Lob für Reform des Entschädigungsrechts
Berlin: (hib/CHE) Die Reform des sozialen Entschädigungsrechts wird von Experten überwiegend als notwendig und sachgerecht begrüßt. Das wurde während einer Anhörung des Ausschusses für Arbeit und Soziales am Montagnachmittag deutlich. Das bisherige Entschädigungsrecht werde den unterschiedlichen Facetten von erlittener Gewalt und daraus entstandenen Traumata nicht mehr gerecht, der Gesetzentwurf der Bundesregierung (19/13824) sei deshalb eine dringend nötige Novelle mit vielen Verbesserungen, so der Tenor in der Anhörung.
Die Bundesregierung will Opfer von Gewalttaten künftig schneller und umfangreicher als bisher unterstützen und entschädigen. Damit reagiert sie laut eigener Aussage auf die Auswirkungen des Terroranschlages auf dem Berliner Breitscheidplatz im Dezember 2016. Das Soziale Entschädigungsrecht (SER), das auf dem 1950 für die Kriegsopfer und ihre Hinterbliebenen geschaffenen Bundesversorgungsgesetz (BVG) basiert, soll sich künftig an den heutigen Bedarfen der Betroffenen, insbesondere Opfer von Gewalt- und Terrortaten, ausrichten.
Unter anderem sollen Entschädigungszahlungen deutlich erhöht und der Zugang zu Hilfen erleichtert werden. So sollen schädigungsbedingte Einkommensverluste von Geschädigten ausgeglichen und Einmalzahlungen für durch Gewalttaten im Ausland Geschädigte deutlich erhöht werden. Neu eingeführt werden die sogenannten Schnellen Hilfen, also Leistungen in Trauma-Ambulanzen und Leistungen des Fallmanagements. Der Gesetzentwurf sieht ferner vor, den bisher in der Gewaltopferentschädigung verwendeten Gewaltbegriff neu zu definieren. Erstmals sollen auch Opfer von psychischer Gewalt (schweres Stalking und Menschenhandel) eine Entschädigung erhalten können.
Trotz des grundsätzlichen Lobes forderten einige Expertinnen aber noch Nachbesserungen. So verwies Renate Schepker, Professorin für Kinder- und Jugendpsychiatrie, auf die besonderen Belange von Kindern und Jugendlichen. Sie äußerte Zweifel daran, dass die Trauma-Ambulanzen, so wie sie derzeit geplant sind, diesen Bedürfnissen gerecht werden. Es müssten zwar nicht zwingend eigene Kinder-Trauma-Ambulanzen eingerichtet werden, aber es müsse sichergestellt werden, dass die Expertise der Kinder- und Jugendpsychiater stärker eingebunden werde, betonte Schepker. Claudia Tietz vom Sozialverband Deutschland e.V. verwies auf mögliche Lücken im Bestandsschutz für jene Altfälle, die bisher nach dem BVG entschädigt werden. Katja Grieger, für den Bundesverband Frauenberatungsstellen und Frauennotrufe/Frauen gegen Gewalt e.V. geladen, betonte, für Opfer häuslicher Gewalt biete das Gesetz zwar einige Verbesserungen. Es hänge jedoch entscheidend von der Auslegung durch die Versorgungsämter ab, ob und wie den Opfern diese verbesserten Leistungen tatsächlich zugutekommen. Es sei also nicht garantiert, dass diese vom Gesetz profitieren, kritisierte Grieger. Kerstin Claus vom Betroffenenrat beim Unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs appellierte daran, die bisher bewährten Wege der Hilfe über die spezifischen Fachberatungsstellen nicht zu ignorieren und diese in das Konzept der Schnellen Hilfen aufzunehmen. Es sei zudem eine „massive Schlechterstellung“, dass die Entschädigungsleistungen nicht mehr ins Ausland gezahlt werden sollen, sagte Claus.