Geteiltes Echo für Menschenrechtsbericht
Berlin: (hib/AHE) Der 13. Bericht über die Menschenrechtspolitik der Bundesregierung (19/7730) stößt bei Experten auf ein geteiltes Echo. In einer Anhörung des Menschenrechtsausschusses diskutierten die Sachverständigen über enger werdende Spielräume für Menschenrechtsaktivisten weltweit, die Schwächung des internationalen Menschenrechtssystems und die Herausforderung durch China. In dem als Unterrichtung vorliegendem Bericht informiert die Bundesregierung über nationale und internationale Maßnahmen im Bereich der Menschenrechte in der Zeit zwischen Oktober 2016 bis zum September 2018.
Markus Beeko (Amnesty International) vermisste im Bericht eine Trendbeschreibung und Akzentuierung und nannte als Beispiele die fortschreitende Schwächung der internationalen Ordnung, die Unterfinanzierung von internationalen Menschenrechtsinstitutionen oder etwa auch den Systemwettbewerb mit China. Mit einem übergeordneten Betrachtungsrahmen sollte die Bundesregierung beschreiben, worin die zentralen Herausforderungen bestehen und wie sie auf diese reagieren wolle. Beeko kritisierte zudem, dass im Länderteil des Berichts nicht die Menschenrechtssituation befreundeter Staaten beleuchtet werde. Mit Blick auf Artikel-7-Verfahren der EU zur Rechtsstaatlichkeit in Polen und Ungarn sei dies eine Frage der Glaubwürdigkeit.
Auch Ulrich Delius (Gesellschaft für bedrohte Völker) warb dafür, die enger werdenden menschenrechtspolitischen Spielräume in EU-Staaten aber auch in Partnerstaaten wie zum Beispiel Vietnam umfassender in den Blick zu nehmen. Er wünsche sich zuweilen „mehr Kompass“ im Auswärtigen Amt, ob Menschenrechte oder eher Stabilität im Vordergrund stehen sollten und nannte das Beispiel des Sudans, wo unter anderem Menschenrechtsaktivisten den Sturz des Diktators bewirkt hätten, die vom Auswärtigen Amt zuvor völlig unterschätzt worden seien. „Was bedeutet Stabilität und ist es eine langfristige Stabilität, wenn man solche Regime stützt?“ Delius warnte zudem vor Modellen der Unterdrückung der Internetfreiheit wie in China, das für die Regulierung des Netzes eine Art Territorialprinzip beanspruche und damit auf wachsendes Interesse bei anderen Staaten stoße.
Rainer Dopp (Nationale Stelle zur Verhütung von Folter) lenkte den Blick auf Defizite in Deutschland: So gebe es nach wie vor Fixierungen in psychiatrischen Einrichtungen und in Polizeidienststellen, die etwa ohne Sitzwache und ohne hinreichende Begründung durchgeführt würden. Im Falle einer forensischen psychiatrischen Einrichtung sei eine Person mehr als 800 Stunden fixiert gewesen. Auch in der stationären Altenpflege würden freiheitsbeschränkende Maßnahmen als solche häufig nicht erkannt oder nicht als problematisch wahrgenommen, etwa dann, wenn demenziell erkrankte Bewohner mit Zahlencodes oder Fototapeten an den Türen daran gehindert würden, die Einrichtung verlassen.
Monika Hauser (medica mondiale e. V.) machte auf das „epidemische Ausmaß“ sexueller Gewalt gegen Frauen und Mädchen weltweit aufmerksam, das auch vor Deutschland nicht halt mache. Hauser kritisierte, dass die Bundesregierung für dieses Problem in ihrer Menschenrechts- und Außenpolitik keine kohärente Strategie erkennen lasse. Gewalt gegen Frauen sei kein Kriterium bei der Einstufung von Ländern als sichere Herkunftsstaaten, es gebe Migrationspartnerschaften mit frauenverachtenden Regimen und durch Rüstungsexporte nach Saudi-Arabien und in die Vereinigte Arabische Emirate würden Staaten unterstützt, in denen Frauen- und Mädchenrechte mit Füßen getreten würden.
Michael Krennerich (Universität Erlangen-Nürnberg und Vorsitzender des Nürnberger Menschenrechtszentrums) sprach von einer „Menschenrechtspolitik in unsicheren Zeiten“. Gemessen daran, dass die Menschenrechte selbst in Europa und den USA unter Druck geraten seien, sei der Bericht enttäuschend, weil in ihm lediglich „business as usual“ zum Ausdruck komme. Es gehe darum, entschlossen die Menschenrechtsstandards hochzuhalten - gerade auch bei der eigenen Rüstungsexport-, Migrations- und Flüchtlingspolitik. Krennerich unterstrich außerdem die Bedeutung der sozialen Menschenrechte: Diese könnten auf Schutzlücken aufmerksam machen, die selbst in einem Sozialstaat wie Deutschland existieren können, wie die Beispiele Kinderarmut, Wohnungsnot und Pflege zeigen würden. Eine Ratifizierung des Zusatzprotokolls zum UN-Sozialpakt durch Deutschland sei zudem „längst überfällig“.
Michael Ley (ehemaliger Ko-Direktor des Ludwig Boltzmann Instituts in Innsbruck, Lehrstuhl für Politik, Religion und Anthropologie) warnte davor, den UN-Migrationspakt als Baustein einer umfassenden Migrationspolitik zu werten, wie es die Bundesregierung im Bericht tue. Wenn man Migration an sich zu einem Menschenrecht machen wolle, klinge das human und freundlich, habe aber bedenkliche Folgen: Migration sei nicht mehr steuer-, das Asylrecht im herkömmlichen Sinne nicht mehr haltbar. Europa würde mit einer weiteren Zunahme von Einwanderung aus islamischen Ländern konfrontiert sein und damit auch mit der Bildung islamischer Parallel- und Gegengesellschaften. Ley warnte vor einer „Libanonisierung der Gesellschaft“ und vor einem aus islamischen Ländern importierten Antisemitismus hierzulande.
Christian Mihr (Reporter ohne Grenzen) lenkte den Blick auf das technisch hoch entwickelte System staatlicher Überwachung des Internets in China, mit dem die Behörden unerwünschte Themen im Keim ersticken könnten. Das digitale Zensurmodell sei auch für andere Staaten wie Vietnam und Kambodscha, Russland und zentralasiatische Länder attraktiv. Mit einer internationalen Medienstrategie versuche Peking zudem ein „alternatives Menschenrechtsnarrativ zu etablieren, das Universalität der Menschenrechte grundsätzlich verneint“, sagte Mihr. Dass die deutsche Bundesregierung ihrerseits mit dem BND-Gesetz ihrem Auslandsgeheimdienst eine fast schrankenlose Überwachung von Journalisten im Ausland einräume, würde von autoritären Regimen „mit Genugtuung“ zur Kenntnis genommen.