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26.06.2019 Recht und Verbraucherschutz — Anhörung — hib 725/2019

Experten für Universalschlichtungsstelle

Berlin: (hib/mwo) Der Entwurf eines Gesetzes zur Änderung von Vorschriften über die außergerichtliche Streitbeilegung in Verbrauchersachen (19/10348, 19/10991) war Thema einer öffentlichen Anhörung im Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz am Mittwoch. In der vom Ausschussvorsitzenden Stephan Brandner (AfD) geleiteten Sitzung begrüßten die acht Sachverständigen die im Regierungsentwurf vorgesehene Schaffung einer vom Bund getragenen Universalschlichtungsstelle, bei den Gesetzesänderungen vor dem Hintergrund der Musterfeststellungsklage sahen mehrere Experten jedoch Verbesserungsbedarf. Moniert wurde auch die im Entwurf vorgesehene Kontrolle von Verbraucherschlichtungsstellen durch das Bundesamt für Justiz (BfJ). Auch an dem Problem der zu geringen Nutzung des Verfahrens nach dem Verbraucherstreitbeilegungsgesetz (VSBG) ändere der Entwurf nichts, hieß es.

Simone Harriehausen von der Hochschule Pforzheim betonte in ihrer Stellungnahme, die geplante Erweiterung der Zuständigkeit der Universalschlichtungsstelle zur Bearbeitung von Streitigkeiten, zu denen nach einer Musterfeststellungsklage bindende Feststellungen getroffenen wurden, eröffne dem Verbraucher die Möglichkeit, mit Hilfe eines Schlichtungsverfahrens kostengünstig und schnell eine Lösung des Konflikts herbeizuführen. Diskussionsbedarf gebe es aber aus ihrer Sicht unter anderem bei der vorgesehenen Ablehnung eines Schlichtungsverfahrens bei Rechtshängigkeit einer Musterfeststellungsklage.

Die Rechtswissenschaftlerin Susanne Lilian Gössl von der Universität Bonn erklärte, Verbraucherstreitbeilegung stelle einen wichtigen Bestandteil des Verfahrensrechts dar, der Verbraucher und Unternehmer darin unterstütze, bei Streitigkeiten zu einem für beide befriedigenden Ergebnis zu gelangen. Mit dem Entwurf sei es gelungen, eine ganze Reihe von Unklarheiten im Dienste der Rechtssicherheit zu beseitigen. Zu bedauern sei, dass der Entwurf nicht weitere Kritikpunkte aufgegriffen hat. Ungelöst sei insbesondere die größte Schwachstelle des Gesetzes, nämlich die mangelnde Bereitschaft von Verbrauchern und Unternehmern, ein Verfahren durchzuführen. Hier bestehe der größte Nachbesserungsbedarf.

Ulla Gläßer vom Institut für Konfliktmanagement der Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder) verwies ebenfalls auf Punkte des Entwurfs, die noch optimiert werden könnten. Wie Gössl sieht sie es als großes Problem, dass die Schlichtungsangebote nicht angenommen werden. Ein Großteil der Unternehmen mache nicht mit, vor allem, weil die Kostenverteilung als unfair betrachtet werde. Sie sprach sich mit Blick auf die Möglichkeit des Widerrufs der Anerkennung einer Verbraucherschlichtungsstelle zudem dafür aus, die Unabhängigkeit der Schlichter abzusichern.

Kritik an den Widerrufsregelungen im Entwurf kam auch von der Bundesrechtsanwaltskammer. Deren Vertreter Jörn Steike bemängelte, dass das Erheblichkeitskriterium ohne Not aufgegeben worden sei. Es dürfte unverhältnismäßig sein, ohne Rücksicht auf die Schwere des Verstoßes das Widerrufsverfahren in Gang zu setzen. In seiner Stellungnahme regte er an, dass das BfJ Verbraucher, die Beratungsbedarf bezüglich der Verbraucherschlichtung oder zuständiger Verbraucherschlichtungsstellen haben, an die Rechtsanwaltschaft verweisen.

Der ehemalige Versicherungsombudsmann Günter Hirsch ging in seiner Stellungnahme ebenfalls auf die Frage der „Aufsicht“ über private Schlichtungsstellen ein. Er schlug vor, in geeigneter Weise klarzustellen, dass die für einen eventuellen Widerruf der staatlichen Anerkennung zuständige Behörde - das BfJ - keine Aufsicht über private Streitmittler und Schlichtungsstellen ausübt und insbesondere keine Aufsichtsbefugnisse hat. Auch eine Einschränkung der Widerrufsgründe im Gesetz sei geboten.

Christof Berlin, Leiter der Schlichtungsstelle für den öffentlichen Personenverkehr, sprach sich dafür aus, die branchenspezifische Schlichtung zu stärken. Im Bereich Bahn, Bus und Schiff beteiligten sich nicht alle Unternehmen freiwillig an der Schlichtung, was zu Lücken im Verbraucherschutz führe. Als Erfolgsmodell für eine volle Marktabdeckung gilt Berlin zufolge die Schlichtung im Luftverkehr mit einer privatrechtlich organisierten Schlichtungsstelle und einer behördlichen Auffangschlichtungsstelle. Der vorliegende Gesetzentwurf könnte zum Anlass genommen werden, das Modell der Luftfahrt auf den übrigen Personenverkehr auszuweiten.

Auch Reinhard Greger vom Fachbereich Rechtswissenschaft der Universität Erlangen-Nürnberg plädierte für die Schaffung neuer branchenspezifischer Schlichtungsstellen. Er erklärte, die Erfahrungen mit dem VSBG hätten gezeigt, dass die anerkannten Verbraucherschlichtungsstellen Konflikte rasch, belastungsarm und zur Zufriedenheit sowohl der Verbraucher- als auch der Unternehmerseite erledigen können. Eine weitere Förderung sei daher unbedingt zu unterstützen. Für nicht zielführend hält er die Regelung des Entwurfs, dass die Anmeldung eines streitigen Anspruchs zum Klageregister eines Musterfeststellungsverfahrens ein Verfahren vor der Verbraucherschlichtungsstelle zwingend ausschließen soll.

Martin Schmidt-Kessel, Verbraucherrechtler von der Universität Bayreuth, kritisierte die Bezeichnung der neuen Schlichtungsstelle. Schon der bisherige Begriff Allgemeine Verbraucherschlichtungsstelle sei irreführend, weil sie vielfach und im Sinne ihrer Auffangfunktion wegen bestehender anderweitiger Schlichtungsstellen nicht zuständig sei. Das gelte erst recht für die mehr als unglückliche Bezeichnung als „Universalschlichtungsstelle“, die Allzuständigkeit suggeriere, wo doch auch nach der Neuregelung lediglich an eine Auffangfunktion gedacht sei. Auch seien rechtspolitische Zweifel an der vorgesehenen Zentralisierung der Tätigkeit der Schlichtungsstelle des Bundes beim Bund angebracht, da die Justiz ist in Deutschland aus guten Gründen dezentralisiert sei.

Mit der Gesetzesänderung will die Bundesregierung das 2016 verabschiedete VSBG nachbessern. So soll die derzeit den Ländern zugewiesene Aufgabe der ergänzenden Verbraucherschlichtung (Universalschlichtung) zum 1. Januar 2020 auf den Bund übertragen werden. Der Bund soll durch den Betrieb einer bundesweiten Universalschlichtungsstelle zugleich die Verpflichtung aus einer EU-Richtlinie erfüllen, im Bundesgebiet flächendeckend für eine Infrastruktur von Verbraucherschlichtungsstellen für Verbraucherstreitigkeiten zu sorgen. Ferner soll geregelt werden, dass das BfJ nicht nur Kontaktstelle für die Online-Streitbeilegung (OS) ist, sondern auch bei rein innerstaatlichen Streitigkeiten Verbraucher und Unternehmer beraten kann, wenn die Beschwerde über die Europäische OS-Plattform eingereicht worden ist.

Dem Entwurf zufolge haben sich seit Inkrafttreten des VSBG die Anzahl der Verbraucherschlichtungsstellen und die Anzahl der Streitbeilegungsverfahren erhöht. Gerade vor dem Hintergrund der Musterfeststellungsklage sei eine weitere Zunahme von Verfahren vor Verbraucherschlichtungsstellen zu erwarten. Denn im Anschluss an eine erfolgreiche und rechtskräftig abgeschlossene Musterfeststellungsklage müssten Verbraucher, auch wenn sie sich auf das Musterfeststellungsurteil berufen können, ihre individuellen Ansprüche noch durchsetzen.

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