Verbot leichter Kunststofftaschen umstritten
Berlin: (hib/LBR) Der Gesetzentwurf zum Verbot leichter Kunststofftragetaschen wird kontrovers beurteilt. Das wurde beim per Videokonferenz durchgeführten öffentlichen Fachgespräch des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit am Mittwochmittag deutlich. „Die Frage, die sich uns heute stellt, ist, ob diese erste Aktion zur Bekämpfung der Plastikflut das zielführende Mittel ist“, beschrieb die Vorsitzende Sylvia Kotting-Uhl (Bündnis 90/Die Grünen) die Problematik.
Im Entwurf eines ersten Gesetzes zur Änderung des Verpackungsgesetzes (19/16503) geht es darum, leichte Kunststofftragetaschen, also solche mit einer Wandstärke von 15 bis 50 Mikrometern zu reduzieren. Derzeit werden in Deutschland pro Jahr und Kopf rund 20 Kunststofftragetaschen der entsprechenden Wandstärke verbraucht. Dies stelle in der Regel „eine ineffiziente Ressourcennutzung dar“, schreibt die Regierung, da diese Taschen seltener wiederverwendet würden als Kunststofftragetaschen aus stärkerem Material. Ausgenommen werden sollen von dem Verbot bestimmte, sehr leichte Kunststofftragetaschen, sogenannte Hemdchenbeutel etwa für Obst und Gemüse.
Für den Bundesverband der Deutschen Entsorgungs-, Wasser- und Rohstoffwirtschaft e. V. (BDE) betonte Andreas Bruckschen, dass ein Plastiktüten-Verbot mehr Probleme verursache als es Lösungen bringe. „Wir vermuten, dass der Gesetzgeber ein politisches Signal zum ökologischen Umgang mit Kunststofftragetaschen senden möchte“, sagte er. Die Kunststoff-Taschen seien jedoch bereits gut recyclebar, mehrfach nutzbar, eigneten sich für den Einsatz von Rezyklaten und seien optimiert hinsichtlich des Materialaufwands und der Tragfähigkeit. Problematisch sei weiter, dass ein Verbot den Einsatz von Verbundmaterialien fördere, die „sehr viel schwieriger zu recyclen“ seien Zur Förderung der Kreislaufwirtschaft sei es sinnvoller, „dass alle Produkte recyclingfähig hergestellt werden müssen“, sagte Bruckschen.
Auch der Handelsverband Deutschland e. V. (HDE) lehne den Gesetzentwurf ab, sagte dessen Vertreter Benjamin Peter. Das Verbot sei für den Handel „gänzlich unerwartet“ und werde vom HDE als „ökonomisch und ökologisch nicht zielführend“ beurteilt. Der als Selbstverpflichtung angelegten Vereinbarung zur Verringerung des Verbrauchs von Kunststofftragetaschen des Bundesumweltministeriums (BMU) mit dem HDE vom April 2016 seien 350 Handelsunternehmen gefolgt. Seitdem die Plastiktaschen nicht mehr kostenlos angeboten werden, seien zwei Drittel weniger verbraucht worden, sagte Peter. Ein Komplettverbot halte er nicht nur für „unnötig, sondern auch unter Umweltgesichtspunkten für kontraproduktiv.“ Über 200 Millionen Plastiktüten werden als Vorrat in den Handelslagern gehalten. „Viele Händler wären gezwungen, diese Restbestände zu vernichten“, sagte Peter. Dies sei aus ökologischer Sicht wenig zielführend.
Der Rechtsanwalt Stefan Kopp-Assenmacher betonte, dass er das Gesetz unter Berücksichtigung von Europarecht und Verfassungsrecht für rechtlich „äußerst bedenklich“ halte. Es sei zurzeit weder geeignet, noch erforderlich und angemessen. „Das Gesetz dürfte sich an der Grenze von Verfassungsmäßigkeit und Verfassungswidrigkeit bewegen“, sagte Kopp-Assenmacher. Er empfehle, es gründlich nachzubessern. Ein Verbotsgesetz greife massiv in Grundrechte und europäische Rechtsregeln ein und sei die Ultima Ratio. Besondere Bedenken bestehen auch hinsichtlich des Zwecks, da durch die Vereinbarung von BMU und HDE der Verbrauch auf 20 Tüten pro Kopf im Jahr gesunken sei. Dies sei deutlich unter der europäischen Zielsetzung für das Jahr 2025, sagte der Sachverständige.
„Im Grundsatz begrüßen wir den Schritt, dem obersten Prinzip der Abfallvermeidung gerecht zu werden und das Inverkehrbringen der Tüten einzuschränken“, sagte Tim Basner (Deutscher Städtetag). Ebenso denkbar sei aber eine Ausweitung der freiwilligen Vereinbarung gewesen. Das Gesetz sei „ein erster Impuls“, nun müsse nachgearbeitet werden, um die Belastung der Umwelt durch Plastik weiter zu reduzieren und ökologische vorteilhafte Mehrweg-Lösungen zu stärken. Dafür müssten auch Kunststoffbeutel mit einer Wandstärke von unter 15 Mikrometern in den Fokus genommen werden. „Das Verbot darf nicht dazu führen, dass wir nachteilige ökologische Lösungen am Markt sehen“, betonte Basner. Er berichtete, dass es eine erhebliche Zunahme von To-Go-Verpackungen im öffentlichen Raum gebe, die teils mit erheblichem Mehraufwand durch die Kommunen entsorgt werden müssten.
Lob und Kritik kam auch von Rolf Buschmann (Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e. V.). „Grundsätzlich finden wir die Regulierung begrüßenswert im Gegensatz zur freiwilligen Vereinbarung, bei der nicht alle mitgegangen sind“, sagte Buschmann. Das alleinige Verbot sei jedoch nicht zielführend: Hemdchenbeutel seien weiterhin kostenfrei erhältlich und könnten in die Umwelt gelangen. Er plädierte für eine grundsätzliche Abgabe, unabhängig von der Tütenart bei einem gleichzeitigen Angebot von Mehrweg-Alternativen, sodass diese in allen Bereich des Handels und der Logistik Vorrang hätten. „Da fehlt es an Konzepten und Lösungen“, kritisierte er. Es brauche daher eine Überarbeitung und einen weitergehenden Ansatz im Verpackungsgesetz, sagte Buschmann.
Benedikt Kauertz (ifeu - Institut für Energie- und Umweltforschung Heidelberg) sagte, dass es dem rechtlichen Rahmen an einer klaren Zielvorstellung mangele. Diese sei wichtig, um Szenarien und Maßnahmen abzuleiten und auch gegensteuern zu können. Der Gesetzentwurf beinhalte ein „starkes Instrument“, beziehe sich aber nur „auf ein kleines Pixel des Gesamtbildes“ bei Verpackungen, sagte Kauertz. An vielen Stellen fehle die wissenschaftliche Basis, Erkenntnisse über eine Lenkungswirkung seien unbekannt. Vor allem Grundlagendaten im Bereich der Vermüllung fehlten, um das Umweltproblem zu bemessen. „Der Entwurf bleibt daher Symbolpolitik, die eine Hoffnung ausdrückt, Verbrauchern einen besseren Umgang beizubringen“, sagte der Sachverständige.
„In Deutschland fallen pro Jahr rund zwei Milliarden Plastiktüten als Abfall an, das entspricht 3.700 Tüten pro Minute“, sagte Thomas Fischer von der Deutschen Umwelthilfe e.V. Die Umwelthilfe halte das Verbot für nachvollziehbar, da das Produkt „Plastiktüte“ verzichtbar sei und es umweltfreundlichere Alternativen gebe. Es brauche keine Ökobilanz dafür, dass zusammenfaltbare Mehrwegbeutel eine sinnvolle Mehrwegalternative seien, sagte Fischer. Er kritisierte, dass es auch bei den Hemdchenbeuteln einen „weiterführenden Ansatz“ brauche.
Katharina Istel vom Naturschutzbund Deutschland e. V. (NABU) sagte, dass der NABU vor dem Hintergrund der Ökobilanzen kein Verbot gefordert habe, sondern eine Abgabe auf alle Einwegtaschen. Auch sie betonte, dass das Datenmonitoring für alle Tüten erfolgen müsse. Derzeit gebe es keine Daten zu Verlagerungseffekten. Es sei unklar, ob die freiwillige Vereinbarung einen positiven Effekt auf die Umwelt gehabt habe. Auch zur bisher eingesparten Kunststoffmenge gebe es keine Daten. „Für einen Umweltnutzen muss ein Verbot konsistent sein, das sehen wir im Gesetzentwurf noch nicht gewährleistet“, resümierte sie.