Mindestvorgaben für Psychiatriepersonal
Berlin: (hib/HAU) Die in der Richtlinie über die Ausstattung der stationären Einrichtungen der Psychiatrie und Psychosomatik mit dem für die Behandlung erforderlichen therapeutischen Personal gemäß Paragraf 136a Absatz 2 Satz 1 SGB V enthaltenen Mindestvorgaben für die personelle Ausstattung der stationären Einrichtungen stoßen auf Kritik bei Betroffenen. Das wurde während einer öffentlichen Sitzung des Petitionsausschusses am Montagnachmittag zu einer Petition der im Februar diesen Jahres verstorbenen Vorsitzenden des Bundesverbandes der Angehörigen psychisch erkrankter Menschen (BApK), Gudrun Schliebener, deutlich. In der Petition werden geeignete Maßnahmen gefordert, „damit in psychiatrischen, kinder- und jugendpsychiatrischen und psychosomatischen Kliniken flächendeckend und in allen Altersgruppen ausreichend Personal und genügend Zeit für eine gute Behandlung zur Verfügung stehen“. Zu beobachten sei derzeit das Gegenteil: Patienten, deren Angehörige und die Mitarbeiter der psychiatrischen, kinder- und jugendpsychiatrischen und psychosomatischen Kliniken seien infolge von Arbeitsverdichtung und unzureichenden Personalschlüsseln „am Limit“, heißt es in der Petition.
Schliebeners Vertreter, BApK-Vorstandsmitglied Rüdiger Hannig, sprach sich während der Sitzung für die Einsetzung einer paritätisch besetzten „trialogischen Expertenkommission“ mit Ärzten, Betroffenen und Angehörigen beim Bundesgesundheitsministerium (BMG) zur Erarbeitung einer zukunftsfähigen Psychiatrie in Deutschland für die Wahrung von Grundrechten der Betroffenen und Angehörigen aus. Statt einer evidenzbasierten und leitliniengerechten Lösung seien mit der Richtlinie psychiatrische Strukturen von vor mehr als 30 Jahren abgebildet worden, kritisierte Hannig.
Der den Petenten begleitende Direktor der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie an den Charité Berlin, Professor Andreas Heinz, nannte die Untergrenzendiskussion „verheerend“. Setze man diese zu tief, sparten Kliniken möglicherweise Personal ein. Setze man sie zu hoch an, müsse man damit rechnen, dass Kliniken - etwa in Brandenburg - vom Markt verschwinden und sich somit die Anreisewege für die Patienten verlängern. „Wir brauchen ein zielgerichtetes Soll“, sagte Heinz und verstärkte die Forderung nach Schaffung eines trialogischen Beirates.
BMG-Staatssekretär Thomas Gebhart (CDU) sieht diesen Bedarf nicht. Der Gesetzgeber habe den Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) beauftragt, entsprechend Paragraf 136a Absatz 2 Satz 1 SGB V Vorgaben zu erarbeiten, was dieser - unter Mitarbeit und Mitberatung von Patientenvertretern - fristgerecht getan habe. Dabei habe das BMG seine Rechtsaufsicht sehr ernsthaft wahrgenommen, betonte Gebhart. Im Ergebnis habe man sich für Mindestvorgaben entschieden, „die auch überschritten werden dürfen und nur eine untere Haltelinie darstellen“. Ein Therapiekonzept sei bewusst nicht vorgegeben worden.
Die Richtlinie sei im Übrigen erst am 1. Januar 2020 in Kraft getreten. Aus Sicht des BMG-Staatssekretärs ist es daher zu früh, um zu bewerten, wie sich die Mindestvorgaben auswirken. Geplant sei, die Vorgaben ständig weiterzuentwickeln und alle zwei Jahre zu prüfen, ob eine Anpassung nötig ist, sagte Gebhart.