Pro und Contra zu Anträgen zum Mieterschutz
Berlin: (hib/MWO) Um zwei Anträge der Fraktion Die Linke und einen Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zum Thema Mieterschutz ging es in einer öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz unter Leitung des stellvertretenden Vorsitzenden Heribert Hirte (CDU) am Mittwoch. In ihrem ersten Antrag (19/10283) fordert Die Linke die umgehende Vorlage eines Gesetzentwurfs der Bundesregierung, der eine Kündigung wegen Eigenbedarfs für Mieter, die das 70. Lebensjahr vollendet haben, wirksam ausschließt. Laut dem zweiten Antrag der Fraktion (19/10284) soll der Bundestag die Bundesregierung auffordern, einen Gesetzentwurf für einen verbesserten Kündigungsschutz für Mieter vorzulegen. Die Grünen fordern in ihrem Antrag (19/20542), Kündigungsschutz und Minderungsrecht gerade in Zeiten der Pandemie zu verbessern.
Wie bei vorangegangenen Anhörungen zu diesem Thema kamen die Vertreter von Mieter- und Vermieterverbänden in ihren Stellungnahmen auch diesmal zu unterschiedlichen Ergebnissen. Der Präsident des Deutschen Mieterbundes (DMB), Lukas Siebenkotten, erklärte, die Anträge enthielten eine Reihe von Vorschlägen, wie das schutzwürdige Interesse des Mieters am Verbleib in seiner Wohnung so umfassend wie möglich und nötig gewährleistet werden kann. Siebenkotten betonte, es sei gerechtfertigt und notwendig, die Möglichkeiten der Vermieter, Mieterinnen und Mieter aus ihrer Wohnung zu kündigen, auf ein Minimum zu reduzieren.
Sylvia Sonnemann, Geschäftsführerin von Mieter helfen Mietern - Hamburger Mieterverein, erklärte, die Anträge wiesen alle in die richtige Richtung. So müssten bei der Kündigung von vertragstreuen Mietern und Mieterinnen die vorgebrachten Kündigungsinteressen deren Interessen am Verbleib in der Wohnung deutlich überwiegen. Das Alter, die Verwurzelung, Krankheit, die Anzahl der Personen, das Vorhandensein von Kindern, und die Eingebundenheit in der Umgebung sollten schon bei Ausspruch der Kündigung und nicht erst im Rahmen einer Härtefallprüfung Berücksichtigung finden. Der Personenkreis, für den Eigenbedarf geltend gemacht werden darf, müsse auf die engsten Familienangehörigen beschränkt werden.
Auch für den Berliner Rechtsanwalt Benjamin Raabe ist eine Reform des Kündigungsrechts wichtig. Er schlug in seiner Stellungnahme unter anderem vor, dass Vertragsverletzungen nur dann zu einer Kündigung führen sollten, wenn dem Vermieter das Festhalten am Vertrag andernfalls unzumutbar wäre. Die vollständige Nachzahlung von Mietrückständen müsse jede Kündigung heilen, und Fehler von Jobcenter und Sozialamt bei der Mietschuldenübernahme sollten nicht zum Verlust von Wohnraum führen. Der bereits für die fristlose Kündigung normierte Schutz müsse auch für die ordentliche Kündigung gelten.
Dafür sprach sich auch Markus Artz, Lehrstuhlinhaber an der Universität Bielefeld, aus. Die Regelungen zur Schonfristzahlung, also der von Jobcenter vorgenommenen Zahlung auf Mietschulden, müsse auch auf die ordentliche Kündigung angewendet werden und nicht nur auf den Tatbestand der fristlosen Kündigung. Zur Eigenbedarfskündigung erklärte Artz, sämtliche in den Anträgen benannten und viele weitere Schutzlücken ließen sich durch die Einführung einer Interessenabwägung zwischen Vermieter- und Mieterbelangen bei der Prüfung des Eigenbedarfs beheben. Dies sei der Einführung kleinteiliger Fallgruppen wie die alter Menschen vorzuziehen.
Der Präsident der Eigentümerschutzgemeinschaft Haus & Grund Deutschland, Kai Warnecke, wies alle Forderungen zurück. Sie würfen die Frage nach der sozial- und klimapolitischen Verantwortung auf. Beides sei eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, an der sich Staat, Vermieter und Eigentümer von selbstgenutzten Immobilien sowie Mieter beteiligen müssten. Insofern bedürfe es auch einer gerechten Kosten- und Risikoverteilung. Mit den Vorschlägen entzögen sich Staat und Mieter weiter ihrer Verantwortung. Vor Wohnungsverlust müsse das Sozialrecht schützen und nicht das Mietrecht.
Ähnlich argumentierte der Präsident des Bundesverbands deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen, Axel Gedaschko. Die Schaffung eines interessengerechten Ausgleichs zwischen Mieter und Vermieter sei prägendes Element des deutschen Mietrechts, erklärte er. Allerdings gingen die zahlreichen Änderungen im Mietrecht insbesondere mit Blick auf angespannte Wohnungsmärkte allein zulasten des Vermieters. Eine Umsetzung der Anträge würde diese einseitige Lastenverschiebung zu Ungunsten nur einer Vertragspartei in erheblichem Maße verstärken. Notwendig sei stattdessen mehr bezahlbarer Wohnraum in den Ballungsgebieten.
Christian Bruch, Bundesgeschäftsführer des Bundesverbands Freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen, ging in seiner schriftlichen Statement explizit auf den Grünen-Antrag ein. Dieser gehe von unrichtigen mietrechtlichen Prämissen aus und sei geeignet zivilrechtliche Grundsätze und den Interessenausgleich des Mietrechts zu unterlaufen. Es bestünden keine Regelungslücken und keine Defizite im Mieterschutz. Bruch verwies darauf, dass in der ersten Phase der Pandemie Staat und Immobilienwirtschaft Lösungen für betroffene Mieter gefunden hätten. Dies dürfe in der jetzigen Phase der Pandemie nicht aus den Augen verloren werden. Mit Blick auf die Schonfristzahlungen sagte Bruch, die Vermieter seien hier nicht in der Pflicht. Es sei unglaublich, dass durch ausbleibende Zahlungen der Jobcenter Menschen ihre Wohnung verlieren. Hier handele es sich um staatliches Versagen.
Michael Reinke, Vorsitzender Richter am Landgericht Berlin, nahm Stellung zu einzelnen Punkten der Anträge. So wäre eine Kündigungssperre ab dem 71. Lebensjahr des Mieters, wie von den Linken gefordert, zwar geeignet, einer Verdrängung älterer Mieter entgegen zu wirken. Bereits an der Erforderlichkeit der Maßnahme bestünden jedoch erhebliche Zweifel, denn das geltende Recht schütze ältere Mieter schon heute vor dem Wohnungsverlust durch eine Eigenbedarfskündigung. Es gebe Reformbedarf, der Antrag der Linken sei dafür jedoch keine Grundlage. Positiv bewertete Reinke eine Ausweitung der Schonfristregelung auf die ordentliche Kündigung. Dies würde rechtliche Unsicherheiten beseitigen und die sozialpolitischen Ungereimtheiten der bisherigen Rechtslage beseitigen.
Bei den Fragen der Abgeordneten an die Sachverständigen ging es vor allem um das Problem der Schonfristzahlungen, den Ausschluss einer Eigenbedarfskündigung nach Umwandlung in Wohneigentum, um die Möglichkeiten, Kündigungen wegen Eigenbedarf generell einzuschränken sowie die Auswirkungen der Vorschläge der Antragsteller auf den Wohnungsmarkt.