Regierung will Gutscheine für Reisebranche
Berlin: (hib/WID) Vor dem Hintergrund der Corona-Krise strebt die Bundesregierung auch für Unternehmen der Reisebranche ein Gutscheinmodell an, um den Anbietern die Rückerstattung der Kosten stornierter Buchungen zumindest bis auf weiteres zu ersparen. Allerdings bedürfe es dazu einer Einigung mit der Europäische Union, die derzeit ausstehe, sagte der Parlamentarische Staatssekretär im Wirtschaftsministerium, Thomas Bareiß (CDU/CSU), am Mittwoch im Tourismusausschuss. In den Genuss einer solchen Regelung könnten nach seinen Worten Veranstalter von Pauschalreisen, Fluggesellschaften und Busunternehmen kommen. Die Tourismuswirtschaft werde voraussichtlich für ein bis zwei Jahre unter den Folgen der Corona-Krise leiden.
Für den Kultursektor will der Bundestag in dieser Woche beschließen, dass bereits bezahlte Eintrittskarten für abgesagte Veranstaltungen in Gutscheine umgewandelt werden können. Nach seinem Eindruck finde diese Lösung bei den Kunden großes Verständnis, sagte Bareiß. Auf die Reiseveranstalter könnten nach Schätzung der Branche aktuell Rückerstattungspflichten für stornierte Buchungen im Volumen von 4,5 Milliarden Euro zukommen. Allein für die Sommersaison seien 1,8 Milliarden Euro schon angezahlt. Vermutlich seien Anzahlungen für das Frühjahr bereits zum Teil erstattet. Müsse der gesamte Betrag zurückfließen, stünden die Unternehmen vor großen Liquiditätsschwierigkeiten: „Das wird auf die Dauer nicht haltbar sein.“
Mit Rücksicht auf die Europäische Pauschalreiserichtlinie, in der umfassende Erstattungsansprüche der Kunden festgeschrieben sind, kann die Bundesregierung eine Gutscheinlösung allerdings nicht auf eigene Faust beschließen. Sie sei darüber im Gespräch mit der EU-Kommission, die sich indes „sehr, sehr zurückhaltend“ zeige und „wenig Bereitschaft“ erkennen lasse, vom Buchstaben der Richtlinie abzuweichen. Dabei sehe die Bundesregierung eine Härtefallregelung für Kunden vor, die aus finanzieller Not auf eine zeitnahe Erstattung angewiesen seien. Wenn der Gutschein innerhalb der Geltungsdauer nicht eingelöst werde, solle darüber hinaus sichergestellt sein, dass dann die Anzahlung zurückfließt.
Andere europäische Länder hätten bereits Gutscheinlösungen eingeführt. Sie würden neuerdings von der EU-Kommission mit Vertragsverletzungsverfahren bedroht. Bareiß betonte, dass Deutschland gewillt sei, sich mit der Kommission „eng abzustimmen“. Notfalls werde aber nichts anderes übrigbleiben, als den Rechtsrahmen „so weit wie möglich auszuschöpfen“.
Bareiß erinnerte auch an die Situation der Reisebüros in Deutschland. Bisher hätten 180 Betriebe aus diesem Sektor eine finanzielle Unterstützung erfahren. Sollte es zu einer Gutscheinregelung für die Tourismusbranche kommen, müsse sichergestellt sein, dass bereits gezahlte Provisionen bei den Reisebüros verblieben.
Ebenfalls dramatisch sei die Lage im größten Bereich der Tourismuswirtschaft, den 240.000 Betrieben des Hotel- und Gaststättengewerbes mit 2,4 Millionen Beschäftigten. Bareiß appellierte an die Unternehmen, Konzepte zum Infektionsschutz vorzulegen, damit auch sie möglichst bereits in der nächsten Corona-Runde von Kanzlerin und Ministerpräsidenten am 30. April in den Genuss einer Lockerung der geltenden Restriktionen kommen könnten. Er sprach sich für eine ermäßigte Mehrwertsteuer, aber gegen einen Nothilfefonds für die Gastronomie aus. Wenn allerdings „über den Mai hinaus“ keine Lockerung in Sicht sei, werde die Regierung neu nachdenken müssen.