide Fund For Nature) leistet der Planentwurf keinen Beitrag zum Erreichen der Vorgabe eines „guten Umweltzustands“ von Nord- und Ostsee. Klima- und Naturschutz seien nicht hinreichend zusammengedacht worden. Es gebe keinen echten Vorrang für Naturschutz in den Schutzgebieten. Dazu gehöre auch, dass ein klarer Ausschluss der Offshore-Windkraft in diesen Gebieten fehle. Der WWF fordere, dass mindestens 50 Prozent der Schutzgebietsfläche frei von jeglicher menschlicher Nutzung sein müssten. Nutzungsfreie Gebiete seien eines der wirksamsten Instrumente des Meeresschutzes und auch ökonomisch sinnvoll.
Ingo Pache (Marinekommando) versicherte, die Bundeswehr habe sich in die Entstehung des Entwurfs einbringen können. Der Planentwurf treffe auf die Bedürfnisse der Marine im operativen Minimum. Die Bundeswehr überprüfe mit eigenen Experten ihren Flächenbedarf kontinuierlich und entwickle gegebenenfalls Alternativen. Ziel sei immer eine größtmögliche Verträglichkeit mit anderen Nutzungen. Nutzungskonflikte, die die Marine beträfen, befänden sich am unteren Ende der Skala.
Jens Aurel Scharner (Port GmbH Rostock) hatte in seiner schriftlichen Stellungnahme dargelegt, Nord- und Ostsee gehörten zu den am meisten und dichtesten befahrenen Meeren der Welt. Die Seeschifffahrt sei von erheblicher Bedeutung für den Wirtschaftsstandort Deutschland. Er forderte, dass zumindest der Status quo der Schifffahrtswege in der AWZ erhalten bleibt. Eine Entwidmung von Vorrang- oder Vorbehaltsgebieten für die Schifffahrt sei nicht zu rechtfertigen. Die Berücksichtigung der Naturschutzgebiete in den Raumordnungsplänen könne daher nur außerhalb der für die Schifffahrt getroffenen oder noch zu treffenden Gebietsfestlegungen erfolgen und dürfe nicht zu Lasten der Sicherheit und Leichtigkeit des Schiffsverkehrs gehen.